Ob klassisches Büro, Homeoffice oder geteilter Schreibtisch, das Arbeiten an verschiedenen Standorten muss geregelt werden
In vielen Dienstleistungsberufen arbeiten Beschäftigte seit langem an mehr als einem Ort – das gilt nun auch oft für die Büroarbeit: Kolleg*innen teilen sich die Schreibtische, sitzen in Büros verschiedener Niederlassungen, arbeiten während der Zugfahrt oder verbringen einen Arbeitstag im heimischen Büro. Die Corona-Pandemie hat vor allem die Arbeit im Homeoffice massiv vorangebracht. Inzwischen wird aber auch immer deutlicher, dass diese Form des Arbeitens im Sinne der Mitarbeiter*innen geregelt werden sollte.
Kein eigenes Büro
Der IT-Dienstleister der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken Atruvia hat 2021 die Gesamtbetriebsvereinbarung “Activity Based Working“ auf den Weg gebracht, in der es um das Arbeiten an verschiedenen Arbeitsorten geht. “Wir haben vier Standorte, den Hauptsitz in Karlsruhe sowie weitere Bürogebäude in München, Münster und Berlin, die alle bei anstehenden Umbauten für die neue Art von Arbeitsplätzen ertüchtigt wurden und werden”, erläutert der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Gerd Leyener das Konzept. Klar ist dabei, dass Beschäftigte nun kein eigenes Büro mit eigenem Schreibtisch, Zimmerpflanzen, Postern und Ähnlichem mehr haben. Ein Anspruch auf einen Arbeitsplatz in einem der Firmengebäude besteht aber weiter. “Außerdem gibt es Räume für Teamarbeit, Flächen für stille Arbeit, Mutter-Kind-Büros, Flächen für Begegnungen der Kolleg*innen”, so der GBR-Vorsitzende. Einzelbüros und Räume für die Teamarbeit müssen über ein Tool gebucht werden, wobei das zurzeit maximal zwei Wochen im Voraus geht. “Hierdurch sollen Dauerbuchungen durch die Beschäftigten vermieden werden, die sie später gar nicht alle benötigen.” Das entspreche dann nicht mehr der Idee, mit den vorhandenen Flächen effizient und wirtschaftlich umzugehen.
Schritt für Schritt
Bei der Belegschaft komme das neue Konzept gut an. Da die Umstellung während der Corona-Zeit begann, fiel die Anpassung ohnehin nicht schwer, denn das Gros der Beschäftigten arbeitete damals ohnehin überwiegend im Homeoffice. “Aber es gibt auch Kolleg*innen, die mit dem Modell noch fremdeln”, sagt Gerd Leyener. “Der eigene Schreibtisch mit eigenen privaten Utensilien spielt eben doch eine gewisse Rolle.” Aber er ist optimistisch, dass sich nach und nach alle an die neuen Gegebenheiten gewöhnen. Immerhin durften die Betriebsräte ihre festen Büros behalten – nicht wegen mangelnder Flexibilität, sondern wegen der immer noch großen Bestände an Papierakten. Erst eine weitgehende Digitalisierung wird die beliebige Verlagerung des Arbeitsplatzes ermöglichen.
Sehr viel Erfahrung gibt es bei der Deutschen Telekom AG mit mobiler Arbeit. Dort wurde schon vor der Corona-Pandemie oft von unterwegs, aus dem Homeoffice sowie von verschiedenen Standorten aus an wechselnden Orten gearbeitet. Telekom-Konzernbetriebsratsvorsitzende Kerstin Marx erläutert: Bei dem Konzept unter dem Titel “Magenta Office” gehe es darum, unter Wahrung der Mitbestimmung die verschiedenen Arbeitsmodelle, ressourcenschonende Arbeitswege für die Beschäftigten sowie die Auslastung aller Firmengebäude unter einen Hut zu bringen.
“Magenta Office fördert eine neue Kultur der Zusammenarbeit”, betont die KBR-Vorsitzende und verweist auf die Vielfalt der Möglichkeiten im Unternehmen. So sei mobiles Arbeiten bei der Telekom ebenso geregelt wie das Arbeiten aus dem EU-Ausland, würden Teamarbeit und flexible Arbeitsmodelle gefördert. In über hundert größeren Standorten werde es verschiedene Flächen für die unterschiedlichen Anforderungen geben, die bundesweit von allen Beschäftigten genutzt werden können. Genau wie bei Atruvia lässt sich auch bei der Telekom ein Arbeitsplatz über ein einheitliches Tool buchen. Feste Schreibtische gibt es auch hier nicht. In vielen Fällen haben sich zuvor lange Anfahrtswege zur Regelarbeitsstätte durch die neuen Möglichkeiten des wohnortnahen Arbeitens deutlich verringert.
In Kontakt bleiben
Dass die neuen Arbeitsformen große Veränderungen bedeuten, stellt Guido Becke vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen fest, der zu diesen sogenannten hybriden Arbeitskonzepten forscht. Dabei geht es ihm vor allem um die Veränderungen der sozialen Beziehungen in Betrieben, wenn Menschen an ständig wechselnden Orten arbeiten. Darauf müsse unbedingt in der Praxis geachtet werden, damit Beschäftigte weiterhin miteinander in Kontakt blieben. Katrin Willnecker vom ver.di-Referat Arbeits- und Gesundheitsschutz weist darauf hin, dass auch mobile Arbeit gesundheitsförderlich gestaltet werden muss. Bei einem Arbeitsplatz im Homeoffice oder am wechselnden Schreibtisch im Betrieb sei es ebenso wichtig, ergonomische Büromöbel und passende technische Geräte zur Verfügung zu haben. Wie die Arbeit an wechselnden Orten gut gestaltet wird, darum ging es bei der “ver.di-Online-Tagung zum hybriden Arbeits- und Sozialraum”.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ver.di-publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Einige Links wurden nachträglich eingefügt.
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