“Black Earth Rising” ist hypnotisch stark
Ich hatte Ihnen die Perle schon empfohlen. Nun habe ich sie auch vollständig gesehen. Und bin noch etwas benommen. Aus konditionellen Gründen – ich bin 66 – habe ich für die 8 Folgen drei Etappen benötigt. Meine Benommenheit hat tiefe politische Gründe.
Die Weltstar-Qualitäten von Michaela Coel hatten schon die Black-Panther-Produzent*inn*en aus Hollywood erspäht. Dort wurde sie als Liebespartnerin der Essenerin Florence Kasumba besetzt. Als heterosexuell orientierter alter weisser Mann kann ich mir eine schönere Frau kaum vorstellen. Coels wahres Leben – ihr richtiger Name ist Michaela Ewuraba Boakye-Collinson – war bislang kaum weniger aufregend, als im Film. Obwohl nee, das ist selbstverständlich nicht vergleichbar. Aber es wäre ein tauglicher Plot für einen eigenen Film über schwarzes Leben im UK.
Der Mastermind dieses Kunstwerkes ist Hugo Blick. Regie, Drehbuch, Produzent – ein bisschen wie Til Schweiger? Hoffentlich nicht. Sein Werk unterscheidet sich wohltuend. Blick versteht offenbar sehr viel von Filmkunst. Und Martin Phipps mehr von origineller Filmmusik als das gesamte deutsche TV-Filmwesen. Was nicht nur diese Disziplin betrifft, sind “uns” “die” bekloppten Brit*inn*en weit überlegen. Mehr Details über die Produktion hier bei “Drama Republic”, ein passender Name.
Die Story muss ich nicht nacherzählen. Lesen Sie die bei ARTE im Begleittext zu den 8 Folgen. Und bedenken Sie, dass sie nur bis 25.5. verfügbar sind.
Woher nun die gewaltige Wirkung auf mich? Da ist auf der einen Seite die hochklassige Qualität aller Filmgewerke. Nach den meisten Filmen kann ich danach problemlos ein Eis essen oder Biertrinken gehen. Hier dagegen macht mich mein Unwissen wehrlos. Es ist hier begründet: so wenig wie über die Sahelzone, wurden und werden wir in Deutschland über Ruanda informiert. Die Serie bekommt so eine überwältigende Kraft als Information, die ihr als Fiktion, die sich zweifellos eng an wahren Geschichten orientiert, gar nicht zukommt, im Gegenteil ihre künstlerische Freiheit einschränkt.
Wer eigene Einschätzungen darauf bauen will, muss anerkennen, was diese Produktion auch unverblümt mitpräsentiert: die USA, UK, Frankreich – und alle andern – verfolgen jeweils eigene Interessen, mal sind sie vereinbar, und mal geraten sie in Konflikt. Dumm nur, wenn ca. eine Million Menschen dadurch ihr Leben verliert.
“Black Earth Rising” leistet einen beeindruckenden Beitrag zur eigenen Urteilsbildung. Aber es kann sie nicht ersetzen. Verpassen Sies nicht – wir wissen sooo wenig!
Die lineare Ausstrahlung der Folgen 5-8 läuft Donnerstag auf ARTE ab 22.25 h vier Stunden am Stück.
Update am Morgen: zum Vergleich, wie wenig wir über den Sudan wissen – und warum.
Letzte Kommentare