“Kommunikative Chance” – manche tun es (Polizei, Klimaaktivist*inn*en, Mieter*innen), andere lernens nie (Regierungen, Parteien, Immobilienbesitzer*innen) – Best of 14. Januar 2023
Die – mglw. gut ausgehende Geschichte zuerst. Anfang November erschien im Berliner Lokalteil der taz diese Schmonzette – dachte ich – über einige ehemals “alternative” Immobiliendealer*innen: “Verdrängung in Berlin-Kreuzberg: Linke Vermieter – Ausgerechnet eine linke Eigentümergemeinschaft plant den Verkauf ihres Mietshauses an einen Investor. Die Mieter*innen protestieren.” Meine Hypothese damals: die kennen sich alle untereinander, und sind mutmasslich über viele Jahre fundamental verfeindet. Egal wer lügt und gewinnt, und wer verliert – es wird schon keine Falschen treffen. Und damit vergass ich die Sache.
Nun hat vor einigen Tagen der Spiegel (Autorin: Frauke Hunfeld, Paywall) die gleiche Geschichte noch einmal gross aufgeblasen, etliche Gewürze hinzugefügt, mit Klarnamen nicht gegeizt, und nunja, seine ganze publizistische Macht unter besserverdienenden Bildungsbürger*inne*n ausgespielt. Meine These nun: exzellente PR-Arbeit (einiger) der betroffenen Mieter*innen.
Denn nun geschah das: Gareth Joswig/taz: “Gentrifizierung in Berlin-Kreuzberg: Oranienstraße 169 vor Happy End – Nach dem befürchteten Verkauf an einen Investor soll laut Bezirk eine Genossenschaft einsteigen. Mieter-Initiative Bizim Kiez freut sich über „positive Wendung“. Zur Fachkompetenz der berichtenden taz müssen Sie wissen, dass es sie überhaupt nur deswegen noch gibt, weil sie so intelligent wie nur wenige andere mit Berliner Immobilien Geschäfte gemacht hat.
Meine persönliche Quelle zu Kreuzberger Angelegenheiten kommentiert: “Solange niemand weiß, wer diese angeblich gemeinwohlorientierten Neukäufer sind, wäre ich vorsichtig.” Das erscheint mir ein sehr guter Rat.
Was lehrt uns diese Episode? Zum Einen mal wieder: “Das Sein bestimmt das Bewusstsein.” Selbstverständlich auch bei guten Menschen, die an Kapitalbesitz geraten sind. Der Autor dieses klugen Satzes schrieb auch: »Ein Teil der Gesellschaft verlangt hier von den anderen einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen«. Damit ist die materielle Beziehung zwischen Vermieter*in und Mieter*in komplett erfasst. Aber der Satz war damit noch nicht zuende. Karl Marx erfasste – im 19. Jahrhundert! – direkt noch die gegenwärtige Klimakrise mit: »wie überhaupt im Grundeigentum das Recht der Eigentümer eingeschlossen ist, den Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft und damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu exploitieren.«
So nachzulesen bei Stephan Kaufmann/oxiblog: “Die Erde als fiktives Kapital – Schon Marx und Engels wussten: Der Preis für Boden beruht auf Spekulation. Was hat das mit den Mieten zu tun?”
Kommunikative Chancen – wer sie kraftvoll nutzt, und wer nicht
Mit dem letzten Marx-Zitat wird die Überleitung zu RWE direkt mitgeliefert. Der Konzern, der Regierungen und Parteien für sich tanzen lässt. Weil er nichts anderes gelernt hat. Der “Erfolg” gibt ihm recht. Ich weiss gar nicht, ob es auf der Welt noch einen Konzern gibt, der RWE in der Klimaverschmutzung übertrifft. Wer fördert so viel Braunkohle, und darf sie so ungehindert, ja quasi von Regierungen dazu gedrängt, verbrennen und in grosses, sehr grosses Kapital verwandeln?
Im Fussball gibt es den Fachbegriff der “Expected Goals”, das sind von Datenjournalist*inn*en definierten Zonen auf dem Spielfeld, aus denen statistisch erwiesen die meisten Tore erzielt werden. Fussballteams werden darauf trainiert, in diese Zonen hineinzuspielen, weil der Erfolg dort am wahrscheinlichsten ist. Das lässt sich wunderbar auf politische Konstellationen übersetzen.
In Lützerath bspw. haben sowohl Klimaschützer*innen als auch Polizei ihre Chancen herausgespielt und nutzen sie zu Toren. Die Polizei ist darauf mittlerweile exzellent trainiert, und hatte sich über Silvester eine geradezu schon anrüchige Medienüberlegenheit erspielt – vergleichbar mit dem deutschen Fussballdauermeister oder einer feudalarabisch gepamperten Vereinsimitation.
CDU und SPD spielen immer noch die alten Sprechautomaten ab. Das ist ungefähr so peinlich wie der Zweitligist HSV oder der Drittligist RWE (ja, die heissen auch so). Und die Grünen? Haben sich mögliche Wege zu “expexted goals” selbst verbarrikadiert, dass es schon mitleidserregend ist (“Mitleid” gleicht einem politischen Todesurteil).
