Der neue “heisse Scheiss”? “Female Choice”
So erfuhr ich wenigstens, dass Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo schon mal verheiratet war. Und das kam so. Die Biologin Meike Stoverock hat ein Buch geschrieben, Titel: “Female Choice”. War mir entgangen. DLF-Kultur hat ein Interview mit der Autorin, geführt schon im März, aus dem Archiv nach vorne auf die Startseite gekramt, wo ich es erst gestern entdeckte. Ich bin kein Freund von Biologismus, noch weniger einer tendenziellen Gleichsetzung/Gleichberechtigung von Tier und Mensch. Dennoch erkannte ich in Stoverocks Sichtweise Wirklichkeit.
Bei der Sache zwischen Frauen und Männern gibt es keinen Schalter, auch keinen auf Genen, der nur umgelegt werden muss. Im Kern handelt es sich nicht um Zustände, die eingeführt oder abgeschafft werden können, sondern um soziale Prozesse, Konflikte, auch “Geschlechterkriege”, und im besten Falle um Aushandlungen. Das kann dauern, auch generationenlang. So wie ich das Interview der Autorin verstehe, stellt sie das auch nicht in Abrede.
In ihrem Wikipedia-Eintrag wird Kritik zitiert, die zur Erhellung der Sache beiträgt. Ich bezeuge: “Female Choice” hat es schon auf den Schulhöfen meiner Kindheit gegeben.
Exkurs: damals, Mitte der 70er Jahre konnte mann mit politischem Engagement im “Female Choice”-Ranking weit nach oben aufrücken. Die handgeschriebene Begründung meiner Kriegsdienstverweigerung wurde von der schönsten Frau meiner Schule “mit Maschine” in einreichbare Form gebracht (damals gabs noch ein mündliches gerichtsartiges Prüfverfahren, das ich mit 2:1 Stimmen gewann; der Streit der prüfenden Herren schallte durch die verschlossene Tür auf den Flur). Heute dagegen funktionieren real existierende Jungpolitiker allenfalls noch als Karikatur. Exkurs Ende
Seitdem haben sich die Machtverhältnisse für die Frauen stark verbessert. Das ist noch nicht zuende.
Stoverocks Vorschläge zu den Produktionsverhältnissen von Pornos und anderen sexuellen Dienstleistungen halte ich für konstruktiv, jedenfalls so lange der real existierende Kapitalismus existiert. Es geht um den Schutz derer, die in diesen Branchen arbeiten wollen oder müssen. Der kann nicht auf bessere Zeiten warten. Er ist dringend.
Ob damit das Problem der – oftmals rechtsradikalen – “Incels” lösbar wird, würde ich anzweifeln. Das ist eine spekulative Hoffnung, die auf Einzelfälle anwendbar sein mag, aber politisch und präventiv absolut nicht hinreichend ist.
Tatort (ääh, es war “Polizeiruf 110”) mit “Female Choice”
Im gestrigen “Polizeiruf 110” von Dominik Graf (halbes Jahr Mediathek) wurde das letztgenannte Problem aus anderer Perspektive ausgeleuchtet (Drehbuch & Regie: Männer!). Verzweifelte, verhörende Polizist*inn*en wussten nicht, wie sie den Incel ermittlungstechnisch erlegen können. Eine hochdekorierte Jungschauspielerin, Verena Altenberger, zelebrierte ihren Durchbruch vor einem Massenpublikum (5,5 Mio. gegen die DFB-Elf), was bei mir ein “Wow!” hinterliess. “Female Choice” trug in einem spannenden Kampf den gerechten Sieg davon. Was anderes ist ja bei der ARD – “Experimental-Tatort” – auch verboten.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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