Beueler-Extradienst

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Die Tomate und das Grosskapital

Als Kind mochte ich Tomaten. Rot war meine Lieblingsfarbe. Mein Lieblingsgericht – das scheint bei heutigen Kindern immer noch aktuell – war Nudeln mit Tomatensauce. Meine Mutter belästigte mich dabei immer mit Salat. Mit den Jahren merkte ich, wie die meisten Konsument*inn*en, dass die Tomaten an Geschmack verloren. Eilig wurde die Schuld holländischen Treibhäusern zugeschoben. Viele sahen die Lösung in Eigenanbau.
Eine Scheinlösung. Denn die weitere Entwicklung dieser biologischen Art ist uns und den meisten Bäuerinnen und Bauern entzogen. Wie Tomaten heute erzeugt und verarbeitet werden, kriegen wir nicht mit und steht auch nicht im Kleingedruckten auf dem Etikett. Darum ist es verdienstvoll, dass uns der TV-Sender 3sat jetzt darauf aufmerksam macht. Den Film “Rotes Gold – Die Geheimnisse der Tomatenindustrie” von Xavier Deleu und Jean-Baptiste Malet haben Sie nicht gesehen? Macht nichts: hier ist er.
Nicht minder sehenswert die im Anschluss gesendete Dokumentation von Joachim Walther: “Das Geschäft mit der Armut – Wie Lebensmittelkonzerne neue Märkte erobern“. Dieser Film zeigt, wie Konzerne vom Schlage Unilever oder Nestle mit “Basisarbeit” in afrikanischen Slums Märkte für ihre synthetischen Fertigprodukte erobern, und den Menschen frische Produkte abgewöhnen. Diese Strategie wird begünstigt durch die Freihandelsabkommen der EU (EPAs), mit denen die afrikanische Landwirtschaft ruiniert und von unseren Agrokonzernen abhängig gemacht wird. Die Verbrecher*innen – sie sitzen hier bei uns.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Roland Appel

    In irgendeinem Sender – ich glaube es war SWR Fernsehen, kam im Februar ein Bericht über eine süddeutsche Züchterin, einen norddeutschen Dickschädel und weitere “Wahnsinnige”, die Artenvielfalt und Geschmack wesentlich besser schützen, als der Verfassungsschutz das Grundgesetz. Diese Menschen sammeln, züchten und verkaufen Samen von Tomaten, Kartoffeln und Grünkohl und vielen anderen Nutzpflanzen, retten zahlreiche Arten vor dem Aussterben und kutivieren sie. Der Hammer: Ihr Tun ist illegal!! Sie verstoßen nämlich damit gegen Gesetze, von denen ich mir im Jurastudium nicht hätte träumen lassen, dass es sie gibt. Sie können wirklich bestraft werden, für das, was sie tun, denn eigentlich dürfen sie die Samen nicht verkaufen und nur privat verschenken.
    Nur 43 Kartoffelsorten dürfen nämlich in Deutschland angebaut und verkauft werden, darüber wacht (ernsthaft!) eine staatliche Stelle, die dem Landwirtschaftsministerium nachgeordnet ist. Da prüfen und essen Testesser diese Kartoffelsorten und: Der GESCHMACK SPIELT KEINE ROLLE! Der sei nämlich subjektiv, deshalb lassen die alles zu, was sich schön industriell säen, ernten und schälen lässt, schön aussieht, egal, ob es gesund ist, schmeckt oder wie es riecht. Dasselbe gilt für Grünkohl, Tomaten und viele andere Pflanzen, die ohne die Tätigkeit dieser Menschen schon ausgestorben werden, denn es gibt keine Samendokumentationnstelle, die sich um den Artenschutz von Nutzpflanzen kümmert.

  2. Martin Böttger

    Lieber Roland, die Dokumentation, an die Du Dich erinnerst, habe ich auch gesehen. Das war die hier vom NDR:
    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/Verbotenes-Gemuese,sendung511572.html
    In der Tat sehenswert. Darüber hinaus ist hinzuweisen auf einen internationalen “Saatgut-Tresor” der auf Spitzbergen auf Kosten der norwegischen Regierung betrieben wird, hier der Wikipedia-Eintrag:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Svalbard_Global_Seed_Vault
    Hier in der Region, in Bonn und Köln, gibt es gelegentlich Saatgut-Tauschbörsen,
    https://www.slowfood.de/termine/termine_regional/bonner_saatgut_tauschboerse/
    von Slowfood oder Anderen veranstaltet – gar nicht so wenige Suchmaschinentreffer.

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