Kleine Scheine sind völlig uninteressant, wir melken die Idioten, die sich nicht wehren können, so ca. 80 Millionen Zwangsopfer mit Krankenkassenkarten bieten unbegrenzten Zugewinn, sogar auf Dauer. In tiefer Dankbarkeit werden wir zahlen – schließlich verwaltet die Gematik unsere Gesundheit, also voll digital, so gut sie es eben können. Gematik heißt: Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte – klingt irgendwie schon fast romantisch, eine gelungene Verwaltungsprosa.
Als Vorbild haben sie sich keinen Geringeren als Steve Jobs genommen, der mit Apple das wertvollste Unternehmen der Welt schuf! Von Visionen geplagt hat er einmal gesagt: „Es macht keinen Sinn, kluge Leute einzustellen und ihnen zu sagen, was zu tun ist. Wir stellen kluge Leute ein, damit sie uns sagen können, was zu tun ist“, so im Businessinsider
Was ist also zu tun? Die Gematik schmeißt zuvörderst reihenweise die Leute raus, die sich nicht brauchen können: also IT-Sicherheits- und Datenschutz-Dogmatiker, so der Ex-Geschäftsführer der Gematik Prof. Dr. Arno Elmer (auf Twitter nachzulesen). Damit hat er einen Schritt in die richtige Richtung getan! Im Gegensatz zu Steve Jobs brauchte er keine Visionen.
Was bedeutet denn Datenschutz im Gesundheitswesen? Glaubt denn wirklich jemand, die Apothekenhelferin, der ich mein eRezept reiche, interessiert es, dass ich Fußpilz habe? Und unerlaubt in den elektronischen Krankenakten wühlen, das ist verboten – aber möglich.
Und dennoch! Es kann überlebenswichtig sein, dass mein Zahnarzt den letzten Besuch bei meinen Psychoanalytiker einsehen kann, dann weiß er wenigstens, dass ich keine Angststörung habe – und meine Homophobie wird ihn nicht sonderlich bewegen – im anderen Fall lässt er eben mal die Betäubung weg.
Kleinliche Bedenken verhindern tatsächlich eine effektive digitale Revolution im Gesundheitswesen. Jeder Arzt in seiner Praxis, der nur seiner Berufung nachkommen will, ist dankbar für die Vereinfachung alltäglicher Routinen. Zwangsläufig müssen dazu Schranken fallen und es wäre vermessen alles von Anfang an perfekt zu haben … erinnert sich noch jemand an die ersten Apple-Computer?
Zugegeben, da liegen ein paar Jahre dazwischen und der Pioniergeist von damals ist für die Gematik auch nicht notwendig, mittlerweile gibt es schon alles. Aber selber erfinden macht Spaß, muss ja nicht unbedingt funktionieren.
So zum Beispiel die Konnektoren, die sollen den Arzt mit der Gematik verbinden, vorne steht der Kartenleser. Der macht nicht viel mehr, als das Ding an der Ladenkasse im Supermarkt und hinten dran der Konnektor, der macht weniger als meine FritzBox. Meine FritzBox hat so um 200 Euro gekostet, der Goldbarren von der Gematik bringt es auf ca. 3500 Euro. Das war schon teuer (und umständlich) genug. In Deutschland sind davon ca 130.000 im Einsatz, die werden nicht nur zu Elektroschrott nach dem Willen der Gematik, sondern müssen ersetzt werden, womit mindestens 300 Millionen Euro den Besitzer wechseln. Leider gibt es kein Sondervermögen dafür, sondern nur Krankenkassenbeiträge.
Der Grund ist, das haben die geschmeidigen Vollprofis der Gematik rausgefunden, dass in den Konnektoren ein Zertifikat schlummert, das alsbald abläuft. So ein Zertifikat könne nicht getauscht werden, weil es fest mit der Hardware gekoppelt sei. Das haben auch die Hersteller gesagt, sagt die Gematik.
Wenn das wirklich so ist, dann wäre das eher ein Designfehler und die Hersteller müssten das fehlerhafte Produkt auf ihre Kosten tauschen, anstatt wieder 300 Millionen einzustreichen.
Und wenn es nicht so ist? Findige Redakteure beim Heise-Verlag (c’t) haben das zerlegt und gesehen, das geht wohl doch und bereits im August Bundesgesundheitsminister Lauterbach aufgefordert diesem unwürdigen Treiben mit unseren Krankenkassenbeiträgen ein Ende zu setzen, das findet sich alles hier!
