Mit einem Special von ProQuote zum Frauentag

Fake-News sind ein neues Geschäftsmodell geworden – ihre Verbreitung wie ihre Bekämpfung (“Faktenchecks”) hat eine Menge neuer Arbeitsplätze geschaffen. Von mir aus gerne. Sebastian Köhler/telepolis berichtet von einer neuen Bertelsmann-Studie: Jenseits der Angst: Desinformation als Demokratiegefahr? – Medienvertrauen, Fake News und Desinfo: Deutsche zweifeln laut einer Studie an der Berichterstattung. Warum Verunsicherung nichts Schlechtes sein muss.” Ich stimme ihm zu, und ergänze: Bertelsmann muss es ja wissen.

Denn den grössten Fake-News-Skandal in der Geschichte der West-BRD hatte, in einer Zeit, in der dieser Begriff noch nicht kreiert war, ebendieser Konzern selbst zu verantworten: die “Hitler-Tagebücher”. Ich war Zeitzeuge, habe den “Stern” als linksliberal-kritisches Magazin sporadisch gekauft und gelesen. Unser Gastautor Hans Conrad Zander hat dort gearbeitet – und nicht schlecht. Mit diesem Skandal setzte der Niedergang ein – qualitativ und quantitativ (verkaufte Auflage). Nicht nur des Stern, sondern auch des ruhmreichen Verlagshauses Gruner&Jahr, das nur noch Geschichte ist (“RTL”). Bis heute markiert der Bertelsmann-Konzern und die ihn kontrollierende Milliardärsfamilie Mohn damit die deutsche Spitzenposition der Fake-News-Produktion ever.

Der beste Text zu diesem vielschichtigen Thema erschien diese Woche in der taz von Autor Fabian Scheidler: Emanzipatorische Medienkritik: Selbstreflexion jetzt! – Der deutsche Journalismus hat Probleme. Doch Kritik kommt vor allem von rechts. Das muss sich ändern. Denn weniger Meinungsvielfalt nutzt niemandem.” Noch nie habe ich meine Motivation, den Beueler Extradienst zu machen, so gut zusammengefasst gelesen. Danke!

Zur gegenwärtigen “Militarisierung der Medien” lesen Sie Günter Herkel/MMM (ver.di): “Verteidigungsminister Pistorius wünscht sich, dass Deutschland wieder kriegstüchtig wird. Ein großer Teil der hiesigen Medien steht bereits Gewehr bei Fuß”.

Und weil heute “Frauentag” ist, gebührt es sich ProQuote (Film) das Wort zu geben:

“Vorschläge zur Implementierung entsprechender gesetzlicher Vorgaben in das Filmfördergesetz (FFG)

1. Festgeschriebene Geschlechterquote von 50%:
Pro Quote Film fordert, dass die gesamte Fördersumme geschlechtergerecht vergeben werden. Dies soll zur Auflösung des Gender Pay Gaps beitragen, eine gerechte Verteilung der Produktionsmittel sicherstellen, sowie die kreative Chancengleichheit in der Filmbranche fördern.

2. Festgeschriebene Diversitätsquote: Pro Quote Film fordert eine Diversitätsquote von 30 Prozent, zu gleichen Teilen auf Frauen und Männer angerechnet. Diversität meint die Erweiterung um Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Behinderung, queere, Trans* und non-binäre Menschen, Menschen höheren Alters, von Klassismus betroffene Menschen und Menschen mit ostdeutscher Herkunft.

3. Incentives bei geschlechtergerechter und diverser Besetzung: Pro Quote Film fordert Anreize für Produktionsfirmen und Redaktionen, die geschlechtergerechte und diverse Besetzungen vor und hinter der Kamera umsetzen. Diese Anreizsysteme dienen als wichtiges zusätzliches Instrument, um einen raschen und nachhaltigen Kulturwandel in der Filmbranche zu bewirken. Sie sollen als Katalysator dienen, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer diversen und gerechten Besetzung zu schärfen und gleichzeitig die kreative Vielfalt und Qualität der Filmproduktionen zu steigern. Die österreichische Filmbranche geht hier mit gutem Beispiel voran: siehe Österreichs Gender Incentives.

4. Familiengerechte Arbeitsstrukturen: Pro Quote Film sieht die Veränderung der Arbeitskultur als dringend notwendig an. Die Filmbranche zählt zu einer der familienunfreundlichsten Arbeitswelten schlechthin. Von mangelnden Arbeitszeitregelungen und Präsenzkultur geprägt, mit unständiger Beschäftigung, wechselnden Einsatzorten, Sechzig Stunden-Wochen, dann wieder Phasen der Arbeitslosigkeit und Geldmangel. Auch hier sollten Incentives geschaffen werden, die es für Produktionsfirmen attraktiv machen, familiengerechte Konzepte zu unterstützen. Konkrete Vorschläge hierzu bietet unser Informationsportal zur Vereinbarkeit von Filmberuf und Familie.

