Wer das nicht will/kann, macht sich den Vertrauensverlust selbst
Manche regen sich darüber auf, ob das Putin-Interview von Carlson nun gezeigt/dokumentiert werden soll, oder nicht. Müssig. Heute lässt sich nichts mehr totschweigen. Wer es haben will und sucht, findet es auch. Die Reaktion der vorherrschenden deutschen Medien, die sich darüber erregen und gleichzeitig vorenthalten, ist vor allem unsouverän und schwach – in einem Ausmass, das Sorgen macht. Das erinnert irgendwie an … Putin. Der fürchtet sich, bzw. lässt seine Behörden sich fürchten, vor objektiv machtlosen Gegenkandidaten – wie geradezu iranartig schwach und lächerlich ist das denn? Meine unrecherchierte These: er und sein System wollen den Untertanen klarmachen, dass sie sie mal am Arsch lecken können. Nur für den Fall des Falles …
Vergleich mit China
Nur mal zum Vergleich: Frank Sieren analysiert im FR-Interview von Bascha Mika die chinesische Führung und ihre Untertanen: “China im Jahr des Drachen: ‘Xi muss Chancen und Risiken eines Krieges um Taiwan austarieren’ – China-Kenner Frank Sieren über das Neujahrsfest und das Jahr des Drachen, die Rationalität von Xi Jinping und einen möglichen Krieg gegen Taiwan.”
Noch ein Interview einer Atommacht – warum so unbeachtet?
Die Aufregung über Donald Trump ist – aus meiner Sicht begründet – gross. Irritierend klein dagegen die über einen bereits amtierenden Regierungschef einer Atommacht: Rishi Sunak sprach mit Piers Morgan, das ist auf beiden Seiten des Mikros mit Carlson/Putin vergleichbar, und ein deutscher Journalist hats gesehen: Ralf Sotschek/taz musste sich von seiner Redaktion auf die (vielgelesene!) letzte Seite schieben lassen: “Der Händedruck des Grauens – Der journalistische Selbstdarsteller Piers Morgan hat mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak eine schmutzige Wette abgeschlossen.”
Deutsche Rüstungslobby
Wie die freidreht, ist immerhin auch Thomas Pany/telepolis aufgefallen: “Kriegstüchtig in fünf Jahren: General Breuers Appell an deutsche Gesellschaft – Trump lässt Nato fallen, Stoltenberg verlangt Aufrüstung, General fordert Kriegstüchtigkeit. Kommt die Wehrpflicht zurück? Was Wehrtüchtige und Eltern nun wissen müssen.”
Faktenfaule Tagesschau
Setzen Sechs! Roland Bathon/telepols hat die Tagesschau erwischt, und ihre Arbeit gemacht: “Paktiert die katalanische Regierung tatsächlich mit Moskau und Rechtsextremen? – ARD-Bericht behauptet, katalanische Regierung erhalte Geld von Moskau und sei rechtsoffen. Was dort komplett fehlt, nun bei Telepolis: die Sicht Kataloniens.”
Faktenfauler Spiegel
Heute las ich irgendwo, dass der von mir hochgeschätzte Professor Volker Lilienthal die ebenfalls von mir hochgeschätzte Franziska Augstein als Gast in seine Hamburger Vorlesung eingeladen habe, “das Journalismus-Verständnis ihres Vaters zu erläutern”. Mmh, ich bin mir sehr unsicher, ob Frau Augstein über so eine Formulierung amüsiert ist. Ich persönlich kenne nur, was in der Spiegel-Geschichte unten rauskam. Da waren alte Nazis neben überzeugten Linksliberalen in der Redaktion. Der langjährige Verlagsdirektor Hans-Detlev Becker (1962-84) war ebenso langjährig mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND verbunden. Und immer, wenn ich persönlich mit dem Gegenstand einer Spiegel-Geschichte befasst war, in den 70ern als Jungemokrat, in den 90ern und Nullern als Grüner im Landtag NRW, haben sich die Spiegel-Angestellten nicht durch Recherchen von ihrer vorgefassten Meinung abhalten lassen. Diese Tradition wird offenbar bis heute gepflegt.
Diese Erfahrung machte aktuell Extradienst-Gastautor Christoph Habermann/Blog der Republik, der mit der ihm eigenen Sachlichkeit und Höflichkeit mit einem andersmeinenden Spiegel-Redakteur korrespondierte: “Über die Berichterstattung zum Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren”. Lesen Sies, und bilden Sie Ihre Meinung selbst.
Africa-Cup
Haben Sie auch nichts vom Africa-Cup gesehen? Ich auch nicht. Nur wenige Atmosphäre-Bilder bei Zeigler (ab Minute 18:30). In einem dramatischen Finale gewannen die Gastgeber von Côte d’Ivoire gegen Nigeria, und das Land hatte mutmasslich mehr Karneval als das Rheinland und Brasilien zusammen. Der Dortmunder Sebastien Haller setzte in der 81. Minute eine sportliche Pointe auf seine bislang schon märchenhaft-dramatische Lebensgeschichte. Das stellt selbst vollbesetzte Westfalen-Stadion-Dramen in den Schatten. Und keine*r merkts? Lächerlich arm, so eine Weltsicht.
Wer mehr kapieren will, muss Howard W. French lesen. Seine im Oktober 22 im Guardian erschienene Westafrika-Reportage war deutsch übersetzt im Freitag erschienen, ist von dem aber digital eingemauert worden – ein Frevel am deutschen Weltwissen. Lernen Sie also Englisch und lesen Sie hier.
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