Die Bundesregierung plant, Fahrtrichtungsanzeiger (Blinker) an allen Fahrrädern zu erlauben. Bisher sind diese nur bei mehrspurigen Fahrrädern und bei solchen mit einem Aufbau erlaubt. Eine Pflicht, die Räder künftig damit auszustatten, ist nicht vorgesehen. Die Regierung erhofft sich von dieser Maßnahme eine Minderung des Unfallrisikos. Angesichts des immer noch wachsenden Straßenverkehrs und der zunehmenden Zahl an Radfahrenden ist das gewiss eine sinnvolle Planung. Daher ist nicht nachvollziehbar, dass die Regelung nur optional und nicht bindend sein soll. 

Laut TÜV sind im Jahre 2022 fast 100.000 Radfahrer/innen bei Verkehrsunfällen verunglückt, 474 kamen dabei ums Leben. Das sind 16 Prozent mehr Tote im Radverkehr als im Vorjahr und der höchste Wert seit 2006. Besorgniserregend ist die Entwicklung bei Pedelecs, also elektrisches Fahrrädern mit einer Motorunterstützung und einer Höchstgeschwindigkeit von bis 25 km/h (zumeist als E-Bike bezeichnet). Von 2014 auf 2021 stieg deren Verbreitung und die Zahl der Verunglückten auf fast das Achtfache, die der Getöteten auf mehr als das Dreifache. Im Folgejahr nahm die Zahl der Unfalltoten hier noch einmal um fast 59 Prozent zu.

Unfälle mit Pedelecs gehen häufiger tödlich aus als solche mit Fahrrädern ohne Motor, Grund sind die höheren Geschwindigkeiten und das Alter der Verunglückten. Bei älteren Menschen ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich bei einem Sturz schwer oder tödlich zu verletzen. Verletzte oder getötete Pedelec-Fahrende waren im Durchschnitt 55 Jahre alt, die auf einem nicht motorisierten Fahrrad 41. 

Immerhin stieg die Helmquote unter Radfahrer/innen innerorts laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen 2021 im Vergleich zum Vorjahr von 26,2 auf 31,7 Prozent. Am höchsten – 76,6 Prozent – war sie 2021 bei den Jüngsten, nämlich bei Kindern von sechs bis zehn Jahren. Mit 20,8 Prozent deutlich niedriger lag sie in der Gruppe der 17- bis 21-Jährigen. Diese geringe Quote zeigt, dass es noch einen großen Bedarf an Informationen über die schützende Wirkung eines Fahrradhelms gibt und dass ernsthaft das Thema einer gesetzlichen Helmpflicht aufgegriffen werden muss. Derzeit besteht diese nämlich in Deutschland nicht, auch nicht für E-Bike-Nutzer/innen. 

Die Gegner der Helmpflicht argumentieren, dass diese das Radfahren unattraktiv mache, sodass weniger Menschen mit dem Fahrrad führen. Ein anderes Gegenargument ist, dass der Helm ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugt und damit die Risikobereitschaft erhöht würde. Für diese These gibt es indes keine Belege. Wahrscheinlicher ist, dass das Tragen eines Helms wegen ästhetischer Gründe abgelehnt wird. 

Nur in wenigen Staaten gibt es eine Helmpflicht, die auch kontrolliert wird. In Spanien gilt sie außerhalb geschlossener Ortschaften; in Österreich, Tschechien, Kroatien und Schweden müssen Kinder und Jugendliche grundsätzlich einen Fahrradhelm tragen. Dabei variiert die Altersgrenze von Land zu Land. Australien führte bereits zwischen 1990 und 1992 eine Verpflichtung zum Tragen eines Helms ein. Danach ging die Zahl tödlicher Unfälle von Radfahrern deutlich zurück. 