Ein Hinweis an die Bonner Grünen – eine kommunikative Chance
Mir ist ja schon weisgemacht worden, dass meine lokalen Parteifreund*inn*e*n es nicht schaffen, eine banale Fussgängerampel am Konrad-Adenauer-Platz/von-Sandt-Strasse wieder in Betrieb zu setzen. Das würde noch nicht einmal Geld kosten, weil sie seit Jahrzehnten dort steht, nur verrammelt und verhüllt ist.
Gut, wenn das nicht zu schaffen ist, will ich nun mal eine anspruchsvollere Aufgabe stellen. Diese Aufgabe ist die Kaiser-Konrad-Strasse 36. Ein Mehrfamilienhaus, mit je nach Schnitt, 3-6 Wohnungen. Ich weiss nicht wie lange – ich beobachte es erst seit 7 Jahren – steht dieses Wohnhaus mitten im Beueler Combahnviertel leer. In diesem Viertel erhielten die Grünen bei der Stadtratswahl 46%, Oberbürgermeisterin Katja Dörner erhielt dort in der Stichwahl 62,5%. Bei der Briefkastenverteilung nahm ich wahr, dass es in diesem Viertel sehr viele Häuser mit nur einem einzigen Briefkasten gibt, die also sicher noch Platz für Flüchtlinge oder andere Mieter*innen haben müssten. Hier kann es sich also offenbar eine Erbengemeinschaft (o. ähnl.) leisten, “Verluste aus Vermietung und Verpachtung” viele Jahrzehnte von der Steuer abzusetzen. Denn so hat es der real existierende Kapitalismus für solche Situationen vorgesehen (s.o. Stephan Kaufmann).
Und jetzt die Aufgabe für meine Parteifreund*inn*e*n: macht mal was, was die Leute sehen können (= “kommunikative Chance”).
Damit “etwas passiert” – und alle Silvester- und Lützerath-Reflexe mitberechnet – könnte es ungefähr so gehen: einige Aktivist*inn*en mit und ohne Hintergrund, gerne jede Menge kräftige junge Männer, die nicht wissen, wohin mit ihren Hormonen, errichten auf dem benachbarten brachliegenden Eckgrundstück eine kleine Baumhaussiedlung, und spielen so lange mit Pyrotechnik, bis sich die Nachbar*inne*n beschweren und die Polizei kommt. Die räumt dann alles, und lässt sicherheitshalber auch das mutmasslich mittlerweile unbewohnbare Haus abreissen, damit auch garantiert nichts mehr besetzt wird. Das Grundstück wird dann enteignet, wie es in Lützerath zugunsten des RWE-Konzerns gemacht wird, dieses Mal aber nicht für RWE, sondern die Vebowag, die dort dann Sozialwohnungen errichtet, damit das Viertel endlich mal ein wenig “gemischt” wird.
Müsste die Vebowag das Grundstück regulär erwerben, wäre es unbezahlbar. Es gibt im Combahnviertel oder Schwarzrheindorf keine Grundflächen mehr, auf denen Sozialwohnungen betriebswirtschaftlich errichtbar sind. (s.o. Stephan Kaufmann).
Shit happens – was nicht schiefgehen kann, geht auch schief (Wundersame Bahn CXXXIX)
Die elende Brücke für die S13 in Troisdorf, die beim Planen vergessen wurde – sie ist den leidtragenden Beueler Pendler*inne*n und Anwohner*inne*n so bekannt, dass sie sie auf ihre Modelleisenbahn vermutlich ohne frmde Hilfe nachbauen könnten. Das ZDF schaffte es nun, in seiner wenig bekannten Samstagsnachmittag-Füllsendung “Länderspiegel” der Stadt Bonn dazu noch eine Narrenkrone aufzusetzen. Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht Sorgen.
Schadensverursacher und Tölpel ersten Grades sind die, die in Deutschland die echte Eisenbahn bauen. Beauftragen und planen tut das die Deutsche Bahn AG in ihrem Glashochhaus in Berlin. Das ZDF schafft es aber, die kabarettreife “Leistung” Bonn zuzuordnen, und es gar mit dem Berliner Flughafen, der immerhin der Stadt Berlin gehört, zu vergleichen. Garniert wird das dünne Gebräu mit optisch in der Tat “beeindruckenden” Bildern der S13-Baustelle, insbesondere am vom DB-Personal völlig verlassenen und aufgegebenen Bahnhof Beuel. Noch nicht einmal während der sechswöchigen Umleitung des Fernverkehrs über Beuel gelingt es der in Berlin (!) residierenden DB-AG Hilfspersonal zu gewinnen, das körperlich eingeschränkten Fahrgästen einen gangbaren Weg zu Gleis 2 weist.
Gegenwehrmöglichkeit der Stadt Bonn gegen diese Nullen: 0 (in Worten: Null). Aber der Schaden an der Stadt ist verursacht, vielfach. Vielleicht mal mit Pyrotechnik und Silvesterböllern in Berlin am DB-Hochhaus versuchen. Junge Männer dafür finden sich hier wie dort.
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