Was ist eine völkerrechtswidrige Aggression? – Gedanken dazu, wie Schröder, Scholz und Putin Völkerrecht interpretieren und was das Grundgesetz von uns verlangt
Herr Warweg hat auf den NDS die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage eines AFD-Abgeordneten zur Bewertung der Völkerrechtswidrigkeit von Kriegen kommentiert. Leser haben sich zu Wort gemeldet. Nachdem ich alles gelesen hatte, die Frage, die Antwort, die Einschätzung von Warweg, die veröffentlichten Zuschriften, meldete sich meine bürokratische wortklauberische „Zivilisation“ und meine Neugier.
Dass die Bundesregierung keine lange Abhandlung zu liefern gedachte, lag auf der Hand, aber wer diese Antwort schrieb (und wer das Ganze auch noch absegnete), hätte besser dreimal nachgedacht. Möglicherweise wurde sich darauf verlassen, dass sich niemand außer ein bisschen Opposition und ein paar „aktivistischen Medien“ und deren Leser (das wären die NDS im westlichen Sprachgebrauch, wenn sie nicht unglücklicherweise in Deutschland beheimatet wären) mit der Antwort beschäftigen würden, was in doppelter Hinsicht ziemlich einfältig ist.
Nehmen wir den ersten Halbsatz der Antwort: „Die Bundesregierung führt völkerrechtliche Bewertungen internationaler bewaffneter Konflikte nur aus jeweils aktuellem Anlass durch, …“ Was sagt uns das? Nur jeweilige „aktuelle Anlässe“ führen zu aktuellen Bewertungen.
So sollte es sein.
Churchills Chemiewaffen 1919 – vergessen
Der völkerrechtswidrige Einsatz von Chemiewaffen durch die Briten (verantwortlich damals: Churchill) beispielsweise 1919, ist über 100 Jahre her, also definitiv nicht aktuell. Dieses Verbrechen, das den allgemeinen Grundsätzen der Haager Landkriegsordnung von 1899 widersprach, scheint fast gar nicht passiert, da die allermeisten davon nichts wissen. Und Churchill meinte damals, solche Waffen wären „barmherziger“ als Artilleriefeuer. Zudem waren die damals so Vergifteten „rote Russen“, der Rest der Giftbomben landete wetterbedingt im Weißen Meer und verrottet seither dort, so wie NordStream in der Ostsee.
Den Terroranschlag auf die NordStream-Pipelines wiederum könnte man fast für einen „aktuellen Anlass“ halten. Schließlich hatte der EU-Chefdiplomat von einem „gezielten Anschlag“ auf ein „europäisches Infrastrukturprojekt“ gesprochen, der völlig „inakzeptabel“ wäre und „robuste, gemeinschaftliche“ Konsequenzen angedroht. Allerdings war das schon im September 2022.
Nuland’s Gratifying
Dass nun Frau Nuland im US-Senat namens der US-Regierung ihre Genugtuung/Freude („gratifying“) zum Ausdruck brachte (Austausch zwischen Senator Cruz und Nuland ab 1:41:41), dass NordStream “nur noch ein Haufen Schrott ist, auf dem Boden der Ostsee“, scheint wiederum kein „aktueller Anlass“ zu sein, denn sonst hätte das Auswärtige Amt oder der deutsche Bundeskanzler oder die ganze EU ja wohl einen Piep gesagt. Jede einzelne Talkshow im deutschen Mainstream, die etwas auf sich hält, hätte unter Zuhilfenahme jeder Menge expertischer Expertise diesen kurzen Moment ganz unverhüllter offizieller US-Freude seziert.
So aber gilt: Die Totenruhe soll man nicht stören.
Sind nun internationale bewaffnete Konflikte (Anm.: Staaten vermeiden seit dem Zweiten Weltkrieg in der Regel eine förmliche Kriegserklärung) „aktuelle Anlässe“? Man sollte es meinen, jedenfalls dann, wenn die Weltpresse Notiz nimmt und die deutsche und internationale Politik kommentiert.
Wir wollen ja nicht annehmen, dass die Bundesregierung immer erst redet und dann denkt. Anm.: Bei einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung ist das durchaus möglich und aktuell durchaus schon fast ein Koalitionsmerkmal. Aber das nur am Rande.
