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Mit 18,36 Euro gegen Populismus?

Warum Deutschland den Rundfunkbeitrag braucht – Die Daseinsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird immer öfter infrage gestellt. Unser Autor denkt: Ohne den ÖRR hätte Deutschland ein Problem.

Der Rundfunkbeitrag ist zweifellos eines der beliebtesten Streitthemen der Deutschen. Ein Blick auf aktuelle Umfragen zeigt: Mehr als zwei Drittel finden die Abgabe zu hoch, jeder Dritte würde sie am liebsten gar nicht zahlen. Dabei brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk heute mehr denn je.

18,36 Euro – so viel zahlt in Deutschland grundsätzlich jeder Haushalt monatlich an den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Doch die Stimmen gegen den Rundfunkbeitrag werden lauter. Befeuert wird die Debatte zum einen von der politischen Rechten, genauer gesagt von der AfD, die sich immer wieder lautstark gegen einen „Zwangsrundfunk“ ausspricht.
Andererseits verunsichern Skandale wie die Filz-Affäre um die damalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, die Gebührenzahler. Und auch in anderen Ländern wächst der Unmut über die Pflichtgebühr.

Bereits im August vergangenen Jahres billigte der französische Verfassungsrat die von der Regierung beschlossene Abschaffung des Rundfunkbeitrags mit Verweis auf die Menschen- und Bürgerrechte. Auch Großbritannien, das mit der BBC eigentlich über eine journalistische Vorzeigeinstitution verfügt, plant die Abschaffung der verpflichtenden Abgabe nach Auslaufen des derzeitigen Modells im Jahr 2027. Sie war vielen konservativen Politikern lange ein Dorn im Auge.

Das Beispiel USA

Dass konservative Regierungen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem eher abträglich sind, zeigt auch das Beispiel der USA. Dort finanziert die Corporation for Public Broadcasting (CPB), die 1967 im Rahmen des Public Broadcasting Act gegründet wurde, mit Bundesmitteln das National Public Radio (NPR) und den Public Broadcasting Service (PBS).

Unter Präsident Donald Trump wurde das Budget der CPB jedoch drastisch gekürzt, mittlerweile finanzieren sich die öffentlichen Rundfunkanstalten nur noch zu 10 bis 15 Prozent aus Steuergeldern  – Tendenz sinkend. Der Großteil stammt aus Firmenspenden und direkten Zuschauerbeiträgen. Das Lieblingsargument der Republikaner: Die von der CPB finanzierten Sender seien zu liberal ausgerichtet.

Dominiert wird die amerikanische Rundfunklandschaft von privaten Medienunternehmen, die zumeist Teil großer internationaler Konzerne sind. Zu den reichweitenstärksten Nachrichtensendern gehören der konservative Fox News Channel – Teil des einflussreichen Murdoch-Imperiums – und das den Demokraten nahestehende CNN von Warner Brothers Discovery. Ein neutrales „Lagerfeuer der Nation“ wie die deutsche „Tagesschau“, wo sich ein breites Spektrum der Gesellschaft informiert, fehlt.

Vor allem Fox News steht auch international immer wieder in der Kritik, zuletzt wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien rund um die Wahlniederlage Donald Trumps.

Der Moderator und politische Hardliner Tucker Carlson hat den Sender zwar inzwischen verlassen, ob es unter seinem Nachfolger Jesse Watters zu einem Kurswechsel kommt, ist jedoch fraglich.

Mit dem Rundfunkbeitrag gegen den Populismus

Doch auch in der europäischen Medienlandschaft nimmt der Einfluss internationaler Unternehmen zu. So stockte die MediaForEurope NV des verstorbenen Silvio Berlusconi ihren Anteil an der deutschen ProSiebenSat.1 Media SE kürzlich auf knapp 30 Prozent auf. In Frankreich besitzen einige wenige Superreiche bereits einen Großteil der Zeitungen, Magazine und Radiosender.

Veröffentlicht wird hier, was im Interesse der Eigentümer ist und, natürlich, was möglichst hohe Quoten bringt. Kurzum: Vor Qualitätsjournalismus und anspruchsvoller Unterhaltung stehen oft profitable Formate und reißerische Aufmachung.

