Dröhnendes Schweigen zum Kerngeschäft des potenziellen DFL-Investors
mit Update abends: Geplatzt
“Es gibt keine Mafia.” Das sagen immer nur die, die es am besten wissen – ihre Angehörigen. Sie fühlen sich durch öffentliche Aufmerksamkeit in ihren Geschäften gestört. Darum muss es beunruhigen, dass in der zunehmend erhitzten Debatte um einen möglichen Investoreneinstieg bei der Deutschen Fussball-Liga (DFL) das Kerngeschäft des übriggebliebenen letzten Kandidaten, der “CVC Capital Partners”, so dröhnend beschwiegen wird – ausser von den angeblich so radikalen Ultras.
Während der Dortmund-Tatort (ein Jahr verfügbar) am vergangenen Sonntag immerhin die Verflechtung von (unterklassigem) Fussball und Wettgeschäft und -manipulation behandelte, allerdings frei von jedem DFL-Bezug, wurde das Thema am Montag in “Hart aber fair” (ebenfalls ein Jahr verfügbar) überhaupt nicht erwähnt.
Tatsächlich besitzt CVC bereits Anteile an La Liga (Spanien) und der Ligue 1 (Frankreich), also an potenziellen DFL-Konkurrenten auf Europaebene. Und CVC ist seit 2014 Mehrheitsgesellschafter von Sportwettenkonzernen (Tipico, Sky Bet), darüber derzeit bereits Hauptsponsor der DFL inkl. Sponsorenwerbung auf allen übertragenden TV-Kanälen. Sie betreiben nicht nur Wettbüros und Internetkanäle, sondern haben also auch die Medien als Werbekunde in der Tasche. Warum sollen die die Hand beissen, die bei ihnen einzahlt? Auf den Geländen und in den Häusern der Vereine werden Wettautomaten betrieben. Den aktiven Spielern ist das mitspielen verboten. Viele spielen dennoch.
Der weltweit bekannteste Wettsüchtige Gianluigi Buffon, ein respektierter Weltklassetorwart, musste bis zum 45. Lebensjahr spielen, um irgendwie finanziell über die Wasserkante seiner Spielschulden zu kommen. Ein anderer blonder “Titan” im Tor, dem, dem Jay-Jay Okocha 1993 so einen wunderschönen Schwindelanfall bescherte, gab sich für derartige Werbespots her. Warum wohl?
Die Zahlen über Spielsüchtige und die Umsätze der Wettanbieter steigen ständig und in irrsinnigem Tempo (in dem Link alte Zahlen von 2021). Das erklärt – “It’s the economy, stupid!” – warum es der Lobby der Wettmafia gelang, über den federführenden Zwergstaat Schleswig-Holstein die deutschen Bundesländer in einem “Glücksspielstaatsvertrag” einzuwickeln, mit dem sie ihrem kriminellen Geschäft auf dem Rücken von hunderttausenden Süchtigen plus Millionen mitbelasteten Familienangehörigen “legal” nachgehen. In die damit verbundenen sozialen Kosten will ich jetzt gar nicht erst abschweifen …
Es reicht ihnen nicht. Jetzt wollen sie den Fussball kaufen, um die Ergebnisse effizienter beeinflussen zu können. Die Bank gewinnt immer. Der*die Wettende ist die*der Doofe/Kranke/Süchtige. Dazu müssen wir offenbar auch eine Mehrheit der deutschen Profifussballvereine, bzw. deren bei der DFL stimmberechtigten Führungskräfte, zählen. Ob es eine Zweidrittelmehrheit ist? Darum geht der vordergründige Streit.
Mein Vorschlag: Ausweitung des Streits. Um die real existierende Wettmafia und die ihr willfährig ergebenen Politiker*innen diverser Parteien aller deutschen Bundesländer. Es wäre ausserdem eine sowohl anspruchsvolle als auch ehrgeizige Aufgabe, der Wettmafia EU-europaweit das Handwerk zu legen – und verdienstvoll, digital- und sozialpolitisch. Jetzt fehlen nur noch Parteien und eine Regierung, die dabei vorangehen. Über die richtigen Wege und Methoden ist Streit nicht nur zulässig, sondern notwendig. Aber sich öffentlich geschäftlich mit der Mafia zu verbinden – das ist kriminelle Beihilfe – von der DFL über Sky, Dazn, ARD, ZDF, Kicker u.v.a.
Update abends
Es wird gemeldet, dass die DFL den Investorenprozess gestoppt hat. Damit hat die erfreulich politisierte Fanszene der sonstigen gesellschaftlichen Linken vorgemacht, wie Erfolge organisier- und erkämpfbar sind. Nun bleibt nur noch die Frage, ob noch jemand zum Lernen da ist.
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