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Fundamentalinfantilisierer

Zum Tod von Silvio Berlusconi

1994, als Berlusconi das italienische Parteiensystem aufmischte, war ich im Land zugegen. Es war eine sehr merkwürdige Zeit. Berlusconis alte Schutztruppen, die Craxi-Sozialisten und die Democristiani, waren in ihrem eigenen Korruptionssumpf ertrunken. Derart ohne politischen Schutz und sozusagen zum Selbstschutz musste der Chefverkäufer Berlusconi nun eigenhändig ran. Er gründete die Berlusconi-Interessen-Partei Forza Italia und war binnen vier Monaten Ministerpräsident. Es folgte u.a. eine ziemlich vollständige kulturelle Umkrempelung des Landes – ich würde den harten Ausdruck Fundamentalinfantilisierung benutzen. Traf man zuvor noch im kleinsten italienischen Dorf auf hellwache Menschen, die zum Lauf der Dinge in Italien und der Welt ziemlich durchdachte Dinge zu sagen hatten, so herrschte danach ziemlich viel Leere und eine „che me ne frega“-Haltung griff um sich („was juckt es mich“) – befeuert von Berlusconis Infantil-Television der Mediaset-Gruppe.

Ich sehe in den Entwicklungen in Italien nach 1994 die Geburtsstunde jenes Populismus, der seither in der ganzen westlichen Welt um sich gegriffen hat – von Trump über Johnson bis Orban. In Italien hat das Ganze einen besonderen Neofaschismus auf leisen Sohlen wieder hoffähig gemacht. Der ist die zweite „Ausbaustufe“ des Berlusconismus – und etwas, wovor zu fürchten die liberalen Demokratien allen Grund haben.

Von Berlusconis Partei wird nach dem Tod des Paten nicht viel übrig bleiben. Berlusconis rechte und rechtsextreme Koalitionspartner werden deren Abgeordneten zu sich locken, um so die eigene Macht zu zementieren. Einige Abgeordnete werden auch versuchen, sich mehr mittig zu positionieren. Unterm Strich bedeutet das alles mehr Macht für Meloni.

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Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

2 Kommentare

  1. Roland Appel

    Wirklich? Ich weiss nicht, ob damit das Phänomen eines brutalen Sexisten hinreichend erklärt ist, der das Land jahrzehntelang terrorisieren konnte. Selbst die letzten Fernsehbilder gestern und heute zeigten, dass der alte Lustmolch auf offener Bühne an der Meloni rumfummelte, ihr unter die Achsel und an erogene Stellen griff. Dieses Schwein wurde von verdammt vielen Italienerinnen gewählt – was ist das, was auch Trump so attraktiv für seine potenziellen Opfer macht? Welcher Widerlichkeit ist diese toxische Männlichkeit fähig – und vor allem: Wie kann man den Typen die Eier abschneiden?

    • Martin Böttger

      Da ich Dich schon sehr lange kenne, weiss ich, dass der letzte Satz eine Metapher ist. Für alle Anderen gilt: das Strafgesetzbuch gilt auch zwischen 0 und 6 Uhr.

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