Beueler-Extradienst

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Aahl Männer, Aalglatt

Wer wie ich in den 80er Jahren musikalisch sozialisiert wurde, wird sich an den BAP-Songtitel gleichen Namens erinnern, der sich an Diktatoren wie Pinochet (Chile) der argentinischen Militärjunta, Südafrikas Apartheidsregime und viele andere Diktatoren von Spanien über Griechenland bis  zu Idi Amin und Ajatollah Chomeini richtete – ebenso wie Ronald Reagan im Krieg der Sterne.  Das Foto des BRICS Gipfels mit Lula da Silva, Xi Jinping, Cyril Ramaphosa, Narendera Modi, und Sergej Lawrow als Statthalter des mit internationalem Haftbefehl gesuchten Wladimir Putin erinnerte mich spontan an diese Combo des Grauens. Lauter alte Männer mit überwiegender Neigung zu Patriarchat und Despotismus Hand in Hand.

Nun soll die “BRICS” wachsen und fast ausschließlich Länder, die von Autokraten beherrscht werden, sollen ab 2024 beitreten: Ägypten, Äthiopien, Saudi-Arabien, Iran,  Vereinigte Arabische Emirate – also bis auf Argentinien lauter Diktaturen.  Auf den ersten Blick ein wunderschönes Stück langfristiger Bündnispolitik der “lupenreinen Demokratien” Russland und China, die sich für ihre künftige Bündnispolitik auf diesem Planeten die kolonial-kapitalistische Arroganz der G7 zunutze macht. Indem sie Länder integriert, die schon lange einmal den G7 und ihrer ökonomischen Dominanz eine gebührende Antwort erteilen wollten. Das ist bei aller Gelassenheit, zu der aufgrund der Heterogenität und massiver Interessengegensätze der Teilnehmenden Anlass besteht, eine massive Klatsche für die westliche Außen- und Wirtschaftspolitik. Und ein diplomatischer Erfolg Russlands trotz Ukrainekrieg.

Patriarchalisches Tätscheln rächt sich

Ich habe hier vor etwas mehr als einem Jahr kritisiert, wie die G7-Chefs auf dem Gipfel 2022 mit den dort eingeladenen Gästen umgegangen sind und gewarnt. Arroganz und patriarchalisches Gehabe könnten sich rächen. Dass Brasilien, Argentinien, und Südafrika sowie Indien nun einem Wirtschaftsbündnis mehrheitlich autoritärer Regime angehören, ist ein Fakt, den die Arroganz des kapitalistischen “Westens” sich selbst zuzuschreiben hat. Natürlich ist das Konstrukt viel zu fragil, liegen Phantasien oder eher Phantastereien einzelner Mitglieder, wie die Schaffung einer eigenen gemeinsamen Währung (nach dem Vorbild des Erfolgsmodells Euro), in weiter Ferne. Aber die G7 Staaten sollten gewarnt sein: Hier formiert sich etwas neues auf der internationalen Bühne, was den Industrieländern die Stirn bieten könnte und dem zudem Russland angehört.

BRICS+ ist nicht blockfrei

Aufgrund des politischen Handelns von EU ebenso wie den USA stand für eine vorausschauende Aussenpolitik schon lange zu befürchten, dass sich die Länder des Südens, die sich in den letzten 20 Jahren unter dem Eindruck der Politik der G7 und G20 benachteiligt und kolonialisiert gefühlt haben dürften, von diesen Mechanismen emanzipieren.  Das haben sie jetzt konkretisiert. Es ist bemerkenswert, dass eine Organisation, die bisher aus drei zumindest formal demokratischen Ländern und zwei Autokratien bestand, nun mit Ausnahme von Argentinien nur Diktaturen und autoritäre Regime aufgenommen hat, sodass die Mehrheit der Mitglieder in Richtung verbrecherischer Systeme und korrupter Eliten gekippt ist. Was das für die Politik von BRICS plus bedeutet, ist noch gar nicht abzusehen.  Wer mit offenen Augen und Ohren internationale Konferenzen beobachtet, konnte die aktuelle Entwicklung seit mehr als zehn Jahren voraussehen oder zumindest vorausahnen. Wenn jemand diese Entwicklung wahrgenommen und gewarnt hat, waren das die beiden Entwicklungsminister*innen Müller und Svenja Schulze, die in der Regel zuwenig Beachtung fanden.

Das Versagen der Aussenpolitik

Aussenministerin Annalena Baerbock dagegen, auf ihr eurozentristisches Politikmodell “feministische Außenpolitik” fixiert, hat diese Entwicklung anscheinend weder wahrgenommen, noch in irgendeiner Weise darauf reagiert. Wie wir aufgrund von Pressemeldungen wissen. standen die Beziehungen zu Australien und Neuseeland sowie das Endspiel der Frauen-Fußballweltmeisterschaft in ihrem Fokus – bis der Airbus der Flugbereitschaft streikte. Dass sie gestern wie heute zu den BRICS-Entwicklungen schweigt und sich stattdessen an den Spekulationen über den Tod des “Wagner”-Verbrechers Prigoschin beteiligt, zeigt, welches Niveau inzwischen die deutsche Außenpolitik erreicht hat.

Läutet BRICS plus eine neues Zeitalter internationaler Verbindungen ein?

UNO-Generalsekretär Guterres hat in seiner Erklärung, dass sich die Welt wandle und die mit der UNO nach dem 2. Weltkrieg geschaffene internationale Staatengemeinschaft davon nicht unberührt bleibt, eine sensible Einschätzung gegeben. Der alte Fuchs der Außenpolitik scheint zu ahnen, dass mit der Erweiterung der BRICS und der damit zu erwartenden Dominanz von autoritär-nationalistischen und patriarchal-autokratisch regierten Systemen  die Attraktivität der Demokratie als der Herrschaftsform, die allein gleichzeitig politische Rechte, Gleichberechtigung und Wohlstand gewährleisten kann, noch mehr in Zweifel gezogen werden könnte, als sie es schon ist. Die Vorstellung, dass Lula da Silva und Wladimir Putin ökonomisch Arm in Arm auf eine gemeinsame Währung zusteuern, mag zwar derzeit völlig unrealistisch sein, aber sie sollte die G7 zum Nachdenken mahnen, ob Feindbildpflege folgend auf die  Globalisierung die richtige Strategie für Weltfrieden und gegen den drohenden Klimakollaps der Erde sein kann. Mit fairem Handel, Hilfe zur Selbsthilfe statt Abhängigkeiten und Politik auf Augenhöhe könnte es “der Westen” ja mal versuchen.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. w nissing

    ” Mit fairem Handel, Hilfe zur Selbsthilfe statt Abhängigkeiten und Politik auf Augenhöhe könnte es “der Westen” ja mal versuchen. ”
    In welchem paralellouniversum leben sie, das war noch nie ein Baustein unseres Systems ( okay, vll der kleine 1ser Lego, mit dem konnte man schon ganz schöne Fassaden bauen, allerdings sehr baufällig)

    • Roland Appel

      Besserwissie.

    • w.nissing

      Tja, wat willste maache……. aber dieser mittlerweile doch etwas stark irrlichternde Bänkelbarde hat in seinen klareren Zeiten ja auch einen anderen Text geschrieben (so ähnlich) wenn et wüngsche helfe dät… oder war das bedde?
      Die Zeiten und Zustände in denen sie nostalgieren sind (noch so ein Text) vedammt lang her

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