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Gedankenwende zur Kriegstüchtigkeit

Verteidigungspolitische Richtlinien 2023

Nach der Nationalen Sicherheitsstrategie kamen nun auch noch Ende 2023 – und ausgerechnet am 9 November – neue Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR) heraus. Kernforderung ist eine Rückbesinnung auf den Zentralauftrag der Bundeswehr zur Landes- und Bündnisverteidigung. Der Zeitenwende (Krieg ist zurück in Europa) habe nun eine Gedankenwende zu folgen, die auf Kriegstüchtigkeit auszurichten ist. „Die Bundeswehr ist ein Kerninstrument unserer Wehrhaftigkeit gegen militärische Bedrohungen. Hierzu muss sie in allen Bereichen kriegstüchtig sein. (…) Maßstab hierfür ist jederzeit die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht.“

Die „Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Zeitenwende“ umfassen 34 Seiten (inklusive bunter Bebilderung) und gliedern sich in fünf Kapitel. Nach einer Standortbestimmung folgen „Strategische Prioritäten“, „Kernauftrag der Bundeswehr“, „Vorgaben für die militärische und strategisch-konzeptionelle Umsetzung“ und schließlich „V. Grundlagen für eine leistungsfähige Bundeswehr der Zukunft“.

Von Vornepräsenz bis zu internationalen Einsätzen bzw. Ertüchtigung von Partnern

„Vornepräsenz“ an den NATO-Außengrenzen werde zu einer zentralen Aufgabe des Bündnisses, der die Bundeswehr mit der neuen Litauen-Brigade (lt. VPR das „Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“) gerecht werde. Parallel zur Landesverteidigung müsse man aber auch weiterhin zu internationalen Einsätzen bereitstehen: „Auch wenn sich unser Fokus auf die Sicherheit vor der Russischen Föderation richtet, steht Deutschland vor einer Vielzahl gleichzeitig wirkender, sich gegenseitig verstärkender sicherheitspolitischer Herausforderungen. So beeinflussen Krisen, Konflikte und regionale Spannungen unser unmittelbares Sicherheitsumfeld in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, in der Arktis sowie im Indopazifik. China ist gleichzeitig Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Es versucht, die regelbasierte internationale Ordnung nach seinen Vorstellungen umzugestalten.“ Damit sind Russland und China als „unsere“ Hauptgegner festgemacht.

Nachdem das (mindestens) 2%-Ziel erneut betont wird, werden die üblichen weiteren Gefahren für Sicherheit und Wohlstand betont: Bedrohung der Seewege, Proliferation, Waffenhandel, Klimawandel, Bedrohungen im Cyberraum, im Weltraum, KI-Herausforderungen usw.
Die VPR-Vorgaben werden dann in ein neues Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und in eine Militärstrategie überführt. „Die Verteidigungspolitischen Richtlinien bilden das Fundament für unsere künftigen militärischen Fähigkeiten. Sie sind die Leitplanken für unsere Strukturen, Führungskultur, Personalgewinnung, Ausrüstung und Ausbildung. Auf ihrer Grundlage formen wir ein neues gemeinsames Selbstverständnis von Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit“, so BW-Generalinspekteur Breuer bei der Vorstellung der VPR. Grundlegend für die Gesamtverteidigung sei lt. VPR „die Verzahnung aller relevanten Akteure bereits im Frieden: Staat, Gesellschaft und Wirtschaft.“

Gefordert wird auch eine Stärkung des EU-Pfeilers in der NATO, also eine Fortsetzung der Militarisierung der EU. Die nukleare Teilhabe wird betont, um zur Abschreckung im Bündnis beizutragen. Die zivil-militärische Verteidigung müsse intensiviert werden, also auch der sog. Heimatschutz.

Neben fortzuführenden Auslandseinsätzen will man weiterhin verstärkt auf die „Ertüchtigung“ (also Bewaffnung/Rüstungsexporte) von „strategischen Partnern“ im internationalen Bereich setzen. Es gelte, „mit militärischer Ausbildungshilfe, Ausstattungshilfe sowie dem militärischen Anteil der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung und mit Rüstungskooperationen zum Fähigkeitsaufbau und -ausbau beizutragen“.

Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime

In den weiteren Ausführungen der VPR werden Umsetzungsschritte der Grundlagenorientierung beschrieben, vor allem in Richtung Beschaffungswesen, Personalgewinnung und Durchhaltefähigkeit. Das nationale Beschaffungswesen müsse ausgebaut und effizienter werden, durch „multinationale Beschaffungskooperationen und Exporte“ werden höhere Produktionskapazitäten erwartet. Martialisch heißt es: „Die Bundeswehr muss personell und materiell jederzeit durchhaltefähig einsatzbereit sein. Die neue Qualität der Bedrohung unserer Sicherheit und die brutale Realität des Krieges in der Ukraine verdeutlichen, dass wir unsere Strukturen und Prozesse am Szenario des Kampfes gegen einen mindestens ebenbürtigen Gegner ausrichten müssen: Wir wollen diese Auseinandersetzung nicht nur gewinnen, sondern wir müssen.“

Die deutsche Gesellschaft insgesamt solle sich – siehe Gedankenwende – an Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit gewöhnen und sich aktiv hinter die kriegsbereite Bundeswehr stellen. „Wehrhaftigkeit beschreibt die innere Haltung zur Verteidigungsbereitschaft der gesamten Bundeswehr mit langfristiger Strahlkraft in alle verteidigungsrelevanten Bereiche und in die deutsche Gesellschaft. Die Bundeswehr einschließlich der Reserve gehört in die Mitte der Gesellschaft. (,,,) Die Bundeswehr wird daher den wechselseitigen und kontinuierlichen Austausch mit der Gesellschaft weiter pflegen und das Verständnis dafür fördern, dass Wehrhaftigkeit zum Schutz Deutschlands eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.“ Dem soll auch eine neue „von der Gesellschaft getragene Veteranen- und Gefallenenkultur“ dienen. Zum Selbstverständnis von Wehrhaftigkeit gehörten „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime“ und „Soldatinnen und Soldaten, die den Willen haben, unter bewusster Inkaufnahme der Gefahr für Leib und Leben das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.

Die neuen VPR sind ein sicherheitspolitisches Armutszeugnis. Von „Gemeinsamer Sicherheit“ „Sicherheit neu denken“ oder Friedenslogik finden sich hier nicht einmal Spurenelemente. Die UN, die OSZE, das Grundgesetz, Rüstungskontrolle usw. fristen in diesen VPR ein kaum wahrnehmbares Schattendasein. Der Text der VPR kann auf der Seite des BMVg (bmvg.de, s. Link oben) nachgelesen werden.

Vorstehender Artikel erscheint im FriedensForum 1/2024 und kann vorab genutzt und verbreitet werden. Martin Singe arbeitet im Redaktionsteam des FriedensForums.

Über Martin Singe / FriedensForum:

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3 Kommentare

  1. Detlev Knocke

    Guter Beitrag. Zusätzlich kann ich noch empfehlen: Martin Kirsch/Jürgen Wagner: Das Sondervermögen der Bundeswehr (veröffentlicht 15.11.23) s. Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V und wer dann noch glaubt , dass diese Bundesregierung und die Opposition “Friedenspolitik” betreibt, hat nichts verstanden.
    Ich empfehle immer noch Jean Jaures (1859-1914): “Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen!.
    Mit besten Grüßen aus Dottendorf

    Detlev

  2. Nein

    Danke! ich kann gar nicht soviel fressen und trinken wie ich kotzen will wenn ich den Inhalt dieser Zusammenfassung lese -.-

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