Isolde Charim/taz schreibt heute über “das Brüchigwerden des Gesellschaftsvertrags”. Einen medienspektakulären Fall dazu inszenierte gestern das deutsche Fussballkartell “Deutsche Fussball-Liga” (DFL). Was ihre Repräsentanten (Frauen kaum mitgemeint) besonders ärgert, sind wir: Publikum, Konsument*inn*en und – am schlimmsten – die Fans. Schlimm, wie die das Geschäft stören. So wird bei der DFL auch nicht nach Kapitalanteilen abgestimmt – dann hätte es gestern mit der Zweidrittelmehrheit überhaupt kein Problem gegeben. Sondern wie in der UNO (oder der Fifa): jeder Verein nur eine Stimme – selbst Oliver Kahn. Das ist doch unzumutbar.

Das findet auch Kahns Gesinnungsgenosse, Hans-Joachim Watzke, nebenberuflich CDU-Politiker und Boss der börsennotierten Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, der sich gestern vor den Medien westfalentypisch beleidigt gab. Als Teile der blockierenden Minderheit bekannten sich keineswegs nur Zweiligisten (unter der bewährten Führung des FC St. Pauli), sondern auch der FC Köln (beschämend für meine Borussia), der VFB Stuttgart (beschämend für den SC Freiburg) und die Blauen aus Gelsenkirchen (besonders beschämend für den angehenden deutschen Meister). Die betreibenden Manager des fulminant gescheiterten Vorstosses waren Gesandte der vorgeblich “fanorientierten” Eintracht Frankfurt und des SC Freiburg. Sie können es nicht. Endlich hatte das mal eine gute Seite.

Mann kann die Sache fachlich-sachlich kommentieren, wie es Maximilian Rieger/DLF getan hat. Aber damit ist der Sargdeckel nicht zu. Unfassbare Mengen Kapital vagabundieren um die Welt und suchen lukrative Anlagen mit optimierten Renditen – unbewohnte Luxusimmobilien am Central Park in NYC (nicht mehr Kölner Kranhäuser, dort gibt es eher Fluchtsymptome), und auch das globale Fussballbusiness legt sich auf den Rücken, und will gefressen werden. Welcher Emir, Oligarch, Tycoon? Egal. “Werte”? Gibts hier nicht – gehen Sie bitte weiter zu Frau Baerbock.

Meine These: der Fussballkonzern aus dem süddeutschen Raum nimmt die – nur scheinbare Rivalin – Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA als Braut (inkl. Scharia-Regeln) mit in die globale “Super League”. Der Cheflobbyist derselben wurde vom Amtsblatt “Kicker” sogar schon als künftiger DFL-Boss ins Gespräch gebracht. Dort bieten sie sich den insolvenzbedrohten Real Madrid, FC Barcelona und Juventus Turin als gleichberechtige Partner an. Und dann werden “Clasicos” am Fliessband produziert, um die sich die Medienwölfe reissen und wettbieten sollen. Deutschland ist der nachfragestärkste Medienmarkt, und muss dabei sein. Mit England muss gesprochen werden, weil dort das wettsüchtige Publikum am stärksten bereit ist, sein Einkommen für diese Unterhaltungsdroge zu verbrennen. Die Engländer, bei denen längst Emir- und Russenclans regieren, werden Privilegien durchsetzen, weil sie die teuersten Vereine inkl. Derbys (London, Manchester) mitbringen. In diesen Kreisen werden Angebote gemacht, die mann nicht ablehnen kann.

Die EU wird alldem beteiligungsarm zusehen, weil sie Geschäfte nicht stören will und ausreichend mit anderem Unsinn beschäftigt ist. So wird es kommen, liebe BVBler. Echte Liebe müsst ihr dann woanders suchen. Diesen Samstag noch mal schön feiern. Wer weiss schon, wann es wieder was gibt …

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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