Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Einige Fragen an die Öffentlich-Rechtlichen

Wie kommt die Zuspitzung auf das Merz/Scholz-Kanzlerduell heute abend eigentlich zustande?

Die Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Medien, Scholz und Merz heute Abend im Sinne eines Kanzlerduells zu featuren, hat viele kritische Fragen aufgeworfen. Vor allem: Wieso nur die beiden und nicht zum Beispiel ein Triell auch mit Habeck, also im Format wie 2021?

Ich hätte da zwei zusätzliche Fragen:

1) Könnten die beiden Parteien Union und SPD und ihr überragender Einfluss bei den öffentlich-rechtlichen Medien dahinterstecken?

2) Warum wird in den öffentlich-rechtlichen Medien eigentlich nie die Frage nach dem (großen!) Einfluss der (ehemals) großen Parteien in den öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien diskutiert?

Der Verband der Filmschaffenden hat sich am Beispiel des ZDF einmal die Mühe gemacht und nachgerechnet. Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig. Union und SPD geben den Ton, die FDP ist überrepräsentiert. Ähnliches würde sich auch bei der ARD bestätigen, deren Chef im übrigen der SPD-Mann Gniffke ist.

Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit, die öffentlich-rechtlichen Medien aus den Fängen von Union und SPD zu entlassen. Und zwar auch um die Populisten und Rechtsextreme von der AfD, die ja die heftigste Kritik an diesen Medien üben, bessere und weniger verstaubte Medien entgegenzusetzen, einen modernen, zeitgemäßen, pluraleren, politisch unabhängigen und nicht von der Politik eng geführten ÖR-Rundfunk.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

4 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Deine Frage kann ich beantworten. In den Aufsichtsgremien (Rundfunk- bzw. Fernsehräte) ist die Zahl der direkten Parteienvertreter*innen – nicht freiwillig, sondern durch das Bundesverfassungsgericht (“ZDF-Urteil”) – auf rund ein Drittel begrenzt worden. Die Mehrheit der Gremien stellen sog. “gesellschaftlich-relevante Gruppen”, die durch Mediengesetze der Bundesländer bzw. Staatsverträge zwischen den Bundesländern definiert werden. Diese “gesellschaftlich-relevanten Gruppen” sind aus meiner persönlichen Sicht Überbleibsel aus dem gesellschaftlichen Korporatismus der Adenauer-BRD, als die Kirchen und Gewerkschaften, auch andere Verbände, noch einen hohen Organisationsgrad und gesellschaftliche Verankerung hatten, die sie alle längst verloren haben. In der Realität der ARD- und ZDF-Aufsichtsgremien ordnen sie sich “roten” und “schwarzen Freundeskreisen” zu. Allerdings wachsen dort auch die “Grauen”, die sich keinem von beiden zuordnen wollen, im WDR z.B. unter der temperamentvollen Wortführerschaft von Gerhart Baum, der zwar der FDP angehört, aber für die Kulturschaffenden lobbyiert.
    Deine Frage, lieber Reinhard, solltest Du an die Führungen in Land und Bund unserer gemeinsamen Partei richten. Warum machen sie überhaupt keine Medienpolitik? Krista Sager hatte es als Parteivorsitzende 1994-96 noch getan. MdB Tabea Rößner
    https://www.tabea-roessner.de
    eine der wenigen mit fachlicher Ahnung und ehrlichem Bemühen, geht in Rente.

    • Reinhard Olschanski

      Ja, lieber Martin, die engeren politischen Sitze sind per BVG-Urteil so festgelegt. Aber (Adenauer-Zeit-Relikte) Union und SPD greifen über ihre rot/schwarzen Freunderl immer noch viel weiter aus, so dass sie in der Regel noch immer dominieren können – so wie im Ergebnis heute Abend wieder zu sehen sein wird. Das Land müsste viel umfassender von den „Freunderln“-Seilschaften befreit werden, auch in den Rathäusern, Landratsämtern und vielen, vielen Institutionen. Diese stille und immer noch sehr feste Macht von Union und SPD wird noch immer kaum diskutiert. Nur wenn mal jemand anders dran kommt, als Bürgermeisterin, als Landrätin, als Ministerin, dann merkt man/frau plötzlich, was da über Jahrzehnte aufgebaut wurde und wie gut da dann gebremst, durchgestochen, verhindert wird. Würde mich sehr freuen, wenn andere Parteien – der Sachlage gemäß wohl vor allem die Grünen – da viel aktiver reingingen und für wirklich unabhängige Medien/Institutionen sorgen würden – statt Amigo-Freunderl-Friendship allerorten. Auch den Beueler Extradienst sehe ich natürlich als Verbündeteten bei einem solchen Versuch.

  2. Christian Wolf

    Ich würde – bei aller berechtigten Kritik – den Status derzeit nicht anrühren wollen. Die Debatten rund um den ÖRR würden mit Sicherheit neue Löcher aufreißen und Begehrlichkeiten schaffen, die nur noch eine leere Hülle übrig lassen – die wir übermorgen wegwerfen können.

    • Martin Böttger

      Das ist einerseits richtig beobachtet. Es könnte aber auch so kommen, wenn einfach nichts gemacht/geändert wird. Die “leere Hülle” ist schon auf dem besten Weg …
      Es hätte (“Fahrradkette”) schon viel getan werden können – vergossene Milch, vertane Zeit etc. Das dürfen sich die Grünen auch selbst anheften.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2025 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