Das Jahr 2025 hat das Zeug, ein historisches zu werden, und dabei leider kein gutes. Letztes Jahr habe ich in der italienischen Intellektuellenzeitschrift „MicroMega“ mein persönliches Worst-Case-Szenario veröffentlicht, mit antizipierten Kipppunkten für Klima und Demokratie. Allerdings lag damals auch einige „Kamala“-Hoffnung in der Luft, so dass ich selbst nicht so recht dran glaubte, dass es ganz so schlimm kommen würde. Nun bin wahrscheinlich nicht nur ich eines Besseren (Schlechteren) belehrt. Es sieht alles noch schlechter aus als in diesem Text beschrieben.
Tatsächlich ist es ein ungeahnter Umschwung, wenn Trump nun in faschistoid-imperialistischer Weise seine Hände nach Grönland, Panama, Kanada ausstreckt. Müssen die Natomitgliedsstaaten demnächst einmal die Artikel-5-Beistandsverpflichtung für Dänemark/Kanada ziehen, wenn das Nato-Mitglied USA militärisch durchzieht!? Unvorstellbar und unerhört.
1989 endete nach ca. 42 Jahren die Blockkonfrontation. Was endet 2025, 36 Jahre später? Die Einheit eines ziemlich lädierten, aber von den liberal-demokratischen Freiheitswerten doch noch irgendwie zusammengehaltenen Westens?
Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, die erste und wichtigste Antwort auf all diese Unwägbarkeiten zu kennen: Europa! Auch das eine ziemlich lädierte Veranstaltung, aber immerhin noch mehrheitlich rechtsstaatlich, demokratisch, freiheitlich orientiert, und auch mit großen Anteilen noch sozial und ökologisch. Darauf müssen wir nun strategisch und mit großem Nachdruck setzen. Europa ist stark genug, um sich zu behaupten, wenn die Verantwortlichen in der EU das verstehen.
Ein Problem: Deutschland ist das stärkste Land Europas, und die letzten drei Regierungschefs des Landes – Schröder, Merkel, Scholz – haben zum Teil ostentativ ihr Desinteresse an Europa bekundet. Strategischer Fehler! Zwei andere Kanzler, Adenauer und Kohl, zu denen ich über Jahrzehnte aus (vielleicht nachvollziehbaren Gründen) eine ziemliche kulturelle Distanz gepflegt habe, waren da anders drauf. Nun denke ich manchmal: Ich möchte meinen alten Kanzler Kohl wiederhaben. So weit ist es schon gekommen.
Ansonsten sehe ich bei einigen Historikern Lichtblicke: Timothy Snyder, Jürgen Osterhammel (liberal-konservativ) oder Heinrich August Winkler (als Sozialdemokrat total isoliert in seiner Partei). Hier blitzt ein bisschen Verständnis auf für die langen Linien der Europapolitik über die Jahrzehnte – und die Aufgaben des jetzigen Zeitpunkts.
In der bundesdeutschen Politik sieht es leider ziemlich anders aus. Eine gute Aktion war es allerdings, dass Annalena Baerbock zusammen mit dem französischen Außenminister nach Syrien geflogen ist. Die Kommentare in den Medien dazu waren mehrheitlich so, dass daraus zu schließen ist, dass auch die Medienlandschaft wenig begriffen hat. Dass Scholz mit englischen, französischen und dänischen Regierungsspitzen nach Grönland fliegen wird, darauf hofft man wahrscheinlich vergebens.
Der Christdemokrat Merz ist ein politisch unbeschriebenes Blatt und offensichtlich auch Teil einer Weiter-So-Absprache mit den Sozialdemokraten. Glaube nicht, dass da irgendeine Antwort auf die drängenden Fragen kommt, die über die ach so notwendige (!) Zusammenarbeit mit Tschechien in Sachen AKWs hinausgeht. Weia. Bin ich im falschen Film? Würde mich sehr freuen, hier eines Besseren belehrt zu werden.
Der einzige aus der gegenwärtig ersten Reihe, dem ich mehr zutraue, ist Habeck. Er hat den heraufziehenden Ukrainekrieg vor allen anderen erahnt. Und bei ihm scheint das Wort „Zeitenwende“ auch nicht nur eine Floskel zu sein. Er trägt die Kernthemen für das Land in den Wahlkampf, während die demokratischen Wettbewerber ihren alten Stiefel einfach weitermachen wollen. Ob das langt, um in der gegenwärtigen Situation die richtigen Schlüsse zu ziehen? Mit Blick auf den Rest des politischen Szenarios bin ich da sehr skeptisch.
1922 war übrigens das Jahr, in dem Mussolini auf Rom marschierte (marschieren ließ).
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