Ich gebe zu, ich bin Anhänger des Sports, bei dem eher kleine Männer – leider fährt Suzie Wolff immer noch nicht Formel 1 – circa zweieinhalb Stunden im Kreis fahren. Selten schaue ich Fußball, denn ich bin leidensgeprüfter FC-Fan, ich verstehe sogar die Abseitsregel. Deshalb habe ich von Martin zu diesem Thema Schreibverbot. Aber vielleicht ist heute abend eine Ausnahme. Seit Jahren beobachten wir eine erschreckende Zunahme von rassistischen und fremdenfeindlichen Übergriffen, von geschrieenen Rassismen bis zu Affengebrüll gegen schwarze Spieler. Nicht auszudenken, was Spieler ertragen müssten, die sich als schwul outen.
Die schärfste der Reaktionen bisher war, dass eine Untersuchung angeordnet wurde, nachdem sich die Funktionäre die Spielaufzeichnung mehrfach angesehen hatten. Ja, es gibt Fanbetreuer, ja, es gibt Antirassismusbeauftragte, aber bisher sind die Reaktionen doch eher träge und schwach. Ganz anders heute, als ich nach langer Zeit mal wieder “Sportschau” und ZDF-Sportstudio geschaut habe. Die Sportschau zeigte ein langweiliges 6:0 Bayern gegen Hoffenheim – welch ein Gemetzel … dann etwa zehn Minuten ein paar Plakate auf denen Hoffenheims 96%-Eigentümer Dietmar Hopp, SAP-Milliardär und Mäzen des Vereins als “Hurensohn” beschimpft und der DFB eines “Versprechens gebrochen – gegen Kollektivstrafen” bezichtigt wurde. Eine üble Beleidigung Hopps, keine Frage. Ein Fall fürs Strafrecht.
Aber um welches Versprechen des DFB ging es? Welche Kollektivstrafen gegen wen waren gemeint? Zumindest die Wortwahl lässt mich vermuten, dass es zwar um Beleidigung, aber auch noch etwas anderes ging und das hätte ich gerne verstanden – schließlich bin ich eben kein Profifan oder Fußball-Insider. Stattdessen erlebte ich nur eine allgemeine Wand der Empörung, Solidarität und des Ausnahmezustandes wegen der Beleidigung Hopps. Kein schwarzer Spieler, der in den letzten Jahren von Hooligens beleidigt und gedemütigt wurde, war dem Stadion, den Funktionären und den Medien bisher einen derartigen Aufschrei wert. Ich will nichts unterstellen, aber die Beteiligten redeten um den heißen Brei herum, als handele es sich am Ende um irgendwelche mafiösen Absprachen von Vereinsbossen, die auf keinen Fall das Licht der Öffentlichkeit erblicken dürfen. Und darin waren sie sich alle einig.
Weder die “Sportschau”, noch das “ZDF-Sportstudio”, die ich mir gegen jede Gewohnheit und Vernunft anschließend bis zum bitteren Ende zuführte, verschafften mir irgendwelche Aufklärung über Hintergründe und Zusammenhänge. Das waren angeblich nur völlig irre Idioten, die sich da irgendwas ausgedacht hatten. Für wie blöde hält man mich und viele andere eigentlich? Hatten sich in der Sportschau die Bayern-Funktionäre und Dietmar Hopp in den Armen gelegen, Fußballer in seltener Einigkeit den Ball ohne Spiel hin- und hergeschoben, die Täter als “unerträgliche Unbelehrbare”, “üble Störer” und “Idioten” “Spinner”, und anderweitig abqualifiziert – ohne dass ich auch nur eine Ahnung davon bekam, was die zugegebenermaßen beleidigenden Täter dazu angetrieben haben könnte.
Dasselbe im “Aktuellen Sportstudio”, – sogar der DFB-Präsident war als Gast anwesend, schimpfte über die verbalen Exzesse der schlimmen Täter – nein, die Rassismen und verbalen Entgleisungen gegen Schwarze waren nicht gemeint, sondern die Beleidigungen gegen einen Multimilliardär, der offensichtlich ganz wichtig für den deutschen Fußball ist. Die Rassismen kamen in einem späterem Statement am Rande auch vor – neben der Frauengleichstellung und der Umwelt – so sind die Prioritäten im DFB und im öffentlich-rechtlichen Aufklärungsfernsehen.
Liebe Intendanten und Sportjourmnalist*innen, die Sie von meinen Gebührengeldern gerne leben sollen: Wenn Sie schon gegen meinen Willen – ich bin nämlich für guten, investigativen und aufklärerischen Journalismus – 85% der öffentlichen Gelder in den Fußball pumpen, dann haben Sie bitte wenigstens die Güte, zu sicher unangenehmen, vielleicht unangebrachten, aber doch sicher auch auf irgendeinen Sachverhalt – ich wage ja gar nicht zu vermuten, Mißstand – hinweisenden Beschimpfungen mit 2-3 Worten der Aufklärung der Hintergründe zu reagieren. Wenn ich schon genötigt werden soll, mich einer allgemeinen Empörung anzuschließen, wüßte ich auch gerne, worum es wirklich geht. Das habe ich trotz tapferem Verfolgen von zwei Sportsendungen, die mich normalerweise zutiefst langweilen, nicht ergründen können. Martin Böttger, o Fußballkundiger Aufklärer, hilf Du mir, bitte!
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