Best of 25. April 2023: USA, Ruhrgebiet & Österreich, Griechenland, Bonn
Beginnen wir im Noch-Zentrum der Macht den USA. Vielleicht wollen Sie vorher noch einen Blick werfen (oder haben es schon getan) in den schönen Bonn-Film “Die Unbeugsamen”. Dort spielt Ingrid Matthäus-Maier eine tragende Rolle, deren Medienpräsenz im Jahr 1972 mich in die Jungdemokraten gelockt hat. Dort führten wir ähnliche Strategiediskussionen, wie Sie heute Alexandria Ocasio-Cortez im Jacobin-Interview berichtet: “Alexandria Ocasio-Cortez meint: Bidens Rechtsruck ist ein »schwerer Fehler« – Im JACOBIN-Interview spricht Alexandria Ocasio-Cortez über ihre Forderung nach einer Amtsenthebung des erzkonservativen Supreme-Court-Richters Clarence Thomas, Joe Bidens Chancen auf die Wiederwahl und das Abwägen zwischen Werten und politischer Taktik.”
Es gibt weitere Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Persönlichkeiten. Sie präsentier(t)en der Aufmerksamkeitsökonomie wachen Verstand, grösste Beredsamkeit, verbunden mit weiblicher Normschönheit. Daran kommt kein Medium vorbei, insbesondere keins der (wichtigeren) optischen Medien. Selbst die, die versuchen die Person aufgrund vorgeblicher Radikalität zu dämonisieren, erreichen damit das Gegenteil: sie steigern die Popularität. Das bescherte der deutschen Berühmtheit Matthäus-Maier bei allen Rückschlägen (Scheitern ihrer Bundestagskandidatur 1972 an dem Antisemiten Möllemann; Austritt aus der FDP 1982) eine fulminante Karriere. Was Ocasio-Cortez noch erreicht, bleibt abzuwarten und spannend zu beobachten – weltberühmt ist sie schon.
Wie verhält es sich im Vergleich dazu mit Frau Baerbock? Der rhetorische frauenfeindliche Ausfallschritt des Fernsehfilosofen Precht entspricht der Dämonisierungsmechanik, die ich oben erwähnte. Wenn er nicht bestellt war, passt er doch bestens in Frau Baerbocks hochprofessionelle – und nicht immer billige – PR-Arbeit. Hinreichend dumme Männer finden sich immer. Ich bin gegen die Geringschätzung optischer Zeichensetzung – gerade weil sie mir, wie Sie in diesem Blog erkennen können, persönlich absolut fremd sind, im Sinne von: nicht meine Baustelle. Können andere besser. Baerbock (und ihr Stab) kann das. Das sollte, statt beschimpft, lieber studiert werden. Auch und gerade von denen, die wie ich Kritik an den Inhalten ihrer Politik haben. Meine These: sie wird jeden Parteitag gewinnen, Wahlen dagegen eher nicht.
Und ihr Gesinnungsfreund Joe Biden? Ein erneuter Sieger 2024? Statt Auflösung spekulativer Fragen hier eine Rätselaufgabe. Von wem sind diese Zitate: „Ich halte es für wichtig, dass Europa als Ganzes nach mehr politischer Einheit strebt und dass ein geeintes Europa gemeinsam mit Amerika versucht, auch Russland für ein größeres Europa zu gewinnen.“ Es gebe die Gefahr, „dass sich in Asien die Tragödien des 20. Jahrhunderts in Europa wiederholen, und ein amerikanisches Engagement würde diese Konflikte wahrscheinlich noch verschärfen“ … „Das bedeutet, dass die Vereinigten Staaten bei der Ausübung dieser Rolle vorsichtig sein müssen und insbesondere eine übermäßige Verwicklung in die Probleme des asiatischen Festlandes vermeiden sollten.“ … „Deshalb müssen die Vereinigten Staaten die Rolle des Schlichters und Ausgleichs übernehmen, ähnlich wie sie Großbritannien im 19. Jahrhundert gegenüber Europa gespielt hat.“ … Er glaube nicht, … „dass China als solches gefährlich ist, es sei denn, die Außenwelt und insbesondere die Vereinigten Staaten beginnen, China als einen Feind zu betrachten, was es derzeit nicht ist“. Er glaube nicht, sagte er vor zehn Jahren, „dass China als solches gefährlich ist, es sei denn, die Außenwelt und insbesondere die Vereinigten Staaten beginnen, China als einen Feind zu betrachten, was es derzeit nicht ist“. Dä. Ich war auch überrascht.