Um eine politische Linie zu finden, braucht es eine Bewertung: Wer kämpft gegen wen und warum? Welche Interessen sind im Spiel? Wird Völkerrecht gebrochen? Gibt es sonstige Konfliktparteien? Was sagen die EU- und die NATO-Partner, was sagt der Sicherheitsrat, falls er etwas sagt?
Anm.: Die Sichtweise der Staatenmehrheit spielt politisch im Westen eher eine nachrangige Rolle, es sei denn, diese Staatenmehrheit stimmt dem zu, was die EU bzw. die NATO erklären. Tut sie das nicht, muss sie durch bessere Informationen aufgeklärt und erzogen werden, wie etwa im Fall der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Bis dato ist dieses Projekt allerdings im „globalen Süden“ gescheitert. Der braucht weiter Nachhilfe durch die EU-„Konquistadoren“ (in Spanisch), die in diesen Zeiten eine neue Welt erfinden müssen, ohne Landkarte usw.
Kein Anspruch auf Vollständigkeit
Springen wir nunmehr zum letzten Satz der offiziellen Antwort aus dem AA:
„Dies (Anm.: eine inhaltliche Antwort) würde den für den zur Beantwortung einer Schriftlichen Frage zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen überschreiten und darüber hinaus keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben.“
Dieser Satz suggeriert, dass es seit 1991 weltweit so viele völkerrechtswidrige Kriege/Konflikte gab, dass das AA völlig überfordert wäre, nun alles in der kurzen Antwortfrist (7 Tage) zusammenzutragen. Dann wäre es immer noch nicht vollständig.
Politisch wird allerdings gesagt: Weil ich nicht vollständig antworten kann (oder will), antworte ich gar nicht.
Man spürt regelrecht, wie gerne der/die Verfasser/in die Frage so wie eine Frage zu NordStream beantwortet hätte. Da wären Begriffe wie Staatswohl, schützenswerte Interessen Dritter und Geheimhaltung nur so aus der Feder geflutscht. So aber machte man Zeitmangel geltend und das viele Schlimme. Es gab so viele schlimme, völkerrechtswidrigen Konflikte/Kriege und wer weiß, ob man sie alle auf dem Schirm hat, und dann ist das Parlament vielleicht beleidigt, wenn man einen vergisst.
Das ist ein ernsthafter Einwand, denn unwillkürlich fragt man sich, wie viele Konflikte/Kriege völkerrechtswidriger Natur es seit 1991 gab, die möglicherweise völlig dem öffentlichen Radar entgingen, wenn schon das AA die Flügel strecken muss und nicht weiß, ob es „vollständig“ antworten könnte.
Irakkrieg, Kosovokrieg
Wer möchte schon dem AA nicht zu Erfüllendes auferlegen in dieser schwierigen Zeit in Zeiten der Zeitenwende? Daher könnte man die Antwort auch als Einladung verstehen, doch bitte präziser nachzufragen, wie zum Beispiel:
Hat die Bundesregierung eine Beurteilung vorgenommen, ob es sich beim Irak-Krieg um einen völkerrechtswidrigen Krieg handelte?
Wie war ihre Beurteilung in Sachen Kosovo-Krieg (Krieg gegen Serbien)?
Bei dem einen Krieg hat Deutschland ein bisschen mitgemacht, beim anderen trieb sie angeblich die Pflicht, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.
Zu beiden Kriegen sollte sich doch was finden, was das AA innerhalb von sieben Tagen ohne größeren Aufwand liefern könnte.
Mit ein bisschen rücksichtsvollem Fragegespür ließe sich die Informationsherausgabe etwas strecken, Krieg für Krieg, der politisch interessiert, abarbeiten. Ganz ohne Überforderung des AA könnte man so im Zeitverlauf auch etwas über die deutschen völkerrechtlichen Beurteilungen zu Syrien, Libyen und Jemen erfahren. Nach der gleichen Logik werden in den USA Dokumente nach öffentlichen Informationsersuchen freigegeben – nicht alles in einem Schwung, sondern peu à peu, das, was mit einem vertretbaren Verwaltungs-Aufwand geleistet werden kann.
Allerdings: Wieviel Arbeitsaufwand ist nötig, um beispielsweise herauszufinden, ob es in der Bundesrepublik Deutschland eine offizielle Bewertung zur Völkerrechtwidrigkeit des Irak-Krieges gab/gibt?
