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Von der Leyen auf glitschigem Parkett

Nicht nur in Sachsen-Anhalt mit dem Boykott der Rundfunkgebühren und in Thüringen durch die Kooperation mit der AfD bei Gesetzentwürfen bemühen sich CDU-Politiker vor der Europawahl, möglichst viele Forderungen der Rechtsextremisten im vorauseilenden Gehorsam umzusetzen. Eine Milliarde will die EU einem instabilen Regime im Libanon, das viele Politikwissenschaftler schon seit Jahren als “failed State” einschätzen, geben, um Flüchtlinge aus Syrien von der Überfahrt in die EU abzuhalten. Das ist im Kern ein Hohn auf die Menschenrechte.

Der Libanon, einst “die Schweiz des Nahen Ostens”, ist seit über zwei Jahrzehnten immer wieder ein korruptes Regime dem anderen gefolgt. Die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Rafiq al-Hariri 2005 und dem in Saudi-Arabien 2017 erklärten Rücktritt seines Sohnes Saad al-Hariri, der 2016 die Wahl gewonnen hatte und diesen Rücktritt später widerrief,  stehen symbolisch für die Unberechenkeit und Fragilität libanesischer Regierungen. Die verheerende Explosion von Düngemitteln im Hafen von Beirut 2020 mit 220 Toten und 6.000 Verletzten, sowie die Tatsache, dass das Land seit Oktober 2022  keinen Staatspräsidenten hat,  verdeutlichen die Instabilität und Hilflosigkeit der Staatsmacht. Denn trotz deren Dementi wird der schiitischen Hisbollah, die 2022 die Wahlen zwar verlor, eine Mitvertantwortung für die Explosion zugerechnet. Darüber hinaus gilt Hisbollah als die heimlich machthabende Terrororganisation im Land, gegen die die libanesische Armee keine Chance hat. Die Hisbollah wiederum ist der Arm des schiitischen Mullah-Regimes im Iran. Nicht grundlos befürchtete Israel nach dem Überfall der Hamas in Gaza, dass der Iran über die Hisbollah Israel angreifen und einen Zwei-Frontenkrieg entfesseln könnte.

Viele syrische Flüchtlinge leben im Libanon

In dieser Situation und unter diesen Umständen reist also Frau von der Leyen in den Libanon, um ein vom Iran abhängiges, destabilisiertes Regime zu bitten, der EU syrische Flüchtlinge vom Hals zu halten.   Weil sie im Libanon immer schlechter versorgt werden und dessen Regierung sie am liebsten wieder zurück schicken würde, befinden sich die Betroffenen in einer ähnlichen Lage wie die afrikanischen Flüchtlinge in Tunesien, wo der Präsident mit rassistischen Sprüchen und Diskriminierungen gegen sie vorgeht. Und wo ein “Rücknahmeabkommen”, das nichts mit “Rücknahme” zu tun hätte, wie hier beschrieben, ins Nichts oder die Verzweiflung führen würde. Für viele Flüchtlinge aus Syrien, die heute noch im Libanon leben, würde die Rückkehr das Elend, Verfolgung, möglicherweise Folter durch Assad oder Gefängnis und Tod bedeuten. Es ist ein Irrglaube der CDU und der Konservativen, hier die AfD einzudämmen, indem man unter Inkaufnahme der Verletzung von Menschenrechten und den Preis jeder Glaubwürdigkeit ihren Forderungen nach Abschottung nachkommt.

Menschenrechte werden von der EU systematisch verraten

Diese Politik der EU ist weder geeignet, die Werte von Menschenrechten und Humanität zu verteidigen, die sich die UNO, die Europäische Gemeinschaft, der Europarat und die demokratischen Staaten Mitte des 20. Jahrhunderts gegeben haben.  Die auch im Grundgesetz, das in diesem Jahr 75 Jahre alt wird, ihren Niederschlag finden und von Rechts erstmals seit Jahrzehnten ernsthaft gefährdet werden, wie prominente Mahner wie Gerhart Baum oder Heribert Prantl nicht müde werden, zu erinnern. Die demokratischen Parteien müssen sich den einfachen, rassistischen Antworten der AfD und anderer Populisten wie Le Pen, Meloni, Orban oder Kaczyński auf die komplizierten Fragen von politischer Destabilisierung, Klimawandel, Stellvertreterkriegen, politischer Verfolgung und dadurch verursachter Migration widersetzen. Sie müssen die wirklichen Ursachen und Verantwortlichkeiten benennen und bekämpfen. Sie müssen sich zurück in die Gemeinschaft der Demokraten begeben. Und aufhören, den Rechtsextremisten vorauseilenden Gehorsam zu leisten, indem sie ihre politischen Forderungen umsetzen. So sind Neonazis und Rechte nicht einzudämmen – ganz im Gegenteil. Aber von der Leyen hat ja ohnehin angekündigt, sich auch mit Unterstützung der Rechtsextremisten zur Kommissionspräsidentin wiederwählen zu lassen. Erinnern wir uns: Viktor Orban war es, die sie beim letzten Mal vorgerschlagen hat und dem sie ihren Posten verdankt.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    Danke, dass Du das so unverzüglich kommentiert hast. Wo ist der wehende Mantel von Herbert Reul, wenn mann ihn mal braucht? “Follow the money” sagen die Fahnder*innen doch immer. Die eine Milliarde hätte die SMS-Politikerin Leyen auch in Essen-Katernberg oder einer Berliner Villa abgeben können.
    Im Libanon müsste ein Staat erst noch wiederaufgebaut werden – ich schätze grob mit ungefähr der hundertfachen Summe. So mancher Deal hiesiger Konzerne, z.B. was weite Bereiche illegaler Abfallwirtschaft mit Vergiftung des östlichen Mittelmeeres betrifft, könnte dann komplizierter werden … Wollen “wir” das?

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