Das Fussballbusiness in der Moral-Rezession

Der dickste Fisch ist die Champions League der Uefa. Doch er ist nicht mehr frisch und stinkt. Darum hat Sky keine Lust mehr mitzusteigern. Der russisch-ukrainisch-US-amerikanische Oligarch Len Blavatnik (Dazn) hat freie Bahn. Sky hat früher Rupert Murdoch gehört, einem ähnlich widerlichen Oligarchen-Typus. Der hat den Laden aber rechtzeitig verkauft, an den US-Konzern Comcast. Und dort haben sie wohl noch mal alles nachgerechnet.

Politisch fällt das Fehlen von Analyse- und Personality-Storys über Mr. Blavatnik auf. Das zeigt die ganze Jämmerlickeit des aktuellen “Investigativ”-Journalismus.

Hierzulande dreht sich alles um die westfälische CDU-Provinzgrösse Hans-Joachim Watzke. Hier zu Ihrer eigenen Urteilsbildung die Unternehmenszahlen seines mittelständischen Konzerns Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, Da kann ein von Natur aus mit Bärenruhe ausgestatteter Westfale schon mal nervös werden. Ist er auch.

Bei den deutschen Fussballkonzernen hat die Coronakrise mit zwei bis dreistelligen Millionenfehlbeträgen eingeschlagen. Das ist in ganz Europa ähnlich. Bei Juventus Turin ermittelt schon die Staatsanwaltschaft. Juve ist wie Barca und Real Madrid nur noch durch die von J.P. Morgen gepamperte “Super League” zu retten. Aus Deutschland wäre der Konzern aus München dabei. Bei der kapitalistisch betrachtet Nr. 2 – sportlich ist sie davon weit entfernt – Watzkes Borussia wäre eine Aufnahme schon ungewiss. Fussballerisch zu schlecht, die Besten (Haaland, bald Bellingham, Moukoko) werden abgeworben – Stellenwert bestenfalls “Fahrstuhlmannschaft”.

Im deutschen Kartell DFL geht es darum ähnlich nervös zu, wie in einem Wespennest, das von der chemischen Keule der Kammerjäger bedroht wird. Bevor der nächste TV-Vertrag zu verhandeln ist (2024) wird die Geschäftsführerin gefeuert. Eine Frau als Fussballfunktionärin, mit einem Westfalen als Vorgesetzten, war keine optimale Idee. Meint die Mehrheit. Die Mehrheit hat weder Super-League noch Champions-League-Ambitionen – sie spielt nur für den deutschen TV-Markt, und will mehr. Zuletzt brachte der TV-Vertrag minimal weniger wg. Corona. Aber warum soll es nun mehr geben?

Es ist doch alles langweilig. In der Bundesliga seit 10 Jahren derselbe Meister. In der Champions League immer die Gleichen unter den letzten 8 – davor eine monatelange öde Gruppenphase, nur damit ein paar Dutzend Sponsoren ins TV kommen. Die WM – in Deutschland schon abgemeldet. Und politisch-moralisch komplett insolvent. Niemand will mit den Akteuren gesehen werden – und wenn, dann nur mit Armbinde. Wenn ARD und ZDF beim nächsten TV-Vertrag wieder mitbieten – die DFL ist darauf angewiesen – demontieren sie sich bei ihren Finanziers, uns Haushaltsabgabenzahler*inne*n, und bringen sich selbst politisch in existenzielle Gefahr. Meine Prognose: sie werden es tun.

Es stimmt, dass Deutschland mal wieder auf einem Sonderweg ist. In keinem Land war und ist die Basisbewegung der Fussballfans so erfolgreich – und so schlecht steuer- und instrumentalisierbar (in Italien oder Argentinien sind die Ultras zu professionellen Mafias mutiert; in Deutschland sind sie – von lokalen Ausnahmen abgesehen – klar links politisiert). Deutschland ist aber innerhalb Europas klar der grösste kaufkräftigste TV- und Werbemarkt. So wie Europa das wiederum weltweit ist.

Das bedeutet politische Macht. Sie müsste emanzipatorisch ausgeübt werden, vergleichbar der Klimapolitik. Davon aber ist der deutsche Fussball (DFB, DFL, TV-Anstalten) so weit entfernt wie die deutsche Politik. Und Watzke ist der letzte Patriarch, der das nicht lösen kann.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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