2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts 2005
Meine Suche dauerte keine sieben Werktage. Allerdings muss man schon ein bisschen wühlen, denn der Vorgang stammt aus dem Jahr 2003, das Urteil aus dem Jahr 2005, die mich interessierende völkerrechtliche Würdigung des Falls wurde jedoch erst im Jahr 2013 veröffentlicht. Sie ist nicht ganz so einfach zu finden, und ich stieß auf die Schnelle auch nur auf eine mediale Kommentierung.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2005 den Fall eines Bundeswehrangehörigen, Major Florian Pfaff, bei dem es im Kern um die Frage ging, ob sich der Betreffende zu Recht auf Gewissensgründe berief, weil er sich nicht an einer militärischen Mission beteiligen wollte, die er als indirekte Unterstützung des Irak-Krieges ansah, mit dem Argument, der Krieg gegen den Irak sei völkerrechtwidrig.
Das Bundesverwaltungsgericht zu Leipzig urteilte 2005 zugunsten des Soldaten. In den Leitsätzen 6 und 7 und in der ausführlichen Darlegung der Entscheidungsgründe arbeitete es sehr genau heraus, dass gegen diesen Krieg „schwerwiegende“ völkerrechtliche Bedenken bestanden und bestehen und dass auch eine NATO-Mitgliedschaft und vermeintliche Bündnistreue die Bundesrepublik Deutschland nicht aus der überragenden Bindung an die UN-Charta befreien, die im Grundgesetz niedergelegt ist.
Man sollte doch meinen, dass AA kennt dieses Urteil. Es hätte also – theoretisch – dem Abgeordneten mitteilen können, das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahr 2005 usw. entschieden. Aber das konnte es nicht. Denn das hätte das Problem der politischen Gefolgschaft Deutschlands in diesem Krieg aufs Tapet gebracht. Deutschland gehörte zwar nicht zur Koalition der „Willigen“, die direkt militärisch angriffen, aber wir waren auch nicht ganz außen vor. Es hätte weiterhin möglicherweise eine Diskussion provoziert, welche völkerrechtliche Bindung sich aus Art 1 des NATO-Statuts ergibt. Es verpflichtet die NATO und ihre Mitglieder ebenfalls auf die UN-Charta und auf das dort geltende Prinzip der friedlichen Streitbeilegung.
Wie ist es politisch und wie rechtlich zu bewerten, wenn die NATO und in ihrem Rahmen Deutschland dieser Pflicht nicht nachkommt? Immerhin, und auch darüber traf das Bundesverwaltungsgericht Leipzig Aussagen, bindet das GG (Art 25) jeden einzelnen Bürger an das Völkerrecht und auch alle Institutionen.
Angesichts der Leichtigkeit, mit der die Bundesaußenministerin quasi nebenbei und in Englisch feststellte, wir seien im Krieg mit Russland, ist das keine theoretische Frage.
Anmerkung:
Für den Fall, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen oder der deutsche Film nach einer Geschichte sucht, wie sie üblicherweise in Hollywood produziert wird (Einzelner verweigert den Befehl aus Gewissensgründen und wird so nicht mitschuldig) – Es ist die Geschichte des deutschen Katholiken und Bundeswehrangehörigen Pfaff.
Noch vertrackter ist die Lage in Sachen NATO-Angriff auf Serbien (sogenannter Kosovo-Krieg). Der liegt zwar schon lange zurück, aber der angebliche Kriegsgrund spielte auf der gemeinsamen Pressekonferenz Scholz-Putin am 15. Februar 2022 in Moskau eine höchst aktuelle Rolle. Scholz stellte fest, Krieg in Europa sei für seine Generation unvorstellbar geworden. Putin erinnerte Scholz daraufhin daran, dass die NATO 1999 einen Krieg gegen Serbien geführt habe. Scholz erklärte dazu, dass die Lage damals etwas anders gewesen sei. „Es gab die Gefahr eines Völkermordes, und das musste verhindert werden“. Das wiederum kommentierte Putin mit dem Hinweis, dass aus russischer Sicht im Donbass ein Genozid stattfinde.
“Es begann mit einer Lüge” (ARD/WDR 2001)
2001 strahlte die ARD einen Bericht zu diesem Krieg aus. Der Titel „Es begann mit einer Lüge“. Gleich zu Beginn kommen Beauftragte der OSZE zu Wort. Den behaupteten drohenden Völkermord habe es nicht gegeben. Der Vorteil der ARD-Produktion besteht darin, dass er politische Aussagen der damals handelnden Personen festhält, darunter des damaligen Bundeskanzlers. Schröder sprach damals unter anderem von einer drohenden humanitären Katastrophe und erklärte: „Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen“.
