Wie die “Sportschau”-Killer das AfD-Geschäft besorgen – die angebliche “Brandmauer” ist nur eine Halluzination

Die SZ hatte vor Jahrzehnten mal die höchstangesehene kritische Medienredaktion. Heute dagegen. Ich lese sie nicht mehr, weil fast nichts ihrer Inhalte noch digital frei zugänglich ist. Aber Andere lesen sie, z.B. solche, die das Abo als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen können. Dieser Weg ist mir als Rentner verschlossen. So lese ich in einer Email eines zitierenden Kollegen aus der SZ folgenden Unsinn:

“Demnächst möchte die Deutsche Fußball Liga (DFL) ihre TV-Rechte von Mitte 2025 an verkaufen – die ARD sollte nicht mehr mitbieten. […] Auch wenn viele Fußballfans die Berichte über diesen Sport immer noch zum Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zählen: Die ARD sollte die Zusammenfassungen der Spiele aus der ersten und der zweiten Liga ihren privaten Konkurrenten überlassen – und sich mit dem eingesparten dreistelligen Millionenbetrag um Wichtigeres kümmern. ARD und ZDF stehen gerade unter einem enormen Spar- und Rechtfertigungsdruck. Ein Zukunftsrat der Bundesländer hat gerade weitreichende Vorschläge für einen Umbau von ARD und ZDF vorgelegt – die Diskussion geht gerade los. Da wäre ein Zeichen nicht schlecht, dass man künftig etwas anders machen wird als bisher. […] ARD und ZDF müssen sich auf das konzentrieren, was wirklich ihre Stärke ist: Information, Dokumentationen, kritische Berichterstattung über die Dinge, die das Land aufwühlen oder prägen. Eine solide oder gar unterhaltende Berichterstattung über die Bundesliga hingegen können auch Sat 1 oder RTL leisten, und zwar nicht beitrags-, sondern werbefinanziert.”

Das könnte den Deppen in den Medienkonzernen – die SZ gehört zur SWMH – so passen. Tatsache ist, dass Fussballereignisse an gesellschaftlicher und politischer Relevanz zulegen. Warum wohl schleimen sich Politiker*innen auf Ehrentribünen bis hin in Umkleidekabinen in das Business rein? Weil es für ihre Medieneperformance relevant ist. Wenn die Qatar-WM für irgendwas ein – sehr ambivalentes – Fanal war, dann dafür. Und davon sollen öffentliche – potenziell kritische – Medien ausgesperrt werden? Das ist der Traum u.a. solcher krimineller Gestalten. Das Problem ist nicht, dass ARD und ZDF darüber berichten – sondern wie. Was sie beenden müssen, ist, es sich mit diesen zweifelhaften Kräften gemein zu machen, mit ihnen über hundert Seiten dicke nichtöffentliche Deals abzuschliessen, und sie mitzufinanzieren. Denn am Laufen gehalten wird dieser korrupte und überfinanzierte Betrieb durch Mediengeld.

Der Löwenanteil dieses Geldes kommt nicht von ARD und ZDF, sondern kam über Jahrzehnte in vielfacher Milliardenhöhe aus dem Konzernetat des Wirtschafts- und Politkriminellen Rupert Murdoch. Niemandem im ganzen Business stank das. Warum investierte Murdoch so – unrentabel! – viel? Weil es ihm um politische Macht ging. Das geht nicht nur Fussballfans an, sondern alle. Der Kerl wählte Regierungschefs in den USA, UK, Australien und Italien aus, die alle bei ihm vortanzten. In unserer Republik kam er nicht so weit – weil die uns von der britischen Besatzungsmacht geschenkten öffentlichen Medien hier (noch) so stark und angesehen sind, dass sie sich – mit dem starken Schutz des Bundesverfassungsgerichts – nicht so einfach wegpusten liessen, und wir politisch Typen wie Trump oder Berlusconi vermeiden konnten. Wir hatten nur den Blair-Freund Schröder (“Bild, BamS und Glotze”), aber der hielt sich nicht lange.

Bekanntlich wird es nun wieder brenzlig. Wenn die AfD in Bundesländern in Regierungsmacht gelangt, wird der jeweilige ARD-Sender ihr erstes Eroberungs- bzw. Vernichtungsziel. Davor schützen die Sender noch nicht einmal die AfD-unkritischen Mitarbeiter*innen (von wegen “Brandmauer”!), die dort schon in grosser Zahl ihre schlechte Arbeit verrichten.

Was sollten ARD und ZDF nun tun?

Aus dem Wettbieten aussteigen – das Ja. Aus den – aktuellen! – Berichten aussteigen? Auf keinen Fall. Es gibt das europagesetzlich fixierte Recht auf Kurzberichterstattung. Es ist weitgehend unbekannt, weil es in der BRD noch nie genutzt wurde. Die Sender wollten es sich mit DFL und DFB nicht verderben. Sie wollten zahlen – mit unserem Geld natürlich. Das ist der Fehler. Theoretisch könnte die ARD statt um 18.30 h oder 19.15 h schon um 17.30 h alle Tore eines Bundesligasamstags in kostenlosen Kurzberichten präsentieren. Dann erreicht es freilich nicht die Stadionzuschauer, die noch auf der Heimreise sind. Obwohl: die haben mittlerweile alle Handys. Mehr Zuschauer*innen würden mit 15-30 Minuten Sportschau vor oder nach der Tagesschau erreicht. Jedenfalls mehr, als von Helene Fischer oder Florian Silbereisen. Das kann gerne mit qualifizierten – und kritischen! – Expert*inn*en-Gesprächen ausgedehnt werden. Jürgen Klopp hat bald wieder Zeit … Aber Dietrich Schulze-Marmeling könnte es auch.

Die italienische RAI hatte einst Kommentator*inn*en ins TV-Studio gesetzt, die dort die nicht sendbaren TV-Bilder wie Radio-Kommentator*inn*en vor der Kamera kommentierten – die Bilder aus dem Stadion waren an Berlusconi verkauft. Der war nicht amüsiert und kämpfte zeitlebens darum, die öffentliche RAI zu erobern. Nun gehört die Macht dort der Faschistin Meloni.

Gefragt ist also kein Ausstieg von ARD und ZDF aus dem Fussball. Sondern ein Einstieg. Beendigung der Produktpräsentation – und Start eines unabhängigen kritischen Fussballjournalismus. Das täte den Richtigen gut. Und den Richtigen weh.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net