Gwisdek – Dresen – Witt
Grosses Gewese wurde dieses Jahr bereits in allen Medien gemacht, weil die DDR vor 30 Jahren von der BRD gefressen wurde. Nicht für alle Ossis war das schlecht. Und nicht wenige haben zumindest meinen eigenen beschränkten Westlerhorizont auf das Angenehmste erweitert. Einer davon war der soeben – am zu vielen Rauchen? – verstorbene Michael Gwisdek. Nicht, dass ich jetzt direkt Fan von ihm war – aber jeder Film, an dem er mitwirkte, wurde durch ihn eher besser, auch wenn nicht wenige billige dabei waren, vor allem nach 1990. Sein Gesamtwerk von über 120 Kino- und TV-Filmen ist unfassbar und nährt den Verdacht auf Arbeitssucht.
Wie bei den Fußballer*inne*n lebt und arbeitet in der kapitalistischen Gegenwart die übergrosse Mehrheit der Schauspieler*innen prekär. Wählerisch sein können sie sich nicht leisten, und müssen darum an Trashwerken mitwirken, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Selbst eine Spitzenkraft, wie Gwisdeks von mir hochverehrte Ex-Frau Corinna Harfouch, muss das. In der Öffentlichkeit bekannt sind nur die wenigen, die “es” mehr oder weniger gut schaffen – die anderen 95% kennen wir nicht. Gwisdek z.B. wäre, hätte er nur von Andreas-Dresen-Filmem leben müssen, verarmt gestorben.
Dresen ist auch so ein Fall, zum Glück noch sehr produktiv lebend und arbeitend. Ihm glückte gestern ein wirklich liebevoller, zärtlicher mündlicher Nachruf, der nebenbei verrät, warum er ein so guter und erfolgreicher Regisseur ist – wählen Sie bei dem Link die Hörfassung, und Sie spüren, dass der ein unfassbar sympathischer Kerl ist. Ich durfte selbst mit ihm vor vielen Jahren ein Kölsch trinken, bei einer Köln-Premiere seines Films “Willenbrock” (nach einem Roman von Christoph Hein), zusammen mit Hauptdarsteller Axel Prahl.
Katharina Witt
Ein ähnlicher, aber auch gänzlich anders gelagerter Fall ist der DDR-Weltstar Katharina Witt. In einer ARTE-Dokumentation von Jobst Knigge von 2019 (ein Monat Mediathek) erfuhr sie eine gerechte Würdigung. Als die “Wende” vollendet war, war sie zarte 25 Jahre alt. Ihr Lebenslauf war zu jenem Zeitpunkt schon ein langer, extremistisch harter Emanzipationskampf, den sie schon als Kind aufnehmen musste. Ihre Sportart Eiskunstlauf war und ist bis heute durchsetzt von Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ihre Duellantin war die berühmt-berüchtigte Trainerin Jutta Müller, die in einer anderen Zeit ähnliche Kämpfe schon hatte durchstehen müssen. Viele, die meisten, Missbraucher*innen haben selbst eine Opfer-Vorgeschichte.
Eine andere Duellantin für Witt war die DDR. Witt hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie sich mit ihr arrangiert hat. Dazu steht sie bis heute, und verweigert so die wessimedienüblichen Schwarz-Weiss-Zeichnungen (darin Gregor Gysi vergleichbar). Und setzt sich dennoch, oder gerade durch die in solchen Konflikten erworbenen Zusatzqualifikationen, in der kapitalistischen Gegenwart durch. So wenig wie Gwisdek lässt sie dabei Zwänge zur Trashproduktion aus.
Ich liebe vieles nicht, was diese Menschen machen – aber mein Respekt davor ist gross.
Das gilt besonders für das Frausein von Frau Witt. Sie hat sich beruflich und ökonomisch zeitlebens dem männlich dominierten Zwang zum Schönsein unterworfen, um diese ihre Leistung, wie beim Kunstlauf, zur Stärke zu verwandeln – den wenigsten Frauen will das gelingen. Allein sich zeitweise von Dieter Dehm managen zu lassen, aber nicht in seine Abhängigkeit zu geraten, und mit 55 so souverän aufzutreten, wie in dem ARTE-Film – ich weiss nicht, wie echt das ist, aber stark ist es. Ein Schritt in Richtung Emanzipation, und insofern vorbildlich.
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