mit Update nachmittags
Mag sein, dass ihn niemand herbeiprophezeien will. Der Extradienst ist klein genug, dass diese Wirksamkeit nicht droht. Ich bereite Sie lieber darauf vor. Am kommenden Sonntag werden alle entgeistert gucken, weil die AfD “Siegerin” der Niedersachsen Wahl sein wird. Es gibt dafür eine lange Latte von Gründen. Keiner davon ist gut.
Bei der Wahl 2017 landeten diese bei “nur” 6,2%. Am Sonntag wird ihnen versprochen zweistellig zu werden. Selbst wenn nicht, werden sie genug Grund zum Besaufen finden. Wie kann es so weit kommen?
Es gibt derzeit keine andere Partei, der eine Mobilisierung “ihrer” Leute gelingt. Im Gegenteil: jede enttäuscht ihren Anhang, und zwar insbesondere seine engagiertesten Teile. Angela Merkel wusste noch, was “asymmetrische Demobilisierung” ist. Die aktuellen Akteur*inne*e*n wissen es scheinbar nicht, sie machen es.
Es gab schon immer genug Doofheit von Konservativen (und nicht wenigen Liberalen) die der deutschen Reaktion einen ideologischen Roten Teppich ausrollten. Die gibt es noch mehr als genug. Aber es gab auch Zeiten, in denen die Konservativen, die direkten Nachbarn der Rechtsreaktionären, noch wussten, was “Sicherheit” ist. Dass starke Kohorten der Wähler*innen*schaft danach verlangen, und die zuverlässig wählen, die das halbwegs glaubhaft versprechen. Diese Tatsache hat sich im deutschen Politikangebot komplett in Luft aufgelöst. Es herrscht ein giftiges Amalgam von Kriegs- und Krisenangst. Kann es besseren Humus für rechtsradikale Angebote geben?
Hinzu kommt die völlige Fehlanzeige linker Systemkritik und Alternativen. Die Linkspartei hat sich durch Selbstbeschäftigung bis hin zur -Auflösung komplett selbst aus dem “Spiel” genommen. Wäre das schön, wenn es nur ein Spiel wäre … Sie verhalten sich so, als wenn. Es ist aber bitterer und lebensgefährlicher Ernst.
Bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr gab es aus der Wahl vier Jahre zuvor die Lehre der Wähler*innen, gegen die Rechten mobilisieren zu müssen. Die Wahlbeteiligung stieg gegen den Trend geringfügig, die AfD-Bundestagsfraktion wurde unzureichend verkleinert. Diese Mobilisierung ist wie weggeblasen. Das darf sich die Ampelkoalition als Arbeits-Zwischenzeugnis zur ihren Papieren nehmen.
Und wenn dieser Text sich am Sonntag als Unsinn erweist, freue ich mich als Erster.
Update nachmittags
Grüne Demobilisierung / Wundersame Bahn CXXVI
Gestern pendelte ich mit der Bahn von Beuel nach Ehrenfeld und zurück. Tadellos. Kein Problem. Für meinen Zug. Abends in Ehrenfeld sah alles wieder nach Zusammenbruch aus – Verspätungen zwischen 30 und 90 Minuten. Nur nicht für den Zug nach Beuel 😉 Danke, danke, danke.
Wenn da nicht die junge Frau im Abteil gewesen wäre, die zwischen Köln und Beuel durchgehend mit jemand telefonierte. Es ging um ihre persönliche Positionierung auf den diversen Apparateebenen ihrer Partei. Den Bezeichnungen ihrer Gremien zufolge kann es eine Sozialdemokratin nicht gewesen sein. Über eine halbe Stunde fiel kein inhaltliches Wort – es ging nur um das Ich. Den Neoliberalismus freut das – solche Leute will er haben. Erst kurz vor Beuel fiel das Wort “Lützerath”, und dass es künstlich zum Symbol aufgeblasen werde. Dem kann ich grundsätzlich folgen. Jürgen Becker hat mal in einer seiner Nummern gefragt: “Waren Sie da mal? – Das kann man doch nur abbaggern.”
An diesem XL-Telefonat hat mich mehr die Themensetzung und die Gedankenwelt erschrocken. Wen soll das anziehen? Oder gar für eine gute Sache mobilisieren? Inhaltlich bedenklicher ist, mal wieder, die Kritik des fachkundigen Kollegen Wolfgang Pomrehn/telepolis: “Habeck: Kampfansage an die Klimaschutz-Bewegung – Die Energie- und Klimawochenschau Teil 1: Von ministeriellen Rechentricks, verheerenden Klimakatastrophen und grünen Geschenken für Black Rock”.
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