Allerdings ist eine solche Entwicklung nicht zwingend. Im Fahrradland Niederlande existiert keine Helmpflicht, und nur wenige tragen einen Helm. Dennoch sind die Niederlande – nach Dänemark – das zweitsicherste Land für Radfahrende. Dies wird wohl an der ausgesprochen fahrradfreundlichen Verkehrspolitik liegen. Die Infrastruktur des Landes ist auf Fahrradfahrende ausgelegt, und an den meisten Straßen gibt es  separate Radwege. Fahrradfahrer haben eigene Straßenübergänge und Ampeln.

Natürlich ist eine Helmpflicht kein Selbstläufer, ihre Einführung verlangt Aufklärung und Überzeugungsarbeit einerseits, sowie Kontrolle und Sanktionen anderseits. Nicht immer stoßen Neuregelungen der Straßenverkehrsordnung auf Verständnis und Zustimmung. Wahrscheinlich ist nicht mehr in Erinnerung, dass die Helmpflicht für Motorräder erst 1976 eingeführt wurde. Anfangs gab es wohl Widerstand, daher wurde ab 1980 ein Bußgeld für Fahren ohne Helm vorgesehen. Heute kann sich kaum noch jemand Motorradfahrer/innen ohne Helm vorstellen. Der anfängliche Widerstand hat sich bald gelegt. Zudem trägt der Fahrende eine Teilschuld an Kopfverletzungen, die er sich im Falle eines Unfalls ohne Helm zuzieht.

Anfang 1974 wurde der Einbau von Sicherheitsgurten in Neuwagen vorgeschrieben. 1976 wurde die allgemeine Gurtpflicht eingeführt. Die damaligen Gurte mussten nach dem Anlegen noch stramm gezogen werden und verhinderten damit jedes Vorbeugen. Erfolgte kein Festziehen, so  verringerte sich die Schutzwirkung. Diese Fakten minderten verständlicherweise die Akzeptanz. Trotz einer aufwändigen Werbekampagne „Erst gurten, dann starten“) traf die Gurtpflicht auf großen Widerstand. Die Vorstellung, sich in seinem Auto zu ‘fesseln’, sich irgendwie wehrlos zu machen und nicht fliehen zu können, löste offenbar Angst aus. Immer wieder wurde auf Einzelfälle verwiesen, wo Personen bei einem Unfall aus dem Fahrzeug herausgeschleudert worden waren und so überlebt hatten. 

Juristisch wurde gestritten, ob der Staat die Autofahrenden zum Selbstschutz zwingen und damit Freiheit und Selbstverantwortung einschränken dürfe. Erst mit den Automatikgurten und deren Federmechanismus wurde das Tragen von Gurten üblich und wirksam. Hinzu kam, dass das Fahren ohne Gurt ab 1984 mit einem Bußgeld geahndet wurde. Auch der Airbag trug zur Akzeptanz bei. Die Anschnallquote stieg auf 90%, und die Kritiker/innen verstummten.

Erhebungen aus den 80er Jahren ergaben, dass bei angelegten Sicherheitsgurten die Zahl der Verletzten um 60% und die der Getöteten um 70% zurückging. Das Deutsche Patentamt wählte 1985 den Sicherheitsgurt zu einer der acht Erfindungen, die der Menschheit in den letzten 100 Jahren den größten Nutzen brachten.

Moderne Anschnallgurte bilden heute zusammen mit Knautschzonen, Kopfstützen, Seitenaufprallschutz, Sicherheitslenksäulen, ABS und Airbag ein wirksames System passiver Sicherheit. Moderne Autos bieten weitere Entwicklungen, die das Fahren angenehmer und sicherer machen: Tempomat, Abstandsregler, Einparkhilfe, Spurhalter, Notbremsung, automatisches Abblenden, Rückfahrkamera, Reifendruckkontrolle. Manche dieser Installationen sind inzwischen für Neuwagen gesetzlich vorgeschrieben, andere gehören zur Serienausstattung, und manche sind optional.

