von Rainer Bohnet
Schöffe am Amtsgericht Bonn – Zusammenarbeit mit der JVA Rheinbach
Seit rund zwei Jahren bin ich Schöffe beim Amtsgericht Bonn und verurteile Angeklagte zu Haft- oder Geldstrafen. Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit zur Besichtigung der Justizvollzugsanstalt in Rheinbach, in der männliche Straftäter einsitzen. Die Taten, die sie begangen haben, reichen von Mord über Totschlag, schwere Körperverletzung, Raub, Drogenhandel bis zu Wirtschaftsdelikten.
Beim Rundgang durch das Gefängnis fiel mir auf, dass alle Aktivitäten darauf abzielen, die Gefangenen von morgens bis abends zu beschäftigen. Denn Langeweile ist der Feind jeder Resozialisierung. Es wird jede Menge Sport angeboten und in der Werkstatt der Haftanstalt werden handwerkliche Holz- und Metallarbeiten verrichtet. Nachdem ich den Gefängnisleiter fragte, ob auch politische Bildung stattfände, verneinte er dies mit der Begründung, dafür gäbe es keine Ideen und keine personellen Ressourcen. Daraufhin bot ich ihm an, eine Veranstaltung des Bonner Politik-Forums, das ich seit 2006 organisiere, im Rheinbacher Gefängnis zu veranstalten.
Gesagt, getan. Ich fragte den Journalisten Frank Überall, ob er Lust habe, mit einem passenden Thema vor Gefangenen zu sprechen. Er sagte sofort zu und wir verständigten uns auf ein Thema, das Interesse wecken sollte: Die Rolle der Medien bei der Berichterstattung von Verbrechen. Dieses Thema passte zur Justizvollzugsanstalt Rheinbach, weil einer der Geiselnehmer aus Gladbeck dort zeitweise einsaß und die Pressearbeit während der spektakulären Geiselnahme bekanntlich total aus dem Ruder lief.
An der Veranstaltung im Oktober 2015 in der überkonfessionellen Gefängniskirche nahmen neben 15 externen Gästen rund 40 Gefangene teil. Letztere kamen freiwillig und diskutierten kräftig mit. Sie erwähnten mehrfach, dass sie nirgends mal ihre Meinung artikulieren können und deshalb das Forum äußerst positiv empfanden. Es war für alle Beteiligten ein beeindruckender Abend. Er verdeutlichte mir, Gefangenen hinter dicken Mauern, die allesamt Staatsbürger mit Wahlrecht sind, Bildung in politischen Dingen anzudienen.
Im zweiten Gefängnistermin sprach der Medienwissenschaftler Hektor Haarkötter im November 2016 zur Frage, was in die Glotze kommt und wie TV-Leute ticken. Wieder lauschten rund 40 Gefangene nebst 15 Gästen und debattierten auf hohem Niveau über die Qualität des Fernsehens.
Bildung im Gefängnis, was soll das? Eigentlich leicht zu beantworten. Wir schließen Menschen zum Teil jahrelang weg und beschäftigen sie ausschließlich mit körperlichen Aktivitäten. Wenn sie ihre Haftstrafe verbüßt haben, kommen sie in eine Gesellschaft, die sich in rasanter Geschwindigkeit verändert hat, und die sie nur aus der Perspektive des Fernsehapparates kennen. Ich bin nicht so vermessen, meinen bescheidenen Beitrag zu hoch zu bewerten. Aber eine erfolgreiche Resozialisierung von Straftätern ist ein komplexes Problem, das Bildung gut gebrauchen kann.
Übrigens: Am 25. Januar 2018 findet der nächste Gefängnisbesuch statt. Der Streetworker Franco Clemens wird über seine Arbeit in den Problemvierteln in Köln und Düsseldorf berichten. Für externe Gäste sind noch ein Plätze frei.
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