Richtige Frau am falschen Ort? Fedor Badenberg / Kleines Einmaleins der Geopolitik auf ARTE

mit Update nachmittags

Die neue Vizechefin des Inlandsgeheimdienstes Fedor Badenberg bekam ein aus ihrer eigenen Sicht gelungenes Porträt von der taz (Sabine Am Orde, Konrad Litschko). Dass die Linke-MdB Martina Renner sie gelobt haben soll (“kommunikativ und zielstrebig”) erweckt Vertrauen. Renner ist eine fachlich-trockene Geheimdienstkritikerin. Meine persönlichen Quellen in Berlin sprechen ebenso positiv über Frau Badenberg.

Dem wörtlichen Zitat von Frau Renner stimme ich vollständig zu: „Die Frage bleibt, wie repräsentativ sie für den Verfassungsschutz ist oder wie viel alte Strukturen dort doch noch weiterwirken. Und da darf man durchaus Zweifel haben.“ Es ist gut, dass es Charaktere wie Frau Badenberg gibt. Ohne sie wäre eine Demokratisierung von Staat und Gesellschaft aussichtslos. Allerdings bleibt die Frage, wo knappe Energie am besten eingesetzt werden kann. Ein junger Freund von mir versucht das z.B. bei der Polizei. Ohne die geht es (leider) nicht. Ohne einen Geheimdienst dagegen sehr wohl.

Einmaleins der Geopolitik

Lichtblick gestern bei ARTE plus drei Monate Mediathek: Poker um eine neue Weltordnung: Die Neue Seidenstraße – Wozu dient die Neue Seidenstraße? Wird sie nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den geopolitischen Aufstieg Chinas beschleunigen? Gerät auf diese Weise die Hegemonie der USA ins Wanken? Immer wieder – so hat es die Geschichte gezeigt – kam es zum Krieg, wenn eine aufstrebende Macht eine etablierte Macht herausgefordert hat. Wird es diesmal anders sein?”

Die zahlreichen zu Wort kommenden Expert*inn*en sind gut und politisch breit gecastet. Sie polemisieren nicht billig herum, sondern sprechen nachdenklich und informativ. Ein Produkt der Kölner Produktionsfirma Florianfilm (Regie: André Schäfer, ein WDR-Gewächs; Autor: Marcus Goldeck). Für die zahlreichen Dummschwätzer*innen in den TV-Trashshows sollte die Betrachtung dieses Films Bedingung für den Auftritt vor Publikum sein.

Vor oder nach Betrachtung dieses Films sollten Sie wissen, dass die Volksrepublik China die zweitgrösste Gläubigerin von US-Staatsschulden ist (nach Japan, dem Opfer der zwei abgeworfenen Atombomben): 1.068.700.000.000 $. Diesen Betrag haben nicht etwa die USA, sondern China selbst in den letzten Jahren zurückgefahren. Weil sie dort selbstverständlich das kleine Einmaleins der Geopolitik längst beherrschen.

Aber wie verhält es sich damit bei der deutschen FDP/FDP/FDP-Koalition? Der Bundeskanzler äussert sich dazu lieber nichtöffentlich, digital eingemauert in einem Gastbeitrag hinter der FAZ-Paywall. Er wünscht sich die EU als “geopolitischen Akteur”. Das stellt er sich so vor: damit sie das werde, brauche sie “Geschlossenheit”. Die will er durch die Abschaffung (!) des Einstimmigkeitsprinzips der Staaten erreichen. Wenn Sie da die Logik finden, geben Sie mir bitte Bescheid. Geschlossenheit auf deutsch bedeutet also: der Dickste ruft “Mir nach!” Wie lange ist das her, dass das schon nicht funktioniert hat?

Update nachmittags: seine Überschrift liess mich eine weitere Kriegsverengung befürchten. Aber Albrecht von Lucke/Blätter hat in “Putins Erfolg: Europas Natoisierung und die Verfeindung der Welt”, anders als der Kanzler in seinem FAZ-Text, die Probleme insgesamt richtig erfasst: “Denn dahinter bleiben alle großen Fragen ungelöst, die auf den drei westlichen Gipfeln bloß angerissen wurden: Wie weiter mit einer Weltwirtschaft, wenn sich die beiden Blöcke, China/Russland versus USA/Europa, voneinander entkoppeln? Wie weiter mit der globalen Hungerkrise – und wie mit der alles überragenden Klimakrise?”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net