Diese ARD-Sendung führte zu einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag, mit heftigen Debatten. Die Regierungsbank blieb frei.
2014 äußerte sich Ex-Kanzler-Schröder erneut zum NATO-Einsatz gegen Serbien und verwies darauf, dass es kein UN-Sicherheitsratsmandat gegeben hätte. Auch er habe gegen das Völkerrecht verstoßen. Deshalb sei er vorsichtig, mit erhobenem Zeigefinger auf andere zu zeigen. Da diese Aussagen jedoch im Kontext der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim fielen, war es ein leichtes, sie propagandistisch in die Schublade Schröderscher Putin-Treue einzuordnen.
2016: Revision des deutschen Völkerstrafgesetzbuches
Nun fand allerdings im Jahr 2016 eine Revision des deutschen Völkerstrafgesetzbuches statt. Dazu erschien ein Artikel bei der Humanistischen Union 1/2017, verfasst von einem ehemaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht. Die Überschrift lautete: „Der unerfüllte Verfassungsauftrag des Artikels 26 Absatz 1 Grundgesetz“.
Mit der damaligen Revision wurde in Deutschland ein Straftatbestand des „Aggressionsverbrechens“ geschaffen. Die sieben völkerrechtlichen Aggressionstatbestände wurden nicht ins deutsche Recht übernommen, aus Gründen der Übersichtlichkeit. Aber dank Art 25 GG, der in diesem Land scheinbar einem großen Teil der Allgemeinheit (Politiker, Medien, Bürger) nicht bekannt zu sein scheint, obwohl dieser alles und jeden einzelnen in die Pflicht nimmt, sich völkerrechtskonform zu verhalten, sind sie dennoch rechtliche Normative.
Die Hauptkritik des Autors richtete sich gegen die Entscheidung, im Gesetz zwischen „Angriffskrieg“ und sonstigen „Angriffshandlungen“ zu trennen und ausdrücklich „humanitäre Intervention“ und die präventive „Selbstverteidigung“ aus dem Geltungsbereich des Gesetzes auszunehmen.
Es ist erhellend, seine diesbezüglichen Aussagen unter Punkt d des Artikels genau zu lesen. Denn er diskutiert sehr genau die Möglichkeiten und Grenzen des Artikels 51 UN-Charta. Es gibt keinen Freibrief für den Einsatz militärischer Gewalt zugunsten von im Heimatland drangsalierter schutzbedürftiger Minderheiten. (Auch deren diplomatische Anerkennung, wie im Fall der zwei Donbass-Republiken, macht sie noch lange nicht zu UN-Mitgliedern.)
Diese kritische Würdigung der neuen deutschen Gesetzgebung führt zur Frage, warum die Bundesrepublik Deutschland einerseits Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine – zutreffend – als völkerrechtswidrig einstuft, sich aber andererseits in der Frage des völkerrechtswidrigen Angriffs auf Serbien den Persilschein ausstellte.
Im bereits erwähnten Interview mit Schröder 2014 lagerte aber weiteres Dynamit. Schröder sagte nicht nur, er habe das Völkerrecht gebrochen und Helmut Schmidt hätte das damals kritisiert, da es keinen UN-Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte. „Formal,” so Schröder, stimmte das auch. Aber er stünde „trotzdem dazu“ (gemeint war der Kriegseinsatz), denn er hätte noch die damaligen Flüchtlingsströme vor Augen.
So wie Russland 2022 das Sterben im Donbass vor Augen hatte?
In einer „regelbasierten Ordnung“, die man sich selbst gibt, findet sich immer eine vermeintlich moralische oder gar politische Legitimation. Im Völkerrecht gibt es sie nicht. Die unentwegte Verurteilung der russischen Aggression gegen die Ukraine ist zwar richtig. Sie wird aber zur Heuchelei, weil die Verurteilenden Repräsentanten von Staaten sind, die das Völkerrecht ebenfalls brachen und dafür immer gute Gründe (er)fanden. Der Beste von allen war George W. Bush, der handelte – nebst Lügen – in göttlichem Auftrag.