“Sieger” von links unten
In der West-BRD gab es die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), angeblich “von Moskau gesteuert”, und definitiv von Berlin-Hauptstadt-der-DDR durchfinanziert. Ihre besten Wahlergebnisse auf Bundesebene betrugen 0,3%. Anders in Bottrop. Dort erreichte sie bei der Kommunalwahl 1969 5,3%. Das war der NRW beherrschenden SPD damals so peinlich, dass Sie sich bei der nächsten kommunalen Gebietsreform “Glabotki” ausdachte. Durch die Vergrösserung des Stadtgebietes die DKP wieder unter die damals noch geltende 5%-Hürde zu drücken. Ergebnis: in der vergrösserten Stadt erreichte die DKP sogar 7,2%. Ein Drittel meiner Gladbecker Schulklasse hatte sie mitgewählt. Dann entschied das Landesverfassungsgericht die Gebietsreform für verfassungswidrig, die Städte wurden wieder getrennt. Und mussten wieder neu wählen. So wurde Gladbeck zur zusätzlichen DKP-Hochburg, Einer der damaligen DKP-Ratsherren, Robert Farle, machte später AfD-Karriere, die aber auch schon wieder beendet ist.
Der legendärste Kümmerer der damaligen DKP war aber Clemens Kraienhorst. Der machte damals in Bottrop das, was Alexandria Ocasio-Cortez heute in New York macht. Und was ein paar gewitzte Österreicher*innen nicht nur in Graz, sondern auch in Salzburg hinbekommen haben. Es ist kein Hexenwerk, sondern Kleines Einmaleins. Schau’ mal “Die Linke” – so wird das gemacht!
Robert Misik/taz: “KPÖ gewinnt in Salzburg: Golfen für alle – In der Festspielstadt Salzburg wurden die Kommunisten mit 22 Prozent gewählt. Wie haben sie das geschafft?”
Frank Jödicke/overton: “Donnerschlag in Salzburg: Kommunisten überholen die Grünen – Bei den Landtagswahlen in Salzburg geht die regierende ÖVP baden und die rechtsextremistische FPÖ kratzt beinahe an Platz eins”
Adam Baltner/Jacobin: “Die KPÖ zeigt, wie man mit Klassenpolitik Stimmen holt – Das historische Ergebnis der österreichischen Kommunisten bei der Salzburger Landtagswahl beweist vor allem eines: Klassenpolitik ist massentauglich – auch in vermeintlich konservativen Regionen.”
Und weil es so schön ist
Noch ein Gegenbeispiel, wie Sieger nicht aussehen. Es heisst ja oft, Moden aus den USA würden uns in Mitteleuropa “fünf Jahre später” erreichen. Doch ein Traum Mathias Döpfners, des Springerkonzern-Oligarchen, scheint schon wahr geworden zu sein: die Richtung dieser Moden umzukehren. Was er selbst – in Handlungseinheit mit der freifliegenden rechten Kanonenkugel Reichelt – angerichtet hat, das findet jetzt in den USA folgende Kopie:
Eva C. Schweitzer/overton: “Ding-Dong, the Witch is dead! – Fox News muss künftig ohne Tucker Carlson auskommen. Der Anchorman wurde gefeuert, weil er hinter der Kamera was anderes sagte als vor der Kamera.”
Andere Länder – andere Politsitten: Griechenland
Griechenland war mit “uns”, obwohl wir jedes Jahr viele Urlaubsdevisen in dieses bildschöne Land bringen, nie glücklich. Das hat viele gute Gründe in der Geschichte, die hier aktuell rekapituliert werden, und Sie bei der kommenden Wahl am 21. Mai – eine Woche nach der Türkei – dann vielleicht weniger überraschen.
Wassilis Aswestopoulos/telepolis: “Warum in Griechenland kontrovers über den Ukraine-Krieg debattiert wird – In griechischen Medien werden Vorwürfe auch gegen die Ukraine erhoben. In Politik und Kirche gibt es ebenfalls keine einheitliche Haltung. Warum das so ist und was das mit der Nato zu tun hat.”
Beim ersten Wahlsieg Andreas Papandreous 1981 war ich in Griechenland. Das übertraf an Atmosphäre das deutsche “Sommermärchen” 2006 weit. Aus o.g. guten Gründen.
Bonn als Siegerin
Kein Grund zur Euphorie, aber Lohn harter Arbeit, mit dem Gefühl, dass sie sich lohnt. Bonn hat beim jüngsten ADFC-Klimatest den 1. Platz in der Kategorie “Beste Entwicklung/Aufholer” gemacht, für unsere OB ein Grund für eine Berlinreise, mutmasslich nicht mit dem Fahrrad 😉
Auch das 49€-Ticket ist heute bei mir eingetroffen – mit der Post! Nach den erlebten Hindernissen habe ich es dann doch online bestellt. Hier wurde die Option ab Mai noch angeboten, und siehe: nach nur einer Woche traf es schon ein. “Es ist furchtbar, aber es geht!” (Jürgen Becker). Warum nicht auch beim Bürger*innen*amt?
Tschö Harry
Ein herzliches Tschö an Harry Belafonte. Es war schön, mit Dir zusammen auf der Welt zu sein.
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