1988 organisierte ich selbst mal ein Studiopublikum für den WDR. Eine “Fernsehbrücke Köln-Kiew” wurde vorbereitet, und ich machte dem Sender eine lange Liste von Menschen und Organisationen der Zivilgesellschaft, die nicht nur Kulisse sein, sondern dazu selbst auch was inhaltlich beizutragen hatten. Diese Arbeit hat – nicht nur wg. ihrer guten Entlohnung – seinerzeit grossen Spass gemacht. Es war die gute Zeit der Entspannungspolitik, in der UdSSR regierte Michail Gorbatschow. Er wurde hierzulande mehr verehrt als zuhause.

Jetzt gibt es lärmende Aufregung über ein Studiopublikum im ZDF. Und es ist wirklich eine Pest. Ich hasse das, seit es das Unaktuelle Sportstudio gibt. Es ist reine Kulissenschieberei mit Menschen, die ihre Oma grüssen wollen. Und die nichts, absolut nichts zu sagen haben oder gar sollen. Wie ein Möbelstück reine Ausstattung für die eitlen Böcke, die sich vor der Kamera produzieren dürfen. Und Sendezeitverschwendung.

Selbst wenn das ZDF mitternächtlich mittwochs sekundenkurze Zusammenfassungen von Champions-League-Spielen sendet, sitzt da eine zeitraubende Klatschkulisse – für Nichts und wieder Nichts.

In politischen Diskussionsformaten und Talkshow-Trash dient es einzig und allein der ineren Aufwärmung und Aufheizung der Kontrahent*inn*en. Ohne Kulisse würde ja die potenzielle Gefahr des Austauschs von Sachargumenten drohen. Die publikumslose “Phönix-Runde” oder der sonntägliche “ARD-Presseclub” schaffen das bisweilen. In Wahlkampfzeiten versucht selbstverständlich jede Partei, ihre Leute im Publikum unterzubringen. Auch die geladenen Gäste versuchen es nicht nur, sondern tun es. Das gehört zum inneren Prinzip dieser zweifelhaften Formate.

Darum schalte ich solchen Müll gar nicht erst ein.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net