Wo sie nicht nur sind, sondern auch tun
“Verfasssungsfeinde” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, im Umkehrschluss also ein Produkt politischer PR, ein Kampfbegriff. Er wurde in den 70er Jahren erfunden, als die 16 Ministerpräsident*inn*en, davon 3 nur Bürgermeister, und Bundeskanzler Willy Brandt, dessen Heiligsprechung durch seine Genoss*inn*en seitdem offenblieb, den sog. “Radikalenerlass” erliessen, von Anfang bis Ende ein verfassungsrechtlich umstrittenes Unterfangen. Wer oder was verfassungswidrig, sei, das zu beurteilen oblag allein dem Bundesverfassungsgericht. Feinderklärungen dagegen waren und sind freihändig möglich, jederzeit und gegen jede*r*frau*mann.
Ich selbst gehörte 1978-82 als Vertreter der Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDS) dem regelmässig in Hamburg an der Aussenalster tagenden “Komitee gegen die Berufsverbote” an. Zentraler Organisator war der Hamburger Horst Bethge. Es war immer eine schöne Dienstreise mit D-Zügen, später auch ICs, die ich meistens gemeinsam mit Georg Hundt absolvierte, damals Vertreter der Jungdemokraten im Komitee, später Gründungschef der ersten Fahrradtiefgarage am Hbf. Münster. Der Fussweg von und zum Hbf. führte uns regelmässig an Udo Lindenbergs “Wohnung” im Hotel Atlantic vorbei. Die politische Zusammenarbeit mit Georg in diesem Komitee war so gut – und die Bahn funktionierte auch – dass ich mich heute noch gerne an den ganzen getriebenen Aufwand zurückerinnere.
Wie kommichdrauf? Verfassungsfeinde – Ministerpräsidenten. Mehr dazu weiter unten.
Zunächst das Positive
Zwei sehr unterschiedliche Publizisten verteidigen Verfassung und Bürger*innen*rechte.
Da ist zum einen die menschgewordene sprechende Denkfabrik Albrecht v. Lucke/Blätter: “Deutschland unregierbar, von Thüringen bis Berlin?”. Nicht selten bin ich anderer Meinung, aber dieses Mal habe ich keinen “Fehler” gefunden. Seine Analyse des strategischen “Dilemmas des BSW” halte ich sogar für besonders gelungen.
Der Andere ist der pensionierte Kommunalbeamte aus dem Ruhrgebiet Wilhelm Neurohr/Lokalkompass: “Verdrängt das Migrationsthema die soziale Frage? – Der Irrweg der demokratischen Parteien nach den Trugschlüssen aus den jüngsten Wahldesastern”. Während dieses Handwerk einst in den Blättern von Luckes intensiv gepflegt wurde, scheint mir die materialistisch fundiertere Analyse in diesem Fall die von Neurohr zu sein. Bei diesem fleissigen Kerl ist die deutsche Rente jedenfalls besonders gut angelegt. Danke.
Diese zwei stehen stellvertretend für die politischen und publizistischen Kräfte, die unsere Verfassung im Sinne des Wortes schützen.
Die Behörde, die diese Begrifflichkeit in ihrem Namen führt, war dagegen damals (s.o.) schon damit beschäftigt (und weitgehend ausgelastet), ausgesuchte Linke verschiedenster Parteien und Organisationen daran zu hindern, ihre im Grundgesetz verankerten Rechte wahrzunehmen. Dabei schreckte sie, die Behörde, vor keiner Grundrechtsverletzung zurück. Mir fehlt bis heute der Glaube, dass sich das gebessert hat. Denn die Behörde ist ein Geheimdienst – sie legt der Öffentlichkeit zwar jährlich einen “Bericht”, aber keine Rechenschaft ab.
Wie kommichdrauf?
Das aktuelle Verfassungsgerichtsurteil zum BKA
Die Bundesregierung (ebenso die Länderregierungen) und das für Gesetzgebung zuständige Parlament schreiben in geradezu penetranter Lässigkeit regelmässig verfassungswidrige Gesetze, und zwar für ebendiese Un-Sicherheitsbehörden. Nun haben sie sich fast schon provokant wieder vom Gericht erwischen lassen: beim BKA-Gesetz.
Die fachkundige Constanze Kurz/netzpolitik berichtet: “BKA-Gesetz erneut in Teilen verfassungswidrig – Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und kassiert Teile des BKA-Gesetzes: Die Regelungen zur weitgehenden Bevorratung von Daten in der Polizeidatenbank INPOL sind teilweise verfassungswidrig. Künftig darf das BKA auch nicht mehr heimlich bloße Kontaktpersonen überwachen.”
Gehen Sie als gesetzestreue*r Bürger*in davon aus, dass das, was hier verboten wurde, schon lange praktiziert wurde und wird. Das macht die Wirksamkeit dieser Verfassungsfeind*inn*e*n aus.
Und falls Sie es übersehen wollen, hindere ich Sie hiermit daran: zwei der siegreichen Verfassungs-Kläger*innen sind Fussballfanaktivisten, politische Enkel von Extradienst-Autor Dieter Bott, Urenkel somit von Theodor W. Adorno.
Und nun noch mal zu den MPs
Die 16 Ministerpräsident*inn*en, davon drei nur Bürgermeister, haben jüngst im AfD-Ähnlichkeitswettbewerb ein weiteres Mal die Axt an unsere, die öffentlichen Medien angelegt. Da haben sie mehr auf publizistische Showeffekte als auf inhaltliche Substanz geachtet, ganz, wie wir uns schon während der Coronapandemie an sie gewöhnt hatten. Mit ein bisschen Recherchieren, wofür MPs gewöhnlich eine nicht sehr kleine “Staatskanzlei” haben, ermittelte die Kollegin Annika Schneider/uebermedien: “Geplante Reform von ARD und ZDF führt nicht zu kurzfristigen Einsparungen” (noch eine Woche mit Paywall).
Dä.
Nutzen der Medien vor ihrer Massakrierung durch die Verfassungsfeinde
Die ARD wiederholt alte Perlen.
Nachmittags (16 h), wenn Oma und Opa von ihren Kindern vor der Glotze geparkt sind, wiederholt sie die erstklassigen ersten drei Staffeln von “Mord mit Aussicht”. Nun schon 16 Jahre alt sind sie ihrer Kopie (Staffel 4 ff.) um exakt all diese vielen Jahre vorzuziehen.
Morgen Nacht startet auf dem Killerziel One (ARD) endlich die 5. Staffel der österreichischen “Vorstadtweiber”, danach auch in der Mediathek zu erwarten. Dieses prophetische Gesamtkunstwerk nahm die Verkommenheit der österreichischen Republik vorweg. Nichts ist überraschend, alles war und ist vorhersehbar.
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