mit Update 29.1.
Max Eberl findet den richtigen Zeitpunkt – für sich
Das Fussballmärchen meines Lebens nähert sich seinem Ende. Es wird kein Happyend. Es heisst Borussia Mönchengladbach. Dieser Fussballverein war eine grosse und sensationell langlebige Projektionsfläche für die Verteidigung des Sports und seiner guten Geister, gegen die bösen Geister des Grosskapitals, die ihn zu erlegen trachten, und als Branche mit traumhaften Profitraten zuzurichten versuchen. Der Lauf der Geschichte des Kapitalismus spricht für die Bösen und gegen die Guten. Nun auch, mit erstaunlicher Zeitverzögerung, in Mönchengladbach, einer Stadt, in der sie sonst nichts haben.
Wenn Sie Fussballfachmensch sind, lesen Sie hier die gutinformierte Analyse von Joachim Schwerin/seitenwahl.de. Als Fan fürchte ich für die nahe Zukunft den Fahrstuhl nach unten, da wo Alemannia Aachen (und der Bonner SC) ist. Als ich Fan wurde, 1965, fing die Borussia gerade die Alemannia als Tabellenführer der Regionalliga (so hiess damals die 2. Liga, heute die 4.) West ab, und stieg, gleichzeitig mit dem CSU-nahen Konzern aus dem süddeutschen Raum auf, nach einem 7:0 gegen den rivalisierenden SSV Reutlingen in der Aufstiegsrunde. Reutlingen spielt heute 5. Liga. Optimisten können hoffen, dass es nur so schlimm kommt wie beim MSV Duisburg (Abstiegskampf in der 3. Liga).
Max Eberl ist erst 48. Ein Alter, in dem er seinem Leben noch eine neue Wendung geben kann. Dass die Liebe zu einer jungen Frau dazu einen Impuls gegeben haben soll, ist menschlich sympathisch, und als starke Kraft in der Menschheitsgeschichte bekannt. Wenn er sein üppiges Managereinkommen gut angelegt hat, und dessen verdächtige ich ihn sehr, ist das risikolos machbar. Und die Mechanismen des Fussballgeschäfts legen solche Entschlüsse mehr als nahe. Mit den handlichen Instrumenten Fifa und IOC, in Deutschland DFL, DFB und DOSB, wird der Sport derzeit vom Kapital als eine der letzten angeblichen Wachstumsbranchen zerlegt, gefressen und aussergewöhnlich unappetitlich verdaut. Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen ist die Coronapandemie nicht Ursache. Aber sie beschleunigt und macht sichtbarer. Da ist keine Gardine mehr dazwischen – alle können es sehen. Von “Winterspielen” in Beijing bis zu Fussballspielen in der Adventszeit in der Menschenrechts-Wüste von Qatar.
Eberl gehört zu den Intelligenten des Geschäfts. Er kann es schon lange sehen. Es sieht nicht gut aus. Zeit zu gehen. Ich konnte mir das erst mit 60 leisten.
Wenn er sich jetzt überraschend doch noch kaufen lässt, vom Konzern aus dem süddeutschen Raum, oder irgendwelchen anderen feudalistischen Verbrechern, ziehe ich diesen Text zurück, und stimme ein in die Chöre über das Schlechte in dieser Welt. Aber wer weiss das schon? Vielleicht liebt der verliebte Herr Eberl jetzt den Schritt ins Ungewisse.
Er kann es wagen. Für die Borussia sieht das schlechter aus. Selbst wenn sich der von uns geliebte Martin Stranzl daran versuchen sollte.
Update 29.1.: Daniel Theweleit/FAZ berichtet angemessen über Eberls Abtritts-Pressekonferenz. Die SZ mauert dagegen alle Texte dazu ein. Mike Lukanz/seitenwahl schreibt eine sehr persönliche und auch freundschaftlich-kritische Würdigung. Vorsicht für Borussia Fans: da gibt es feuchte Augen.
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