5. Sitz für Pro Quote Film im FFA-Verwaltungsrat: Pro Quote Film fordert einen festen Sitz im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt (FFA). Als einziger Verein, der sich primär auf Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in der Filmbranche konzentriert, repräsentiert Pro Quote Film eine essenzielle Perspektive. Unsere Präsenz im Verwaltungsrat ist unerlässlich, um die Interessen und Anliegen von Filmschaffenden, die sich für Gleichberechtigung und Vielfalt einsetzen, angemessen zu vertreten.

6. Mitsprache des Diversitätsbeirats bei der Besetzung von Fördergremien: Wir schlagen vor, dass der Diversitätsbeirat ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Gremien hat. Die Besetzung der Filmfördergremien sollte nicht nur geschlechterparitätisch, sondern auch zu mindestens 30% aus Personen mit Diversitätsbackground bestehen.Perspektivenvielfalt ist essentiell, um die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Erfahrungen und Blickwinkel zu garantieren.

7. Diversitätscheckliste für Produktionsfirmen: Pro Quote Film fordert die Einführung einer Diversitäts Checklistenach dem Vorbild der MOIN Filmförderung. Diese Checkliste soll für die einreichenden Produktionsfirmen verbindlich sein und dient dazu, sowohl die Inhalte als auch die Teamzusammensetzungen der eingereichten Projekte zu überprüfen. Durch diese Maßnahme werden Produktionsfirmen angeregt, bereits im Vorfeld der Einreichung intensiv über die Auswahl ihrer Projekte und Teams nachzudenken und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.

8. Gender- und Diversitätsmonitoring: Wir halten es für notwendig, datenschutzkonform Daten zu Diversität von Crew und Cast zu erheben und fordern die Einführung eines verpflichtenden jährlichen Gender- und Diversitäts Monitorings zur kontinuierlichen Überwachung und Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und Diversität, um Fortschritte zu messen und etwaige Defizite effektiv anzugehen.

9. Schulungen zu Gender-Bias und Diskriminierungsformen: Pro Quote Film fordert verpflichtende Schulungen für Mitglieder von Filmfördergremien, leitenden Positionen in Produktionsfirmen, in der Regie, in Senderredaktionen und in Festival-Leitungspositionen, um ein Bewusstsein für Gender-Bias – eine verzerrte Wahrnehmung durch sexistische, rassistische oder klassistische Vorurteile und Stereotype – sowie andere Diskriminierungsformen zu schaffen und gerechtere Entscheidungen zu fördern.”

Und weil wir gerade beim Thema sind, aus der gleichen Quelle noch eine aktuelle TV-Filmkritik zu einem Erzeugnis von Männern, die offenbar eine Standleitung zu den Produktionsetats öffentlicher deutscher TV-Anstalten haben:

“Stellungnahme zum Film ‘Sie sagt. Er sagt.’ (ZDF)

Von Pro Quote Film e.V., Pro Quote Bühne e.V., KO – Kein Opfer e.V., Red Club und #MeToo Germany.

Die Herren von Schirach und Berben scheint das Thema sexualisierte Gewalt umzutreiben. Sie werden nicht müde, ihre Sicht der Dinge kund zu tun, die sich allerdings vor allem in der Besorgnis um eine potenzielle Falschbeschuldigung und Vorverurteilung äußert. Immerhin haben sie seit der tendenziösen Serie ‘Glauben* ein bisschen dazugelernt, aber trotzdem ist es schockierend, wie schlecht recherchiert und stümperhaft die beiden Männer wiederholt Filme zu einem Thema machen dürfen, von dem sie nicht die geringste Ahnung haben.

Warum ist der Film ‘Sie sagt. Er sagt.’ (ZDF) so ärgerlich? Laut Drehbuchautor von Schirach handelt der Film von dem angeblich unauflöslichen Dilemma, wenn vor Gericht Aussage gegen Aussage steht. Wieso musste für diese Fragestellung mal wieder ein Vergewaltigungsvorwurf herhalten? Wir können dieses Stereotyp nicht mehr sehen!

Das Thema der Falschbeschuldigung steht im Mittelpunkt der Handlung. Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Falschbeschuldigung nur bei 3-8% liegt. Dies wird im Film zwar gesagt – die Dramaturgie behandelt beide Szenarien aber gleichwertig. Dadurch und durch die Überschrift ‘Ein Film – zwei Wahrheiten’ vermittelt sich die Botschaft, dass es genauso wahrscheinlich sei, dass die Frau lügt, wie, dass sie tatsächlich vergewaltigt wurde. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland – wenn man das Dunkelfeld mit einbezieht – nur eine von hundert Vergewaltigungen zu einer Verurteilung des Täters führt, ist es mehr als fraglich, wieso in diesen Film Rundfunkgebühren investiert wurden.

Der Film ist sehr oberflächlich recherchiert, was sich in der komplett unrealistischen und unglaubwürdigen Handlung zeigt. Die thematisierten Traumafolgen stimmen nicht mit der geschilderten Tat überein und sind in der von Ina Weiße verkörperten Figur nicht spürbar. Die Dialoge sind hölzern, die Figuren eindimensional. Der Film wird der komplexen Gefühlslage einer Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt nicht gerecht.”

Dä.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net