Das deutsche Solidarsystem, das von der Gesamtheit der Gesellschaft finanziert wird, stellt sicher, dass sich Sender wie ARD oder ZDF nicht den Regeln des Marktes unterwerfen müssen. So werden zum Beispiel auch weniger quotenstarke, dafür aber kulturell wertvolle Inhalte angeboten. Der Nischendokumentarfilm hat genauso ein Senderecht wie das Sensationsfußballspiel, die kritische Talkrunde muss sich in puncto Einschaltquote nicht mit der großen Promi-Show messen.

Da keine interessen- und gewinngeleiteten Akteure hinter der Berichterstattung stehen, kann neutral und ausgewogen informiert und diskutiert werden. So wird die Gesellschaft – im Idealfall – zusammengeführt und nicht weiter gespalten.

In Zeiten zunehmender politischer Spannungen sollten wir uns bewusst sein: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist die Waffe der Demokratie gegen den Populismus.

Inklusiv und vielfältig

Da (fast) jeder Haushalt für die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezahlen muss, stellt dieser auch sicher, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Angebote konsumieren können. So ist ein Großteil der Sendungen von ARD und ZDF untertitelt oder in Gebärdensprache verfügbar – ein Angebot, auf das private Medienhäuser angesichts der hohen Kosten gerne verzichten.

Personen, die aufgrund von Taubblindheit nicht in der Lage sind, die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu konsumieren, sind von der Zahlung der Gebühren befreit. Gleiches gilt für Menschen, die staatliche Sozialleistungen beziehen.

Während einige US-Sender darüber klagen, dass es sich für sie ohne staatliche Unterstützung nicht lohne, auch in ländlichen Regionen zu senden, sind die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland überall und über jedes Medium empfangbar.

Das breite Spektrum des Programms bietet etwas für alle Alters- und Interessengruppen, unabhängig von ihrer Kaufkraft oder ihrem Anteil an der Bevölkerung.

Neutralität hat ihren Preis

Dass die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro pro Monat im Juli 2021 auf so viel Widerstand stieß, ist angesichts der Tatsache, dass die Gebühr in den acht Jahren zuvor nicht erhöht worden war, schwer nachvollziehbar. Spätestens ein Blick auf die Preisentwicklung bei Streamingdiensten wie Netflix oder Dazn zeigt, dass eine Preissteigerung um 86 Cent eher unter dem gängigen Niveau liegt.

Klar ist: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist nicht perfekt und an einigen Stellen durchaus reformbedürftig. Verständlich ist auch das Gefühl vieler Menschen, dass ihr Konsum öffentlich-rechtlicher Angebote nicht dem Preis von 220 Euro im Jahr entspricht.

Es ist es aber gerade das verpflichtende Solidarsystem, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für das demokratische Deutschland so wichtig macht. So ist es sehr erfreulich, dass die „Tagesschau“ – nach wie vor die meistgesehene Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen – im Jahr 2021 ihren Marktanteil bei den 14- bis 29-Jährigen von 22,7 Prozent auf 26,2 Prozent deutlich steigern konnte. Diese Entwicklung zeigt, dass neutrale Berichterstattung und seröse Aufklärung auch bei der jungen Generation gefragt sind. Auf dass es so bleibt!

Sebastian Just studiert Medienwissenschaft im Master an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nebenbei schreibt er Artikel zu den Schnittstellen von Medien und Gesellschaft. Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nichtkommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.

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2 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Schaue ich mir die Selbstbedienung bei den Intendanten Gehältern an, frage ich mich schon, warum ich mehr Gebühren bezahlen soll. Zumal die Berichterstattung zu wichtigen Themen wie Ukraine und Nahost gleich geschaltet ist. Informationen über die Hintergründe- etwa die Anschub- Finanzierung der HAMAS durch Israel fehlen. Über die Sprengung der Gasleistungen von Russland nach Deutschland – weiterhin kein Wort. Hintergrund gibt es nicht. Auslandsberichterstattung findet oft von Korrespondentenbüros weit ab vom Schuß statt. Ich schaue nur noch Krimis aus der Konserve, Tagesschau, Heute spart ich mir – würde mich nur aufregen. Die Quasselsendungen habe ich mir noch nie angeschaut. Meinen letzten Fernseher habe ich vor 10 Jahren dem Sperrmüll übergeben. Dennoch muß ich monatlich zahlen… finde ich nicht gut und angesichts von Null-Hintergrund und staatlich gelenkter Fehlinformation in den Nachrichten auch nicht mehr nötig. Denn das, was sie sollen, machen die Anstalten ja nicht: Wahrheitsgemäß informieren.

    • Martin Böttger

      TV-Geräte gehören nicht auf den Sperrmüll!

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