von Jupp Legrand (Otto-Brenner-Stiftung)
+++ Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) analysiert Presseberichterstattung über die Zukunft der Arbeit +++ Welche Botschaften stehen im Mittelpunkt? +++ Welche Probleme werden diskutiert, welche Hoffnungen geweckt? +++ Prozess der Digitalisierung wird wie ein Naturgesetz wahrgenommen +++ politische Gestaltungsansprüche bleiben wenig ambitioniert und seltsam reduziert +++
Die Arbeitsgesellschaft durchlebt seit Jahren einen epochalen Umbruch. Es müssen Antworten auf radikale Neuerungen gesucht und Lösungen für dramatische Veränderungen gefunden werden. Doch an die Zukunft der Arbeit richten die meinungsbildenden Medien in Deutschland nur altbekannte Fragen: Sie berichten über die technischen Veränderungen und beschreiben die digitale Revolution im Horizont der seit 150 Jahren vertrauten Probleme. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Otto Brenner Stiftung, die soeben zum diesjährigen Tag der Arbeit erschienen ist.
Die Autoren haben die Presseberichterstattung von elf deutschen Tages- und Wochenzeitungen analysiert und unter dem Titel „Die Zukunft der Arbeit als öffentliches Thema“ veröffentlicht. Der Untertitel diagnostiziert eine „Presseberichterstattung zwischen Mainstream und blinden Flecken“. Untersucht wurden u. a. „Der Spiegel“ und „Die Zeit“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“, das „Handelsblatt“ und „die Tageszeitung“.
„Sorgenvolle Unausweichlichkeit“ sei der Grundton der Medienberichterstattung, resümiert die Studie. „Stärkerer Konkurrenzdruck zwischen Arbeitsuchenden, wachsende soziale Unsicherheiten für die Beschäftigten, noch schärfere Kontrollen der Arbeitsleistun-gen werden mit einer Unausweichlichkeit beschrieben, als wären die Menschen der Gewalt von Naturgesetzen ausgeliefert.“ Die Digitalisierung werde als eine Sturmflut dargestellt, auf deren Wellen fortschrittliche Unternehmen von Erfolg zu Erfolg surfen, während die langsamen scheitern. Zu den Merkmalen der journalistischen Berichterstattung über die Arbeit der Zukunft gehöre, dass sie den Entscheidungscharakter der bisherigen Veränderungen und der weiteren Entwicklungen verneble und auf diese Weise zu einer Ent-politisierung von Arbeit und Wirtschaft beitrage, kritisieren die Autoren. „Der Gedanke, dass der technische Umbruch selbst das Resultat von Arbeit ist, kommt nicht vor.“
Von dem Fortschrittsoptimismus, der die industrielle Revolution getragen habe, sei in der Berichterstattung über die Digitalisierung wenig zu spüren. „Es gibt Versprechungen interessierter Akteure auf Verbesserungen, aber es herrscht keine öffentliche Zuversicht, dass hier eine gute Entwicklung im Gang ist.“ Der Idee, dass mit den neuen technischen Potenzialen auch eine Befreiung von der Arbeit einhergehen könnte, werde in den untersuchten Zeitungen nicht weiter nachgegangen, stellt das Autorenteam ebenso überrascht wie nüchtern fest.
Pluralistisch werde über Chancen und Risiken informiert, mit dem Akzent auf den Risiken. Dogmatisch werde von einem Primat wirtschaftlicher Effizienz ausgegangen, auf den die Beschreibung der digitalen Technik alternativlos fixiert bleibe. Alle anderen Zwecke, Absichten und Wünsche, wie Vorstellungen von gutem Leben, Interessen der Be-schäftigten, kulturelle Werte und Normen, politische Ambitionen, würden als Variablen behandelt, die sich dem ökonomischen Effizienzanspruch anzupassen hätten.
Die Studie folgt weniger einer medienkritischen Intention als einem gesellschaftspolitischen Interesse. Es ging nicht darum, Unterschiede zwischen den einzelnen Medien zu erforschen, sondern die Grundbotschaften und übergreifenden Erzählungen zur Zukunft der Arbeit herauszufiltern. Die Art und Weise, wie die Zukunft der Arbeit öffentlich betrachtet und beschrieben wird, muss auch öffentlich problematisiert werden. Politische Gestaltungsansprüche sind nur merkwürdig reduziert festzustellen. Dieser Befund ist besonders bedenklich. Selbstentmachtung war noch nie ein Weg in eine bessere Zukunft.
Hans-Jürgen Arlt, Martin Kempe, Sven Osterberg: Die Zukunft der Arbeit als öffentliches Thema. Presseberichterstattung zwischen Mainstream und blinden Flecken. OBS-Arbeitsheft 90; Frankfurt/Main 2017
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