Die Gründerin des parteiähnlichen Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ hat Ende vergangener Woche im thüringischen Altenburg einen Satz gesagt, der nicht in Vergessenheit geraten wird. Besonders in der sogenannten „neuen Rechten“ wird der zur Kenntnis genommen worden sein. Nach Angaben der TAZ (Wochenendausgabe der TAZ, Seite fünf letzte Spalte) sagte sie mit Blick auf die Parteien in Deutschland: “Wir werden nie Teil dieses Sumpfes sein.” Wagenknecht benutzte ein Wort, auf das in den vergangenen Jahren, sieht man die Bundestagsprotokolle sorgfältig durch, AfD-Repräsentantinnen und Repräsentanten abonniert waren: Herr Brandner beispielsweise, Frau Weigel, Herr Chrupalla und andere. Sie alle bemühten „den Sumpf“, um ihr Verhältnis zum Land in dem sie leben und seinen „Systemparteien“ zu beschreiben.
Der Sumpf – das ist eigentlich ein Nutzen bringendes Ökosystem. Der diesem Ökosystem eigene Morast, die Nässe, die mit dem Sumpf verbundene Gefahr des Versinkens, haben aber bereits vor vielen Jahrzehnten Leute veranlasst, den Sumpf im übertragenen Sinn zu nutzen. Oswald Spengler schrieb 1924 in seinem Buch „Neubau des deutschen Reiches“ ein Kapitel über den „Sumpf“, den deutschen Sumpf. Da heißt es über die damaligen Parteien: „Sie waren Schwärme von Parasiten am Körper des Reiches, und das Volk, der deutsche Michel, politisch ohne jede Schulung geblieben, sah belustigt dem Zweikampf zwischen Ministern und Parteiführern zu, mit der durch jenen Mangel an Schulung bedingten Sympathie für grundsätzliche Opposition, ohne zu bemerken, daß es sich um sein eignes Schicksal handle. So erhielt diese Schicht eine Tradition des Verneinens und ein Prinzip der Auslese, das einen immer minderwertigeren Nachwuchs lieferte, und dieser vergiftete nun im Sozialismus die Arbeiterschaft durch das Gerede, daß Klassenkampf wichtiger sei als große Politik, im Liberalismus den Mittelstand mit der Ansicht, daß Wirtschaftspolitik wichtiger sei als diese, im Zentrum die Katholiken mit der Gewöhnung, der großen Politik wie einer fremden Angelegenheit die Mittel nur gegen die Befriedigung von Parteiansprüchen zu bewilligen.“
Die erwähnte neue Rechte hat Spengler genau studiert, den Mann, der sich eine Vernichtung der Weimarer Republik durch Krieg wünschte, der gleichzeitig die Nazis ablehnte, sowie deren Rassenwahn. Spengler war Antidemokrat. Sein Hauptwerk „Der Untergang des Abendlands“ hat, wenn ich mich nicht irre, seit 1990 neun Auflagen gehabt. Es war während der Jahre der Weimarer Republik das meistgelesene Sachbuch.
Und nun kommt die schlaue Gründerin mit dem Sumpf um die Ecke. Zufall? Vielleicht ging ihr Brechts Stück „die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin“ durch den Kopf, in welchem ein von Mücken verseuchter Sumpf eine große Rolle spielt. Vielleicht hat sie aber auch eine Parteivorstellung im Kopf, die immer noch vom Leninismus geprägt ist; eine Vorstellung, die sich in den mageren Sätzen auf den vier Seiten des BSW- Gründungsdokuments nicht findet. Das Glasnost-Archiv zitiert Wagenknecht aus den Weißenseer Blättern: “ … sämtliche Gegenentwürfe zur Leninschen Konzeption (hatten) sich eigentlich bereits in den Jahren 1917 bis 1920 als nicht besonders zweckdienlich erwiesen.“ Wagenknechts Text erschien unter der Überschrift: „Marxismus und Opportunismus – Kämpfe in der Sozialistischen Bewegung gestern und heute“. Der Text aus dem Jahr 1992 liefert auch einen Hinweis auf Wagenknechts Einstellung zum Krieg Russlands gegen die Ukraine. Sie schrieb: „Mit der Entspannungspolitik wurde die Krise des Sozialismus eingeleitet, sein Untergang vorbereitet.“ Schließlich: „Nicht der ‘Stalinismus’ – der Opportunismus erweist sich als tödlich für die gewesene sozialistische Gesellschaftsordnung; nicht die marxistisch-leninistische Traditionslinie scheiterte, sondern wiederum und zum unzähligen Male die des alten Trade-Unionismus, die Bernsteins und Kautskys, die der reformistischen Sozialdemokratie.“
Worte sind Brücken. Im beschriebenen Fall hat Wagenknechts eine Brücke zu denen geschlagen, die der repräsentativen Demokratie das Wasser langsam abgraben wollen. Deswegen wird der Satz auch nicht in Vergessenheit geraten.
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