Seniles Gejammere über “die Jugend” war schon immer schwachsinnig – U17-WM

Von Sokrates ist es überliefert, und war gewiss in Stein- und anderen -zeiten zuvor üblich und ist es bis heute geblieben. Wenn Sie jemanden von “deutschen Tugenden” delirieren hören – treten Sie die Flucht an, schalten Sie um oder aus. Es ist immer ein Signal für verendende Sachkenntnis. Der Versuch, ein Gesellschaftsbild mittels des “Generationen”-Begriffs zu ordnen, ist schon grundsätzlich ein schwerer sozialwissenschaftlicher Verkehrsunfall.

Wie kommichdrauf? Seit Wochen habe ich mich gefragt, wo eigentlich Jan Christian Müller ist, im Hauptberuf Sportressortchef der Frankfurter Rundschau. Seit die der berüchtigten Ippen-Gruooe gehört, ist ihre Onlineausgabe zu einer billigen Resterampe des Boulevards verkommen. Auch der Sportteil, jedenfalls wenn Müller und sein freier Mitarbeiter Frank Hellmann mal in Urlaub sind. Oder in Indonesien?

Heute jedenfalls ist Müller wieder online aufgetaucht. Mit einem Bericht und einem Kommentar von der U17-WM im Fussball der Jungs in Indonesien, bei der die DFB-Auswahl trotz aller Widrigkeiten ihres Verbandes das Finale erreicht hat.

Diese WM ist vom Pay-TV-Sender Sky vor der Öffentlichkeit mit Brettern zugenagelt. Eine Indonesienreise ist so weit und teuer, dass die deutschen Redaktionen fast vollständig davon abgesehen haben, Personal zu entsenden. Das ist in Deutschland wie nicht-stattfinden.

Das war 2011 noch anders. Seinerzeit wurde die deutsche U17 Vize-Europameister. Der DFB würde sich unablässig bekreuzigen, wenn das jemals – z.B. nächstes Jahr – seinen erwachsenen Profis gelänge. 2011 wurden sie anschliessend bei der WM in Mexiko Dritte (wie die Profis beim WM-Sommermärchen 2006). Diese Turniere waren nicht mit Medienbrettern zugenagelt, sondern wurden von Eurosport im Free-TV gesendet. Ich habe vieles davon auf Video aufgezeichnet.

Die vielsagende Karriere von Samed Yesil

Müller erwähnt in seinem Bericht Emre Can als Referenzperson jener Turniere von 2011. Der hat “es” geschafft, als Profi ganz oben auf der Bühne zu reüssieren. Der eigentliche Star von 2011 war aber Samed Yesil. Der spielt jetzt in der Kreisliga Krefeld. Verletzung-“Pech”? Sicher auch, aber keine hinreichende Erklärung. Eine solche Karriere muss sich auch seine “Beratungs”-Firma ISM (Reza Fazeli), die gleiche, die auch Can managt, anrechnen lassen.

Yesil ist weit repräsentativer für das Business als die wenigen Stars, die den sportlichen und medialen Durchbruch schaffen. Noch schlimmer als ihm ergeht es afrikanischen Talenten, die massenweise – meistens über Brüssel – billig und mit billigsten Versprechungen gegenüber ihren Eltern nach Europa gelockt werden, um eines Tages als illegal beschäftigte Küchenhilfen oder LKW-Fahrer zu verenden. Sie spielen sicher auch hier – gehen Sie mal zu einem Kreisligaspiel und sprechen mit ihnen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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