1956 wurde den Städten gestattet, Gebühren für die Nutzung der Parkplätze im Straßenraum zu erheben. Natürlich führte dies zu Protesten und sogar Klagen. Die Parkuhren wurden als ‘Groschengrab’ bezeichnet. Es änderte nichts. Die Gebühren waren dazu gedacht, den knappen Parkraum in den Innenstädten von Dauerparkern frei zu halten, das Öffentliche Verkehrsangebot zu fördern und die Parkhäuser besser auszulasten. Inzwischen bilden die Parkgebühren einen nicht unwesentlichen Teil  der kommunalen Einnahmen. Zum Beispiel fließen in Aachen derzeit mehr als 6 Mio. € in die städtische Kasse.

Auf der ganzen Welt gibt es nur elf Staaten, in denen kein Tempolimit gilt. In zehn davon gibt es gar keine Straßen, auf denen hohe Geschwindigkeiten möglich wären (z.B. Somalia oder Nepal). Der elfte Staat ist Deutschland. Um unsere Straßen für Raser geeignet zu machen, wird viel Geld ausgegeben. Dabei sterben bei Tempolimit deutlich weniger Menschen. Je Milliarde gefahrene Kilometer passieren auf Autobahnabschnitten mit Tempolimit 0,95 Todesfälle, ohne Tempolimit sind es 1,67 – also fast das Doppelte. Auch die CO2-Emissionen würden laut Bundesumweltamt deutlich sinken; je nach Ausgestaltung des Tempolimits um 1,9 bis 5,4 Mio. t. Bei SPD und Grünen gibt es daher Parteibeschlüsse, ein flächendeckendes Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Die Automobilindustrie und die FDP haben dies bislang verhindert.

Das fehlende Tempolimit auf Autobahnen macht Deutschland weltberühmt. Doch bis zum 1. September 1957 gab es hier überhaupt keine Geschwindigkeitsgrenzen. Selbst innerorts durfte gerast werden. Erst 1957 wurde dort eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingeführt. Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass dieses Tempolimit vielfach unzureichend ist. Man merkt es am Unfallgeschehen, an der Lärm- und Luftschadstoffbelastung, an den schwierigen Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr sowie an unzureichenden Aufenthaltsqualitäten.

In den 1980er Jahren wurden deshalb die „Tempo-30-Zone“ und „Verkehrsberuhigte Bereiche“ ermöglicht. Inzwischen gilt innerorts im überwiegenden Teil der Nebenstraßen Tempo 30 oder weniger. Auf den meisten innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen bestehen die Probleme fort. Verkehrssicherheit, Lärmschutz, Luftreinhaltung, Förderung von Fuß- und Radverkehr sowie die Erhöhung der Aufenthaltsqualität sind Gründe, Tempo 30 verstärkt auch dort oder gar flächendeckend zu fordern. Das Straßenverkehrsrecht setzt dem jedoch hohe Hürden entgegen. Der Koalitionsvertrag der Ampel greift zwar das Thema auf, bleibt aber unkonkret. Unternommen wurde wohl bislang noch nichts. Ob das an der FDP liegt?

Die Jahresstatistik im Straßenraum zeigt:

Die Anzahl der Radelnden klettert und steigt.

Doch manche vergessen, die Köpfe zu schützen,

da könnt eine Helmpflicht recht wirkungsvoll nützen.

 

Vor gut sechzig Jahren erfand man den Gurt,

da hat mancher Fahrer geschimpft und gemurrt.

Doch heute nutzt jeder das Sicherheitsmittel;

die Zahl der Getöteten sank auf ein Drittel.

 

Beliebig, ob Diesel, ob Strom, ob Vergaser,

die Deutschen sind weltweit die einzigen Raser.

Der Grund sind die  Automobil-Liberalen,

trotz trauriger Unfall- und Sterblichkeitszahlen.

 

Längst muss man beim Parken fürs Auto bezahlen.

Die Kämmerer unserer Städte, die strahlen:

Gebühren fürs Parken, so ganz nebenbei.

Nur fahrende Autos sind abgabenfrei.

 

Ein jeder wünscht Ruhe und staubfreie Luft

und kindergeeignete Wohnqualität.

Am Steuer sind all diese Wünsche verpufft,

sobald man in 30er Zonen gerät.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.