Das alles kann natürlich das AA weder für das Parlament noch für die deutsche Öffentlichkeit aufschreiben. Schließlich kommt die aktuelle oberste AA-Chefin „vom Völkerrecht“, und die hopst zuweilen ganz niedlich, jedenfalls aber immer unerschrocken im regelbasierten Korsett im globalen Porzellanladen herum und wenn was zu Bruch geht, war es eben nicht so gemeint. Oder bösartige Menschen haben alles nur ganz bösartig falsch verstehen wollen.
Denn sie ist, so sagt auch ihr Vorname, sonnengleich, anmutig, liebreizend, begnadet.
Gemessen an ihren Vorgängern im vereinigten Deutschland, mit Ausnahme von Westerwelle (Sohn des Waldes), waren deren Vornamen maskulin-überlegen: gnädiger Herrscher des Volkes (Genscher), eine Mixtur aus Sieg und Volk (Kinkel), der Wunsch, Gott möge vermehren, gepaart mit dem Krieger (Fischer), tapfer und frei (zweimal Steinmeier), ein Mischmasch zwischen Sieg und berühmt (Gabriel) und der Herr im Haus/ Hausherr (Maas).
Das sagt eigentlich fast alles über die Zeit der Zeitenwende.
Aber Zeitenwende ist nicht in allem. Die Überzeugung, mit der Schröder, aber auch Scholz, von der drohenden humanitären Katastrophe im Kosovo redeten – wo kam die her? Aus den Bildern und Berichten von Medien, aus Geheimdienst- und militärischen Informationen?
Man glaubt ja so gerne, dass „die da oben“ mehr wissen. Ist das so?
Eine jüngste Veröffentlichung von Grayzone vom Dezember 2022 legt nahe, dass vieles von dem, was wir glauben, über die Balkan-Kriege seit 1992 zu wissen, das Ergebnis von Propaganda ist. In Kanada wurden jedenfalls militärische Lageberichte aus den Jahren 1992/95 bekannt. Laut Grayzone unterschieden sich die militärischen Einschätzungen der Lage vor Ort fundamental von dem, was öffentlich behauptet wurde. Grayzone schlussfolgerte:
“Es ist eine Geschichte von Black Ops der CIA, buchstäblich explosiven Provokationen, illegalen Waffenlieferungen, importierten dschihadistischen Kämpfern, potenziellen False Flags und inszenierten Gräueltaten.“
Die kanadischen Originaldokumente liegen in acht Bänden vor. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis einer/eine sie ganz detailliert bewerten wird. Das wiederum darf man vom AA nicht erwarten, denn von einem „aktuellen Anlass“ kann keine Rede sein.
Macht der Bilder
Die erwähnte ARD-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“ erinnerte allerdings auch daran, dass der damalige NATO-Sprecher Shea große Sorgen hatte. Denn der propagandistische Erfolg und die Quasi-Legitimation des NATO-Krieges hingen schon damals von den Bildern ab, die die Welt sah. Der barmte wegen der serbischen Bilder. Denn Shea war ein Profi und verstand: Mehr als jeder Text es je könnte, verstören Bilder, rütteln das Menschliche in uns wach, führen zu Entsetzen, Wut, und dem verzweifelten Willen, etwas zu tun, um auf der richtigen Seite zu stehen. Dort, wo die Menschlichkeit zu Hause ist.
UN-Institutionen, gemeinnützige Vereinigungen, national und international, nutzen ebenfalls diesen Effekt. Sie tun es, damit wir gemeinsam die Welt ein bisschen besser machen. Wer kann beispielsweise angesichts eines verhungernden Kindes im Jemen, nur noch Haut und Knochen, gleichgültig bleiben? Aber diese Organisationen erzählen wahre Geschichten.
Das ist zu unterscheiden von einer konzertierten Aktion von Politik und Medien. Dann geht es nicht um Werte, um menschliches Leiden und dessen Milderung. Es geht nur darum, dass wir gezielt den auserwählten Feind hassen, das wir kriegsbereit werden, darum, dass das Beste, unser Menschsein, in die Irre geführt wird. Wir sollen glauben, nicht wissen.
Wie die Aussagen von Schröder (2014) und Scholz (2022) zum NATO-Einsatz gegen Serbien zeigten oder die Sprachlosigkeit des AA (2022) in besagter Antwort, funktioniert das auch. Nicht nur bei Tante Lotte und Onkel Arthur von nebenan. Denn alle hatten/haben Zugang zu mehr Informationen als Otto-Normalverbraucher. Und was haben sie damit gemacht?
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehmigung. Zwischenüberschriften und einige Links wurden nachträglich eingefügt.
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