Die Aussagekraft des Fussballkonzerns aus dem süddeutschen Raum

Was bedeutet es, wenn die Tatsache, dass ein Geschäftspartner eine Rechnung bezahlt, eine Nachricht für die Medien ist? Ein Jahr selbstständige Arbeit genügte mir, um das zu wissen: nichts Gutes. Dass in einer Zeit des Krieges zwischen Geldgebern und Profifussball-der-Herren-Betrieben nun der Marktführer in dieser Weise taumelt, wie er es tut, ist ebenfalls kein Zufall. Spätestens beim schwindelerregend gesellschaftsblind taumelnden Agieren der Branche in der Coronakrise war absehbar, was sich erst jetzt präsentiert. Es fehlt eine Vision, ein zukunftsorieniertes und gleichzeitig realistisches Selbstbild – und das dafür erforderliche qualifizierte Fachpersonal.

Max Eberl ist in seiner Heimat. Aber war es eine gute Idee, dorthin zurück zu wollen? Ganz offenbar nicht. In Mönchengladbach wurde er zwei Jahrzehnte heiss verehrt. Als Fussballer (99-05) war er kein Supertalent, aber auf dem Bökelberg war von allen Plätzen gut zu sehen, dass er alles gab, was er hatte. Das setzte sich in seiner Managertätigkeit fort. Sein Glück verliess ihn, als Lucien Favre 2015 als Fusballlehrer hinwarf. 2020 gab der vom Glück verlassene ausgebrannte gute Mann auf – alle, auch ich, kauften ihm diesen bewegenden Abschied ab.

Wer hat ihn danach beraten? Wie konnte dem Profi das passieren? Im Anschluss personifizierte Eberl geradezu prototypisch den Glaubwürdigkeitsverlust der deutschen Profifussballs der Herren. Zuerst liess er sich vom verhassten Red-Bull-Konzern ins Geschäft zurückkaufen, das seine psychische Verfassung doch so ruiniert hatte, um bei der ersten Gelegenheit dorthin zu streben, wo über viele Jahrzehnte die erste Adresse des Business war. An Informationsmangel über die inneren Zustände des dortigen Betriebs kann es bei der Person Max Eberl am wenigsten gelegen haben. Dass dort die Fusballlehrersuche noch schwieriger ist, als sie in Mönchengladbach sowieso schon war – das hätte er wohl nicht gedacht.

Konflikt Fussballlehrer vs. was-mit-Medien verschärft

Manche in München beten schon, dass sie bloss nicht bei Real Madrid gewinnen. Stellen Sie sich das mal vor: mit einem schon gefeuerten und verhassten Trainer Tuchel! Wer Gesichter lesen kann, sieht bei ihm die kaum noch verborgene Verachtung für das ihn umgebende was-mit-Medien-Volk, das sich mischt mit der Gewissheit, fachlich gute Arbeit zu verrichten: die berühmte auch in meiner Fussballkneipe ständig umstrittene “Ahnung vom Fussball”. Tuchel hat sie – und “die” haben sie nicht. Das sind auch in Bayerns Landeshauptstadt die lächerlichen aus dem Berliner Springerhochhaus entsandten Figuren, die es als “Marktführer” gewohnt sind, von Vereinsführungen (und “Spielerberatern”) privilegiert informiert zu werden und im deutschen Fussball alles so mitzuregieren, wie in Berlin-Hauptstadt-der-BRD.

Jürgen Klinsmann hatte rechtzeitig vor dem Sommermärchen 2006 diese Privilegien gekappt – “man muss den ganzen Laden auseinandernehmen” – und wurde damit immerhin WM-Dritter, die Fans und das Volk weit darüber hinaus waren ähnlich begeistert wie die frischgewählte Bundeskanzlerin. Der im Münchner Betrieb gestählte und Konzernsponsoren (SAP, RB) gewohnte heutige Bundestrainer Nagelsmann ist dagegen ein Realo, der die Privilegien reinstalliert hat, in Rücksprache mit der sozialdemokratisierten DFB-Führung. Ob er damit mehr als den dritten Platz holt, bezweifle ich. Aber gut – ein schönes Sommerfest könnte ich auch gut gebrauchen …

Dass qualifizierte Fachkräfte wie Nagelsmann, Rangnick oder Xavi Alonso sich einem derartigen Terrorregime aber nicht täglich aussetzen wollen, in dem der in den Ruhestand gegangene Patron ständig mit seinen rechten Medien-Spezis tratscht, selbst, wenn sie ihn gar nichts fragen – das ist mehr als nachvollziehbar. Und es wirft wie immer Fragen weit über den Fussball hinaus auf.

Was für eine Medienöffentlichkeit ist das, die sich von einer Sekte wie der FDP einen Faulheitsdiskurs aufdrängen lässt? In einer Zeit, in der die Ökonomie an allen Ecken und Enden nach Fachkräften und Ausbildungswilligen sucht. Krankheitswellen überwältigen die Betriebe und der Finanzminister propagiert die Freude an Überstunden? Wie weit weg kann mann sein?

Die Fussballlehrer wissen Bescheid. Wir sollten ihnen mehr zuhören. Und achten Sie auf Thomas Tuchels Gesicht. Warum trägt der so oft diese verschattende Kappe? Verachtung zeigen ist schlecht fürs Geschäft.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net