Köln hat es in die taz geschafft – wow
Die Novys sind ein interessanter Clan. Ihre Verwandtschaften kann ich leider nicht entschlüsseln. Beatrix Novy ist noch heute gelegentlich in DLF-Beiträgen zu hören. Früher, als ich noch WDR hörte, habe ich sie dort auch wahrgenommen, meistens beim 2003 beerdigten Kritischen Tagebuch (Ende dieses Jahres: 20. Todestag!). Frau Novy geizte – damals – nicht mit gut begründetem Spott, den ihr der DLF wohl so nicht gestattet. Oder ist es das Alter? Leonhard und Johannes Novy sind augenscheinlich Brüder. Leonhard hat den seit langem stillliegenden Blog Carta nicht wirklich zu neuem Leben erweckt. Schade. Von dem selbstverliebten aber auch rhetorisch quirligen intellektuellen Troubleshooter Lutz Hachmeister hat er das Institut für Medienpolitik übernommen. Ich hoffe sehr, dass es ihm damit nicht ähnlich ergeht.
Sein Bruder Johannes hat nun mit einem taz-Beitrag über die Kölner Stadtpolitik den Spitzenplatz meiner Tagescharts erobert: “Stadtentwicklung in Köln: Die Liste der Possen ist lang – In Köln verzögert sich erneut ein lang ersehntes Museumsprojekt. Einmal mehr zeigt sich, dass in Sachen Stadtentwicklung eine Dauerkrise herrscht.” Es ist ja an sich schon verdienstvoll, in der narzisstisch berlinfixierten taz überhaupt etwas über die grösste Stadt NRWs unterzubringen. Novys Zusammenfassung der Tiefpunkte ist alles in allem gelungen. Klar wohnen hier die meisten Wähler*innen. Aber seit wann soll das in Berlin jemanden interessieren? Da liegt sogar die Ukrainefront schon näher …
Novy würde ich zustimmend um zwei wesentliche Punkte ergänzen. Erstens: Köln hat überaus wirksam seine Hässlichkeit zum markenzeichnenden Alleinstellungsmerkmal entwickelt, darin Wowereits “Arm aber sexy” im Erfolg der begrifflichen Setzung ähnelnd. Persönlich und subjektiv ergänze ich: ich kenne keine Stadt, die in so viel optischer und städtebaulicher Hässlichkeit so schöne, nette Menschen vereint – welch ein Gegensatz zu Berlin!
Das gilt in ähnlicher Weise für meine alte Heimat Ruhrpott (“Woanders is auch scheisse”, “Ist das grün hier!”). Beide, Köln und Ruhrpott, haben – zweitens – ein Medienproblem gemeinsam: sie sind Herrschaftsgebiet eines privaten Medienmonopols. In Köln der “Stadtanzeiger” (DuMont Mediengruppe), im Ruhrpott die WAZ (Funke-Mediengruppe). Beide wurden nie publizistisch offensiv, sondern immer kaufmännisch geführt, und haben ihre Besitzerfamilien zu Milliardären gemacht. Heute vegetieren sie digital hinter ihren Bezahlmauern dahin, und versperren damit den Blick in die von ihnen beherrschten Städte. Keine dieser Städte hat es jemals gewagt, gegen ihren Monopolverleger aufzumucken. So weiss sowohl Deutschland als auch die Welt da draussen mehr über Berlin, Hamburg, München, Frankfurt als über den grössten urbanen Ballungsraum unseres Landes.
Es ist nur begrenzt offen, ob unter heutigen Führungen wirklich innovatices wieder eine Chance erhält. Beide Mediengruppen erhielten eine Bossin: Isabella Neven DuMont in Köln und Julia Becker in Essen. Letztere hat immerhin gegen die reaktionäre Macho-Maschine Mathias Döpfner (Springer) aufgemuckt, und ist aus seinem Verlegerverband ausgetreten. Das hat sie den meisten was-mit-Politik-Nasen in Berlin an Courage voraus. Mit dem kaufmännisch willkommenen Nebeneffekt, aus der Tarifbindung für ihre Beschäftigten zu flüchten.
So provinziell wie ihre Medien sind dann auch die Städte und ihre politischen Führungen. Intellektuelle Verarmung der Stadtgesellschaften führt direkt zu dem, was in Köln und im Ruhrpott heute zu sehen ist. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden – danke Johannes Novy.