Aber die Gematik wäre nicht die Gematik, wenn sie nicht wüsste, das Geld doch noch zu verschleudern, schnell behaupten sie, das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) hätte Sicherheitsbedenken ob der Qualität des Zertifikates. Und zusätzlich wäre der Aufwand viel zu groß und zu unsicher die Zertifikate auf den bestehenden Konnektoren mit einem Softwareupdate zu tauschen.
Hat sich Carl Fabian Lüpke alias Fluepke vom CCC (allgemein bekannt als Chaos Computer Club) angesehen und wie die Zeit schreibt „dem es Spaß macht…“ sich damit zu beschäftigen, ne, das ist nicht der Grund, der Unterschied ist, dass er es drauf hat, war in zwei Wochen erledigt – in seiner Freizeit – und ist veröffentlicht.
Bleibt das BSI, erklärt jetzt der Vizechef Gerhard Schabhäuser: „Einer Verlängerung der Nutzungsdauer von bis zu maximal drei Jahren kann das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zustimmen, …“ dem RND (Redaktions Netzwerk Deutschland)
Warum das alles so hochkompliziert ist? Weil die Romantiker bei der Gematik einen üppigen Schuss überflüssige Kryptosoße über all die Komponenten geschüttet haben und nicht sehen, dass zwar die Tür vorne verrammelt ist, aber hinten alles offen. Um beim Beispiel zu bleiben, die Kassiererin an der Kasse kann auch nicht die Umsätze auf meinen Bankkonto sehen, nur weil ich meine Kreditkarte vorzeige, es gab also nichts, was wir hätten erfinden müssen, höchstens anpassen.
Komme ich zurück auf Computerpioniere, Visionäre. Hätten wir vor Jahren, als er noch lebte, Steve Jobs hier gehabt, sagen wir für eine gute Viertel Stunde, dafür hätten wir ihm 300 Millionen Euro gegeben, es wäre gut angelegtes Geld. Wir hätten wahrscheinlich ein Datenformat, das sich zwischen den Beteiligten interoperabel einsetzen lässt, einen punktgenauen Austausch ermöglicht, ohne die Daten zentral zu verwalten, gezielt und anonymisiert der Forschung zu Verfügung steht, keine Konnektoren, keine Kryptosoße, die nichts sichert oder verhindert, die Hoheit über die eigenen Daten, userfreundliche Interfaces, gesicherte Kommunikationswege für Patienten, Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen und noch viel mehr, was ich noch nicht mal ahne – aber ich bin kein Visionär.
Ein Blick in die Zukunft? Mir wird übel….
… aber vielleicht macht sich Böhmermann demnächst drüber lustig.
PS: Für die Kenner, hätte es Steve Jobs gemacht, würde das nicht mehr Gematik heißen, sondern iGem
Besten Dank für diese schöne Zusammenfassung der Geschehnisse.
Schade dass ich diese Selbstbereicherung über meine Krankenkassenbeiträge bezahlen werde und dem Extradienst keinen Anteil meiner GEZ-Gebühr überweisen kann.
Besten Dank auch für die Mediathekperle Kranitz. Leider ist die Folge 3 in der Mediathek nicht abspielbar. Technische Probleme. Vielleicht kann die Gematik helfen.
… die GEZ kann nix dafür, die arbeitet für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ärgerlich finde ich persönlich, dass alles da ist, um es richtig einfach, anwenderfreundlich und datenschutzgerecht aufzubereiten und durchführen könnten und am anderen Ende Figuren sitzen, die bei dem Stichwort Krypto, Blockchain, KI pder Quantencomputer leuchtende Augen bekommen – aber noch nicht mal ahnen, was das ist – außer: es hört sich gut an, das machen wir auch. Nebenbei – das sei auch nicht zu verachten, gibt es ein massive kommerzielles Interesse an die Daten ungefiltert zu kommen. Das alles zentral zu speichern ist der Irrsinn überhaupt – denn das wo der Trog steht, versammeln sich die Schweine. Dazu muss noch nicht einmal eine kleine dumme Sicherheistslücke offen sein, die Big Player schaffen das auch mit Zustimmung der Gematik. Darüber hinaus wecken so viele wertvolle Daten versammelt an einem Ort auch das hohe Interesse von Cybergangs – die sind alle besser aufgestellt als die romantischen Vollprofis der Gematik, denke ich – den Beweis werden die schon erbringen.
Ok, der Querverweis auf die GEZ war durch folgendes motiviert:
https://extradienst.net/2022/10/28/nun-hat-der-wdr-auch-seine-affaere/