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„Tankstelle mit Atomraketen“

Der mögliche Zerfall Russlands

Es tauchen jetzt immer mehr Landkarten im Internet auf, die die Sollbruchstellen des russischen Imperiums darstellen. Der Zerfall des Reichs wäre eine reale Möglichkeit in Folge des russischen Debakels im Ukrainefeldzug, der ja eigentlich die alte imperiale Herrlichkeit wiederherstellen sollte – und vielleicht genau das Gegenteil erreicht.

Meine Sorge ist, dass eine solche Atomisierung des russischen Reichs eine Art hundertjährigen Bürgerkrieg nach sich ziehen könnte – mit Opferzahlen, denen gegenüber die in Putins „Spezialoperation“ nur eine Art Ouvertüre darstellen. Auch das ist leider ein möglicher Ausblick auf die kommenden Jahrzehnte.

Tatsächlich hat Russland unter Putin kein zukunftsfähiges Modell der Sozialintegration gefunden. Es ist heute unter Weltmarktgesichtspunkten nicht viel mehr eine „Tankstelle mit Atomraketen“, organisiert als KGB-kleptokratische Oligarchen-Autokratie – schwieriges Konstrukt.

Die Ökonomie fusst auf einem alt-industrialistischen Extraktivismus, der in der heutigen Wissensgesellschaft mehr Fluch als Segen ist, weil er nicht-innovative Rentiers-Staaten hervorbringt, die sich auf ihre Einnahmen aus den extraktiven Industrien verlassen, ansonsten aber keinen Anschluss an den Weltmarkt finden.

Die Einnahmen aus Rohstoffexporten ermöglichen den Eliten ein ganz gemütliches Leben, z. B. an der italienischen Riviera. Manchmal gibt es auch Projekte der sozialen Verteilung, eine Art Extraktions-Sozialismus wie unter Hugo Chavez in Venezuela. Aber nachhaltige Entwicklungen hat das alles nicht hervorgebracht. Heute teilen die venezolanischen Generäle die Öleinnahmen unter sich auf – nach russischem Vorbild.

In der Sonntags-FAZ wird dieses fatale Extraktionsmodell ganz gut beschrieben. Meine Sorge ist wie gesagt, dass dessen Scheitern in Russland Eurasien ein ziemlich blutiges 21. Jahrhundert bescheren könnte.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

Ein Kommentar

  1. A.Holberg

    Nur eine Frage; wie üblich verzichtet der Autor auf irgendwelche nachprüfbare Fakten. In diesem Fall kolportiert er wieder einmal die Geschichte von Putins Plan, das alte russische Imperium mittels des Ukraine-Krieges wiederherzustellen. Irgendein Beleg für diese These oder auch nur Hinweise, die diese These wenn nicht bewiesen so doch als wahrscheinlich aussehen lassen?

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