Von Günter Bannas
Umfragen sind das eine – entscheidend sind Wahlergebnisse. Und nach ihnen haben sich die Grünen in den Städten und erst recht in den Metropolen und Universitätsstädten Deutschlands zur führenden politischen Kraft entwickelt. Die Europawahl zuletzt im Mai war ein Signal erster Güte. In den vier Millionenstädten – Berlin, Hamburg, München, Köln – lagen die Grünen vor Union und SPD. In den meisten Landeshauptstädten schnitten sie besser ab als die Konkurrenten, so auch in Düsseldorf, Kiel, Stuttgart, Mainz, Hannover und Potsdam, und auch in den anderen ostdeutschen Landeshauptstädten hielten sie gut mit. In vielen nordrhein-westfälischen Großstädten lagen sie auf Platz eins, darunter in der früheren Bundeshauptstadt Bonn. In manchen Innenstadtbereichen bekamen sie fast 50 Prozent der Stimmen. Zwar muss das Verhalten der Wähler bei einer Europawahl nicht mit dem bei einer Kommunalwahl übereinstimmen – doch vielerorts, wo am selben Tag beide Wahlen stattfanden, war das der Fall. In Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg und Heidelberg kamen die Grünen bei beiden Wahlen auf Platz eins. Dass die Ergebnisse im Mai kein auf die Europawahl beschränkter „Zufall“ waren, zeigte sich jetzt auch bei den Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern. In Dresden, Leipzig und Potsdam gewannen Grünen-Kandidaten erstmals ihre Wahlkreise.
Die Grünen sind zur deutschen Großstadtpartei schlechthin geworden. Einst war das die SPD. Tempi passati. Auch die vielen CDU-Großstadt-Kommissionen waren erfolglos. Vor ein paar Jahren gelang es der CDU in Köln nicht einmal, einen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl zu finden. Sie schloss sich dem Vorschlag der Grünen an, Henriette Reker zu nominieren, die dann auch die OB-Wahl gewann und im nächsten Jahr wieder antreten will.
Das alles wird Folgen haben. Die Stimmung im Lande wird in den Großstädten geprägt. Das Personal der Parteien wird vor allem in den städtischen Milieus rekrutiert. Dort sind die Parteien den Bürgern am nächsten. Dort gewinnen – oder verlieren – sie politisches Vertrauen, was sich dann bei Landtags- und Bundestagswahlen auswirkt. Im kommenden Februar bei der Bürgerschaftswahl könnten die Grünen auch Hamburg erobern und den Regierungschef stellen. Im Herbst 2021 könnte es auch in Berlin so kommen; dann wird das Abgeordnetenhaus gewählt – und wahrscheinlich am gleichen Tag der Bundestag.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion.
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