Zur Rede von US-Aussenminister John Kerry a, 28. Dezember 2016
I.

Am 23. Dezember 2016 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 2334 zur Situation im Nahen Osten beschlossen. Der Text wurde mit 14 Stimmen beschlossen bei Enthaltung der USA und ohne Gegenstimme, ist also völkerrechtlich verbindlich. Unterstützt wurde die Resolution u.a. von Frankreich und China, von Grossbritannien und Russland, von Spanien, Neuseeland und dem Senegal.

In dieser Resolution heisst es u.a.:

Der Sicherheitsrat verurteilt „alle Gewalthandlungen, einschliesslich Terrorakten, gegen Zivilpersonen sowie alle Akte der Provokation, der Aufwiegelung und der Zerstörung…“

Er stellt fest, dass „die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Behörde …verpflichtet sind, auch weiterhin wirksame Einsätze zu führen, um gegen alle diejenigen vorzugehen, die Terror ausüben, und Terroristen handlungsunfähig zu machen, unter anderem durch die Einziehung illegaler Waffen.“

Der Sicherheitsrat bekräftigt, dass die „Errichtung von Siedlungen in dem seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiet, einschliesslich Ost-Jerusalems, durch Israel keine rechtliche Gültigkeit hat und einen flagranten Verstoss gegen das Völkerrecht darstellt und ein ernstes Hindernis für die Herbeiführung der Zwei-Staaten-Lösung und eines gerechten, dauerhaften und umfassenden Friedens darstellt.“

Der Sicherheitsrat fordert alle Staaten auf, „in ihren relevanten Beziehungen zwischen dem Hoheitsgebiet des Staates Israel und den seit 1967 besetzten Gebieten zu unterscheiden.“

Der Sicherheitsrat bekräftigt seine „Vision einer Region, in der zwei demokratische Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite in Frieden innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen leben.“

II.

UNO-Generalsekretär Antonio Gutteres hat am 24. Oktober 2023 den massenmörderischen Überfall der Hamas vom 7. Oktober als „entsetzliche und beispiellose Terror-Akte durch die Hamas in Israel“ verurteilt. „Nichts kann das vorsätzliche Morden, Verletzen und die Entführung von Zivilisten rechtfertigen – oder den Raketenbeschuss ziviler Ziele.“

Gutteres fügte hinzu: „Es ist auch wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden.“

Dieser Satz hat bei der israelischen Regierung empörte Reaktionen hervorgerufen.

In ähnlicher Weise wie heute der UNO-Generalsekretär wurden im Dezember 2016 die USA und Präsident Obama nach der Resolution des UNO-Sicherheitsrats angegriffen.

Der Vertreter Israels im Sicherheitsrat sprach von einem „schlechten Tag für sein Land und dem Gipfel der Heuchelei.“ Er wandte sich besonders gegen die Verurteilung der Siedlungspolitik mit der Begründung, Israel fordere nur „das Land seiner Vorväter zurück“.

Diese Kritik richtete sich besonders an die Vereinigten Staaten, weil sie kein Veto gegen die Resolution eingelegt und sie so völkerrechtlich verbindlich gemacht hatten.

III.

John Kerry, damals in den letzten Tagen seiner Amtszeit als Aussenminister der USA, wollte diese Kritik nicht unwidersprochen lassen. Fünf Tage nach der Resolution des Sicherheitsrats, am 28. Dezember, hat er in Washington eine Grundsatzrede gehalten, die das State Department unter dem Titel „Remarks on Middle East Peace“ veröffentlicht hat.

John Kerry hat die Lage im Nahen Osten, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, so umfassend und so differenziert dargestellt, wie man sich das auch heute wünschte. Terror und Gewalt der Hamas verurteilt er ebenso scharf wie die völkerrechtswidrige Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel.

Seine Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung begründet er mit Argumenten, die heute nicht weniger gelten als vor sieben Jahren:

„Heute leben ungefähr gleich viele Juden und Palästinenser zwischen Jordan und Mittelmeer. Sie haben die Wahl. Sie können sich dafür entscheiden in einem Staat zusammenzuleben oder sie können in zwei getrennten Staaten leben. Aber es gibt eine fundamentale Wirklichkeit: Wenn die Entscheidung für einen Staat fällt, kann Israel entweder jüdisch oder demokratisch sein – nicht beides zugleich – und es wird nie wirklich Frieden finden. Ausserdem werden die Palästinenser mit einer Ein-Staaten-Lösung nie ihr grosses Potential in einem eigenen Heimatland verwirklichen können.“

Nicht weniger gültig bleibt, was Kerry über die öffentliche Debatte zum Konflikt im Nahen Osten gesagt hat:

„Die Wahrheit ist, dass die ausserordentliche Polarisierung dieses Konflikts weit über Israelis und Palästinenser hinaus geht. Die Verbündeten beider Seiten geben sich damit zufrieden das durch eine wir oder – Haltung zu verstärken – ‘Ihr seid mit uns oder gegen uns’. Zu oft ist jeder, der palästinensische Aktionen hinterfragt, ein Apologet der Besatzung und jeder, der mit der israelischen Politik nicht einverstanden ist, gilt als anti-israelisch oder gar antisemitisch.“

IV.

Wenn man die ganze Rede heute, knapp sieben Jahre später, liest, ist man erschüttert. Man muss feststellen, dass offenbar niemand von den politisch Verantwortlichen in der Region und weltweit Ernst genommen hat, was der scheidende Aussenminister der USA überzeugend dargelegt hat. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die USA, auch die Regierung, deren Aussenminister John Kerry war, sich in ihrer praktischen Politik gegenüber Israel und den Palästinensern nicht strikt an den Einsichten, Vorschlägen und Forderungen orientiert haben, die er in seiner Rede vom 28. Dezember 2016 formuliert hat.

Dieser Beitrag erschien zuerst im “Blog der Republik”, hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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