Der elektronischen Patientenakte ePA  zu widersprechen hatte ich angeregt, nur was ist mit Kindern?

Wenn seitens der Eltern oder Erziehungsberechtigten nichts getan wird, sind die Kinder automatisch erfasst und die Kinderärzte sogar verpflichtet, in die ePA auch hochsensible Daten einzupflegen. Der Bundesverband die Kinderärzte (BVKJ) sieht eine Vielzahl von ungeklärten Fragen, auf die seitens der Politik nichts geantwortet wurde.

Was passiert beispielsweise, wenn ein Elternteil der ePA für die Kinder widerspricht? Der Partner sich nicht äußert, sei es aus Desinteresse oder Willkür?

Wie verhält es sich bei Neugeborenen? Zu dem Zeitpunkt haben die Eltern naturgemäß andere Dinge im Kopf, als die ePA – die dennoch vollautomatisch angelegt wird. Käme nach der Geburt der Pfarrer, wollte eine Zwangstaufe durchführen und eine Beitrittserklärung von den Eltern unterschreiben lassen, wäre der Widerspruch kein Problem, das ist zwar dreist, aber offensichtlich und keine Heimtücke.

Vor allem: Kinder werden auch älter, haben irgendwann Anliegen, die den Eltern verborgen bleiben sollen, sei es eine Verhütungsberatung oder ein Gespräch über die sexuelle Orientierung. Die Erziehungsberechtigten haben den vollen Zugriff auf die ePA. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte  (BVKJ)  spricht sich für ein Opt-In-Modell aus, „da Minderjährige keine Verantwortung für spätere Nachteile übernehmen können. Abrechnungs- und Diagnosedaten der Versicherten müssten von den Krankenkassen so in die ePA eingestellt werden, dass sie ausschließlich vom Versicherten selbst eingesehen und erst bei Bedarf anderen behandelnden Personen zur Verfügung gestellt werden können.

Eine weitere Forderung lautet: „Des Weiteren müssten die Krankenkassen ihre Versicherten sachgerechter und sehr viel umfangreicher als bisher über die ePA aufklären.“ Das fordert auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen denn  „Die Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Mitglieder umfassend, transparent, verständlich und barrierefrei über die ePA zu informieren.“ und dieser Pflicht kämen die Kassen nicht nach, sie würden einseitig über die Vorteile informieren aber „Wichtige und teils umstrittene Aspekte, beispielsweise des Datenschutzes, werden nicht angesprochen. Auch lassen die betrachteten Krankenkassen weitgehend außen vor, dass zu Beginn der Einführung nur ein kleiner Teil der angekündigten Anwendungen verfügbar sein wird. Das betrifft beispielsweise den elektronischen Impfpass.“ Nur in einem Kassenschreiben wurde überhaupt erwähnt, dass die ePA leer sein wird, Diagnosen, Befunde, Medikationen erst später hinzukämen. Keine der Kassen erwähnt, dass der Widerspruch auch telefonisch gegeben werden kann, sondern verweisen auf ihre Internetseiten, teilweise mit QR-Code und persönlichem Zugangscode, andere behaupten, der Widerspruch sei nur auf dem Postweg möglich (dann aber bitte mit dem Link aus „Die ePA kommt…„). Wer die Details möchte, hier das PDF dazu:

Für den Bundesverband Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (BDPM) e.V. warnt Dr. Christian Messer „Dass 90 Tage alle Mitarbeitenden in Praxen die gesamte ePA der Patientinnen und Patienten lesen können und drei Tage alle Mitarbeitenden in Apotheken, steht so auf keinem mir bekannten Anschreiben der Kassen an ihre Versicherten. Das findet man nur im Internet ganz unten im Kleingedruckten. Mit diesem Wissen würde sicherlich ein großer Anteil der Bevölkerung die ePA verweigern.“ – alle  Details hier und sagt an anderer Stelle „Schweigen wird zur Zustimmung. Das ist neu. Schlimmer noch, die Debatte darüber wird tabuisiert. Zu groß ist die Gier nach Daten und Geld“, und führt weiter aus, man rede sich im Bundesgesundheitsministerium bezüglich der zu hebenden Datenschätze in Rauschzustände und „Was interessiert denn schon HIV, Drogenkonsum, Depression, wenn man mit diesen Daten mehr Geld verdienen kann?

Auf die Ärztinnen und Ärzte kommt insgesamt erheblich mehr Arbeit zu, weil ein weiteres nicht praxiskompatibles System hinzukommt, ohne einen finanziellen Ausgleich. Patienten müssen detailliert über die Widerspruchsrechte beim Opt-out informiert werden und gleichzeitig aufgeklärt werden, wie die Befüllung mit Daten in der ePA abläuft und welche Konsequenzen, Vor- und Nachteile es haben kann.

Außerdem konnte die Software der Praxisverwaltungssysteme nicht vollständig angepasst werden, weil die Testumgebungen zu spät oder gar nicht zur Verfügung standen und stehen – oder wie Heise zur ePA schreibt: Ab Januar “dunkelgrüne Schrumpelbananensoftware“ 

Wer immer noch nicht sicher ist, ob er für sich und – falls vorhanden – seinen Kindern der ePA widersprechen soll oder nicht, der findet unter „Die ePA kommt…“ eine sanfte Anregung in feinster Dampfhammerprosa.

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)