Wundersame Bahn CCXXII

Die Sensationen häufen sich. In den letzten Wochen höre ich es vermehrt aus dem Freund*inn*e*nkreis und kann es nun bestätigen: planbares Bahnfahren ist möglich! Gut, bestimmte Bedingungen müssen gewährleistet sein. In meinem Fall ein langes, sehr langes Wochenende, bei dem auf keinen Fall am zeitlichen Rand, sondern mittendrin gefahren wird. Wie ich gestern.

Auch an gewöhnlichen Sonntagvormittagen soll es vorkommmen, dass die Bahn (noch) funktioniert. 9 Uhr im Regionalexpress, das ist nicht furchtbar, und es geht. Die meisten drehen sich um diese Zeit nochmal um, wie ich fast jeden Sonntag, wenn ich nicht irgendwohin fahre. Die einzige Störung von Beuel in den Norden von Essen war ein Fahrzeugschaden bei der Essener U-Bahn. Die fahren dort mit Wagenmaterial, das sie in den 80ern/90ern der Londoner U-Bahn abgekauft haben. Für Autofahrer: sehr alte Gebrauchtwagen, kurz vor dem Oldtimer-Status. Das sind dann die Autos, die von Abgas- und anderen Vorschriften befreit sind, und dann so teuer werden, wie eine Eigentumswohnung. Das ist bei U-Bahnen ganz anders geregelt. Irgendwann fahren die halt nicht mehr, und Ersatzteile gibts dann auch keine, ausser, sie werden aus dem Bestand ausgeschlachtet. Ergebnis gestern mittag: 10 Minuten Verspätung – pfft, wenn das alles ist.

Meistens kam die Rache für mich auf der Rückfahrt. Gestern ganz im Gegenteil. In Essen Hbf. erreichte ich zufällig den RE1 mit 40 Minuten Verspätung. Und Überraschung: bis Köln kam keine Minute dazu. RE1 und RE5 fahren schon seit einigen Jahren mit RRX-Wagenmaterial. Nur die eigene Strecke für einen – eines Tages – störungsfreien Betrieb, die wird noch gebaut. Auf der jetzt genutzten Trasse, die vom Fernverkehr mitbenutzt ist, und die zwischen Köln und Düsseldorf ihresgleichen sucht, was die Materialbelastung betrifft, fielen mir gestern Gleichgewichtsstörungen des Fahrzeuges auf. Kurz vor Benrath fragten mich meine Instinkte und mein Nervensystem: fliegen wir gleich von der Schiene? Auf dem Abschnitt zwischen Benrath und Leverkusen, der in der Regel mit höchster Geschwindigkeit durchfahren wird, schien mir der Pilot vorsichtshalber mit gedrosseltem Tempo zu fahren. Es wackelte trotzdem, wenn auch nicht so heftig, wie an der Stelle vor Benrath.

Das war dann aber auch alles. Durch die Verspätung hatte ich in Deutz – besser dort umsteigen, als im Hbf., das erhöht die Chance auf freie Platzwahl! – tadellosen Anschluss zur Mittelrheinbahn nach Bonn. In der funktionierte sogar das Wlan! Nicht zu fassen.

Vor den angemeldeten Unwettern wohlbehalten zuhause. Das Duell der Borussias, der Köln-Tatort und Zeigler erwarteten mich.

Das dicke Ende finden Sie hier. Je nach Filtersetzung und Anordnung werden Sie z.B. auf diese Stelle stossen: “Im gesamten Jahr 2025 kommt es in diversen Nächten zu Einschränkungen auf fast allen Strecken in NRW”. “Nächtlich” heisst bei der Bahn, nur damit Sie das richtig verstehen: ab 21 Uhr! Bemerkenswert auch diese Stelle für unsere ansonsten so schöne Region: “Stellwerkarbeiten mit Einschränkungen zwischen Köln, Bonn und Koblenz; Beginn: 02.05.2025, 21:00; Ende: 19.05.2025, 05:00. Vom 02.05.2025 bis 19.05.2025 finden Stellwerkarbeiten im Raum linker Rhein und Bonn-Bad Godesberg statt. Es kommt zu Haltausfällen, Teil- und kompletten Zugausfällen und Ersatzverkehr (SEV). Zusätzlich kann es zu Verspätungen kommen.” Wie gut, dass ich zum Pendeln zu alt bin. Auf der verlinkten Seite können Sie endlos scrollen. Als ich gestern endlich unten angekommen war, musste ich erkennen, dass acht weitere Seiten folgen sollen. Ich gab auf.

Aber daran sehen Sie: bei der Bahn wird tatsächlich gearbeitet. Was dabei stört, sind wir 😉

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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