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Keine Beinfreiheit

Das Beispiel Niger zeigt, wie die Bundesregierung sich mit ihrem aussenpolitischen Kompetenzmangel selbst im Weg steht.

Der Spiegel nu wieder. Er lässt – hinter Paywall – einen Korrespondenten aus Nairobi schreiben, wie die Lage in Niamey sei (“sagen, was ist”). Denn Nairobi ist – wie die Zentralredaktion in Hamburg – über 4.000 km entfernt. Aber wahrscheinlich sind dort weniger Funklöcher zum telefonieren. Da diese Bundesregierung fast nur noch mediengetriebene Politik macht, ist dieses Beispiel gleichzeitig eine Auskunft über Fach-, Sach- und Landeskompetenz in Berlin, Hauptstadt der BRD. Dort sind sie vorrangig damit beschäftigt, abzuhauen, rauszukommen (ganz wie Kriegsflüchtlinge) – die Deutsche Bahn lässt sie aber nicht. So lernen die Berliner*innen ein weltweit verbreitetes Gefühl auch mal kennen. Ein bisschen Schadenfreude muss sein …

Der Halbbruder einer guten Freundin, ostafrikanischer Herkunft, war Mitarbeiter einer Botschaft eines anderen EU-Staates in Niamey, und wurde wenige Wochen vor dem Putsch in die USA versetzt. Besonders gut informiert? Oder einfach Glück? Der Bundesregierung könnte es vielleicht helfen, häufiger Bernhard Schmid/Jungle World zu lesen: “Nach dem Putsch nähert sich die Militärjunta Nigers Russland an: Frankreich raus, Russland rein – Der Militärputsch in Niger zielt vor allem auf einen Wechsel des Hauptverbündeten.”

Die aussenpolitischen Beziehungen unserer Regierung gestalten sich so desaströs, dass in Sachen Niger das Prinzip regiert, bloss nicht die Beziehungen zu Frankreich noch mehr zu verschlechtern. Dort wiederum geht die Panik vom Untergang des französischen Kolonialimperiums um (war zunächst paywallfrei, jetzt eingemauert), das zwar auf dem Papier schon lange tot ist, aber ökonomisch fortexistiert, und nicht nur von Russland und China, sondern auch den USA und UK fortgesetzt ökonomisch attackiert wird. In diesem Gemenge passierten bereits Völkermordverbrechen wie 1994 in Ruanda.

Bemerkenswert ist es da schon, wenn Bundesministerin Svenja Schulze – anders als es die Aussenministerin und auch Parteigenossen in Sachen Ukraine tun – verbal für eine nichtmilitärische Konfliktlösung plädiert (Audio 8 min), ein Akzent, der in dieser Bundesregierung nur noch selten hervortritt. Handlungsfähigkeit demonstriert sie nicht – denn ihre Regierung hat keine.

Migration und Fluchtursachen sind mit Ahnungslosigkeit und Desinteresse nicht zu bekämpfen. Noch ein zusätzlicher Krieg würde sie aber sicher ausweiten. Ist das Uran aus Niger das wert?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Helmut Lorscheid

    Ich finde Martins Text gut und möchte ihn mit einem Blog-Beitrag von Hans- Josef Fell auf dessen Blog ergänzen: https://hans-josef-fell.de/2023/08/11/militaerputsch-im-niger-umweltzerstoerenden-uranabbau/

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