mit Update nachmittags: warum es hier keine Opposition gibt
Wollen Sie wissen, wer die Welt beherrscht? Es ist keine Verschwörung. Und es gibt keine Zentrale. Das ist ja gerade das Problem, warum wir bis heute nicht sicher vor einem Dritten Weltkrieg sind. Einen groben Überblick gab gestern ZDFinfo. Das ist der Sender, wo sonst immer irgendwas mit Hitler läuft (“Hitler geht immer” wissen sie auch bei Spiegel oder Stern). Eingekauft hat das ZDF die drei Folgen bei einem mittelgrossen US-Streamingdienst namens CuriosityStream. Nach meinem oberflächlichen Eindruck erzählen sie dort die Narrative der US-Liberalen, mit all ihren Ambivalenzen.
In ihren drei Folgen über Tycoons in Russland, China und den USA gibt es zwar einen groben Überblick, aber nicht wirklich strategischen Hintergrund. Ich persönlich habe mein geringes Wissen über die Chines*inn*en auffrischen können. Und hängen geblieben ist bei mir, das zumindest das chinesische Regime leidlich versucht, diese Figuren einzufangen und unter Kontrolle zu bekommen. Ein Versuch, den ich bei unserer eigenen Regierung (bei den USA sowieso) schmerzlich vermisse. Bei Russland wiederum ist die innenpolitische Freund-Feind-Frage (scheinbar endgültig) geklärt und es herrscht der Eindruck vor, als wenn Regime und Tycoons heute eins sind. Erwähnte ich schon, dass es sich um ein US-liberales Narrativ handelt? Ja.
Verbrecher*innen sind sie alle. Aber was hilft diese Erkenntnis? Mit der Frage, was zu tun ist, hält sich diese Curiosity-Produktion nicht lange auf. Sie ist mehr als Entertainment gedacht und funktioniert auch so. Zur Auffrischung eigener Personen- und Gesichterkenntnis ist sie geeignet.
Dietl – leben wie ein süffiger Roman
Helmut Dietl habe ich als Glotzer von TV-Serien und -Filmen durchgehend verehrt. Er war vielleicht der Beste von allen, die seit ’45 in der BRD heranwuchsen. Nun legt Claudius Seidl, 2001 von der SZ aus München zur FAS-Feuilleton-Leitung gewechselt, eine Dietl-Biografie vor, von der die FAS ein Kapitel vorabdruckt und ohne Paywall online stellt. So macht mann wohl PR für den Buchverkauf.
Dietls Filme sind jeder einzelne besser als dieser Text. Aber für FAZ/FAS-Verhältnisse ist er wirklich süffig. Münchner Schickeria der 60er/70er, und wir lesen, als seien wir live dabei. Ehrlich gesagt bin ich eher froh, dass ich weit weg war, im Ruhrgebiet. Den Leuten aus Dietls Filmen (und seinem wahren Leben) will ich lieber nicht zu persönlich begegnen. Ausser Senta Berger (Dieter Hildebrandt ist ja leider schon tot). Immerhin bin ich Gerhard Polt mal im echten Leben begegnet – der kannte die alle, hat sie gut beobachtet, und sich, so gut er konnte, von ihrer Mentalität ferngehalten. Hammer: im Mai wurde er 80. Hat ihn irgendein Sender geehrt?
Update nachmittags
Das deutsche Oppositions-Vakuum
Das erklärt treffend Alban Werner/Jacobin: “Lauwarmer Herbst – Die Inflation ist auf einem Höchststand, die Lebenshaltungskosten explodieren und auf den Straßen tut sich – wenig. Dass nicht stärker protestiert wird, liegt auch an der Ampel, die ihre Opposition neutralisiert.”
Ungewollt bescheinigt er der Ampelkoalition ein respektables Ausmass an strategischer Schläue (Klugheit wäre was Anderes). Rechts lauert keine Opposition, sondern eine andere Herrschaftsoption. Wie der Autor klug ausführt, ist der Neoliberalismus vorerst keine mehr. Aber der Faschismus bleibt in Deutschland mit einem soliden 15%-Umfragenfundament eine immer in Sichtweite sich bewegende Option.
Eine kraftvolle und vereinigbare antifaschistische Gegenkraft ist in EU-Europa derzeit nicht erkennbar. Sie muss von ausserhalb der Parteien kommen, um sie unter Druck zu setzen. Aus freien Stücken werden sie – die Parteien – sich nicht dazu bequemen. Auch links nicht (wie Autor Werner ehrlich konzediert).
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