Hilfe zum Sterben statt Gesunden am Beispiel Kanada
Die deutschen Nazis unterschieden zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben. Nicht ihr eigenes, sondern das Anderer, von denen sie viele Millionen industriell umbrachten und vernichteten. So grob ist der real existierende, und gelegentlich bürgerlich-demokratisch eingehegte Kapitalismus nicht. Die Brücke zwischen beiden ist die Eugenik. Im Rahmen der neoliberalen Selbstoptimierung und Individualisierung sollen die Individuen “selbst entscheiden”, ob und wann ihr eigenes Leben lebensunwert ist. Die Erkenntnis eines berühmten Rheinländers, dass das Sein solcherart Bewusstsein bestimmt (oder mindestens prägt), war zu meiner Schulzeit verfemt, und ist heute weitgehend vergessen. Meine steile These: das ist gerade der Trick des real existierenden Kapitalismus.
Nun erfahre ich durch ein Interview von Paul Schuberth in der Jungle World, dass das tapfer gegen den Trumpismus kämpfende liberale Kanada durch eigene Gesetzgebung seit 2016 eine Hochburg derartiger Praxis ist: “Ramona Coelho, kanadische Ärztin und MAiD-Kritikerin, im Gespräch über die Ausweitung der Sterbehilfe in Kanada: »Der Tod wird als Antwort auf Leiden normalisiert« – 2016 hat Kanada die medizinisch assistierte Sterbehilfe (MAiD) legalisiert. Die Gesetzgebung des Landes zählt zu den liberalsten weltweit und sorgt mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus für Bedenken und Kritik. Die »Jungle World« sprach mit der kanadischen Ärztin und MAiD-Kritikerin Ramona Coelho über den Stand der Gesetzgebung, die Praxis und die gesellschaftlichen Folgen von MAiD.”
Dä. Wer hätte das gedacht? Ich wusste das nicht. Und Sie können die Uhr danach stellen, wann solche politischen Diskurse unser Land erreichen. Eine verdienstvolle Veröffentlichung der Jungle World.
Danke fürs Aufgreifen des Interviews & des Themas!