Fussball als Medium

Wenn die Welt untergeht, geht sie in Deutschland und Europa 30 Jahre später unter. Oder wie würden Sie die Meldung des spiegeleigenen “manager-magazins” (Paywall) deuten: “DFL nimmt eigene Streamingplattform in Angriff – Bisher nimmt die Bundesliga das meiste Geld durch den Verkauf ihrer Übertragungsrechte ein. Nun wollen die DFL-Chefs die Spiele selbst ausstrahlen und verkaufen – vor allem im Ausland. Sie planen eine eigene Streamingplattform.” Was machen solche Manager eigentlich den ganzen Tag?

Der Kicker (ebenfalls Paywall) berichtet so: “Rote Zahlen bei den Medienpartnern: Klare Linie dringend gesucht: Darum geht es bei der DFL-Klausurtagung – Die Bundesliga hat wirtschaftlich bewegte Jahre hinter sich. Aber was braucht der deutsche Profifußball, um finanziell stabil und sportlich attraktiv zu bleiben? Neun Spitzenfunktionäre suchen nun nach einer Strategie, auch angesichts roter Zahlen bei Sky und DAZN.”

Hätte der Comcast-Konzern, der dem cleveren Reaktionär Rupert Murdoch für einen grossen Haufen Geld “Sky” abgekauft hat, mich als Berater engagiert, hätte ich ihn vor diesem Desaster bewahren können. Dazn-Oligarch Len Blavatnik musste sich nach dem Verbrennen von 6.000.000.000 Dollars den Fuchs Mohammed Bin Salman in den Stall holen, für den er eine Milliarde Kapitalbeteiligung an die Fifa für ihr Kirmesturnier “Club-WM” in diesem Sommer in den USA durchleitete – im Prinzip eine bankähnliche Dienstleistung, aber zu dem Preis, dass der Fuchs jetzt im Stall ist, und Mr. Blavatnik aufpassen muss, dass der ihm nicht seine Knochen zersägt.

Tatsache ist (und war schon immer): kapitalistisch betrachtet ist der Fussball noch nie das Geld wert gewesen, dass für ihn bezahlt wurde. Alle Medien- und TV-Anstalten wissen das. Die Preise werden aus anderen Gründen gezahlt. Sie reichen von schlichtem Imagetransfer für das jeweilige Medium bis hin zum politischen Einfluss (Netzwerken) seiner Besitzer*innen und leitenden Angestellten. Für Murdoch hatte das teure Vergnügen seinen Zweck erfüllt – er castet mittlerweile für die wichtigsten kapitalistischen Staaten persönlich ihre politische Führung, von Tony Blair bis Donald Trump. Er brauchte (und fand) nur Doofe, die ihm den Laden für viel Geld abnahmen.

Langsam, sehr langsam, merken die betroffenen Medienkonzerne, auf welchem Kostensprengsatz sie ihren Arsch breitgesessen haben. In der weltweiten Konkurrenz der Imperien müssen auch die Medienimperien verstärkt auf sich selbst achtgeben. Und endlich, endlich kommen die Fussballimperien (der Herren) auf den naheliegenden Gedanken, dass sie ja selbst ein Medium sind. Jede Bundesligaklitsche hat in ihrer PR-Abteilung heute ein Vielfaches der – oft jungen und durchaus kreativen – Angestellten, im Vergleich zur ortsansässigen Lokalredaktion eines Verlages oder Senders auf der gegenüberliegenden Strassenseite.

Warum sie erst jetzt auf diese Idee kommen? Vielleicht aus Angst vor der Unberechenbarkeit ihrer Fans? Die Ultraszenen in Deutschland sind überraschend achtsam. Gegen Rassismus und andere Menschenfeindlichkeiten, aber auch dagegen, kommerziell über den Tisch gezogen zu werden. Von der Tennisbälle-Aktion gegen das kommunikativ desaströs gescheiterte DFL-Investorenmodell bis zum Qatar-WM-Boykott haben sie politische Autonomie gezeigt. Mein Freund Dieter Bott darf mit gutem Recht stolz auf dieses Werk seiner Nachfolger*innen sein.

Wenn die DFL-Mitglieder sich nun endlich selbst medial vermarkten wollen, werden sie darüber auch mit ihren Vereinsfans beraten müssen. Ich bin sicher, dass sie dabei einige mittelschwere Verkehrsunfälle fabrizieren werden. Denn keiner von ihnen hat das trainiert.

Wären sie nicht so langsam im Denken, könnten sie heute alles schon hinter sich haben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net