Gestern auch nicht schlecht
Ein echter in hiesigen Medien weitgehend unbeachteter Hammer aus Dänemark. In den von Detlev Buck produzierten Spots für den NDR “Das Beste am Norden” gibt es einen wunderbaren mit Bjarne Mädel. Er hockt auf einem Grenzstein und hinter ihm fuchtelt ein penetrant kichernder Dänen-Darsteller rum. Mädel sagt: “Nach Umfragen sind die Dänen das glücklichste Volk auf der ganzen Welt … wir sind da ganz nah dran!” Vielleicht hat er also mitbekommen, was David Goeßmmann/telepolis berichtet: “Journalistin sagt, ukrainischer Geheimdienst versuchte, sie zur Propagandistin zu machen – Das ukrainische Verteidigungsministerium beendete die Akkreditierung der dänischen Reporterin Kimer. Der Vorwurf: Russische Propaganda. Vor allem, was darauf folgte, ist schockierend, beklagt nicht nur die Betroffene.” Das kann mann wohl sagen …
Aufs unschönste korrespondiert damit diese Geheimdienstschnurre von Frank Stier/overton: “Russland fahndet nach Bellingcat-CEO Christo Grozev – Keiner weiß warum, auch die russische Botschafterin in Bulgarien nicht, wo Grozev, der Geschäftsführer von Bellingcat, auch skeptisch gesehen wird.” Bei overton haben sie wohl Stress mit ihrem Publikum, wie Redakteur Roberto De Lapuente schreibt: “Die Meinung der Anderen – Die folgenden Zeilen ergehen in eigener Sache. Wobei bei genauer Betrachtung stimmt das eigentlich nicht: Es geht um mehr als dieses Magazin hier.” Ich dagegen kann nicht klagen. Mann macht es ja freiwillig, und wenns keinen Spass mehr macht, einfach aufhören. Ich jedenfalls.
Exquisit informativ: Mark Engeler/telepolis: “Pakistan: Der riskante Kurs von Imran Khan – 2023 ist Wahljahr in der Nuklearmacht. Der frühere Premier wagt es im Wahlkampf, die Rolle der Armee zu kritisieren. Aber er ist auch Teil des Problems.” Ein Nachbarland des Iran übrigens.
Treffend, mir fast schon zu cool sachlich angesichts des Kontrastes zwischen kriminell-kapitalistischer Energie versus dem Schicksal hunderttausender ihre Existenz verlierender arbeitender Menschen, die Analyse von Jonas Junak/Jacobin: “Das Ende der Kaufhäuser – Kaufhäuser wie Galeria Kaufhof oder Karstadt waren einst Mittelpunkte städtischen Lebens. Nun stehen sie vor der Insolvenz. Für die Beschäftigten der Ruin, für René Benko ein Reibach.” Irgendeine dieser Supderduper-“Investigativ”-Redaktionen muss doch endlich mal recherchieren, wessen Geld dieser Benko da all die Jahre wäscht. Der Spiegel behauptet in seiner Paywall, er sei da dran (“wütender Benko am Telefon”), hat aber bislang nicht geliefert.
Dieses Thema wird behandelt, wie eine durchs Dorf getriebene Sau, alle Jahre wieder, aber Peter Nowak/telepolis sieht es richtig: “Böller-Exzesse: Patriarchatskritik statt Ethnisierung! – Debatte um Böllerverbot könnte Dauerthema um Silvester werden. Rechte, die ein Verbot ablehnen, schieben das Fehlverhalten auf Migranten. Dabei fällt vor allem der übergroße Männeranteil auf. Hinzu kommt ein Klassenaspekt.”
Sebastian Köhler/telepolis kritisiert die hier im Extradienst dokumentierte Studie “Medienberichterstattung über Ukrainekrieg”, etwas spät und darum recht bemüht: “Ukraine-Konflikt und deutsche Leitmedien: Vielfalt und Ausgewogenheit in der Kriegsberichterstattung? – Große Medien-Studie deutet auf eine gewisse leitmediale Einseitigkeit. ARD-Tagesschau erscheint eher als meinungsstarker ‘Flak-Kreuzer’, denn als ‘Nachrichten-Flaggschiff’.” Am Ende bedauert er nur, dass die Forscher*innen seine Meinung nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht haben. Ich stehe auf dem Standpunkt: dahin schaffen es die Leser*innen auch selbst.
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