Während die Flak zu den Waffen ruft

Im Schlagabtausch der diversen Positionen fällt mir Peter Nowak/telepolis heute positiv auf. Er berichtet über eine Tagung des PEN Berlin. Viele haben das getan, nur wenige so differenziert wie er. Ich weiss nicht, ob sein Urteil zutrifft – ich war ja nicht dabei. Aber was er beschreibt, wäre eine akzeptable Grundlage für einen demokratischen Streit auf humanistischer Basis: Cancel Culture, der Israel-Gaza-Krieg und der Kampf um Begriffe – Freies Wort und Kampf gegen Antisemitismus: Der PEN Berlin hat Maßstäbe gesetzt. Auch unter Linken wächst die Bereitschaft zur Analyse.”

Der von mir immer geschätzte René Martens/MDR-Altpapier ergänzt dazu Reflexionen, mann glaubt es kaum, arrivierter Journalismus-Kollegen: Die Affinität der Medien für Irrationales und Gefühlsfragen – Ein dpa-Journalist liefert wichtige Impulse für die Debatte zur Arbeit von Nachrichtenagenturen. Ein Politikwissenschaftler der Uni Princeton konstatiert, dass zu viele Journalisten die Gefahr durch ‘Rechtspopulisten’ weiterhin ‘unterschätzen'”.

Bemerkenswert auch diese genaue China-Beobachtung von Anna Lisa Ahlers im Interview von Andrea Hoferichter/Technology Review/heise: ‘Forschende aus China, vom Postdoc bis zum Professor, sind in der Regel top’ – Den Erfolg der chinesischen Forschung fand Anna Lisa Ahlers so faszinierend, dass sie dazu genauer am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte forscht.”

Vergleichen wir dazu das real existierende Europa

Ingo Dachwitz/netzpolitik: Datengesetz der EU: Das falsche Versprechen vom fairen Datenreichtum – Der Data Act soll eine faire Datenökonomie schaffen. Das Ziel der EU: Unternehmen sollen mehr Daten für Innovationen und Wertschöpfung erhalten, Verbraucher:innen mehr Kontrolle haben und auch das Gemeinwohl soll profitieren. Fachleute sagen: Das Gesetz wird keines dieser Ziele erreichen.”

Ein paar Meter weiter geht es da bei Evgeny Morozov im Interview mit Simón Vázquez/Jacobin: Wir brauchen einen Nicht-Markt-Modernismus – Digitale Technologien haben dem Kapital ermöglicht, immer tiefer in unser Alltagsleben einzudringen. Doch sie ließen sich auch einsetzen, um Alternativen zum Neoliberalismus aufzubauen”.

Und was machen wir nun mit Flak-Zimmermann?

Kein Opfer ist der emsigen Lobbyistin zu gross, um nicht wenigstens in einer Disziplin für Deutschlands Technologien die Weltspitze zu verteidigen: im Totmachen. Differenzierendes ist in der Debatte nicht gefragt, wie immer, wenn es ums Kriegstreiben geht.

Die Ausweitungsgefahren sind politisch auf dem Tisch. Israels rechtsradikale Regierung hat mglw. ein solches Interesse, um ihre politische Position zu retten, die ohne Krieg innenpolitisch massiv gefährdet ist (mit allerdings längst auch). Die gilt fast spiegelbildlich für die Hisbollah im Libanon, der faktisch längst ein “failed State” ist. Und was könnte dem iranischen Mullahregime gegen die Frauen seines Landes gelegener kommen, als ein “Angriff von aussen”? Ob die Ansarollah/Huthi im Jemen nun im Auftrag oder auf eigene Rechnung Raketen abschiessen – sie bringen sich so als beachteten Faktor ins Bild herrschender Öffentlichkeit ein. Das Land ist ja sowieso schon zerstört. Und ihnen allen sind die leidenden Zivilist*inn*en schon immer egal gewesen.

Dem US-Präsidenten kann es im Wahljahr 24 nicht so egal sein. Ein Krieg, der “kurz und schmerzlos” für US-Amerikaner*innen zu gewinnen ist, der würde passen. Der ist im Nahen Osten aber nicht im Angebot, das lehren der Irak und Syrien, ebenfalls failed States. Und nicht nur die USA haben in der Region vitale Interessen. China hat sie, das eben erst eine Entspannung zwischen Iran/Qatar und den Saudis vermittelt hat. Erdogan hat sie, als Gottvater der Muslimbruderschaften. Als Freund des “regelbasierten” und “wertegeleiteten” Westens bleibt noch Ägyptens Militärdiktator und Grossempfänger deutscher Rüstungsexporte al Sisi, ein lupenreiner Demokrat, der schon Sigmar Gabriel sehr beeindruckt hatte und sich gerade “wiederwählen” lässt. Na fein, da kann die Bundesregierung ja gleich mal mit dem vom SPD-Parteitag beschlossenen “Führungsanspruch” loslegen, zusammen mit Flak-Zimmermann.

Was die Wähler*innen dazu denken, ist sowieso egal. Die sind ja schon verloren.

Wichtiger ist das

Christian Jakob/taz: Nach der Klimakonferenz in Dubai: Angst ist keine Lösung – Die Klimakonferenz COP28 brachte keinen Durchbruch. In Weltuntergangsrhetorik sollte man trotzdem nicht verfallen – die hilft im Kampf nicht weiter.”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net