Ich weiß, Leute, ich weiß: Ihr könnt’s nicht mehr hören, das allgegenwärtige Gerede von „Schuldenbremse“ und „Sondervermögen“. Ihr seid der Meinung, diese Art zu denken ist unzumutbar, und die Art, diesen Quatsch auch noch zu verbreiten, ist unerträglich. Aber Ihr Bürgerinnen und Bürger müsst auch mal den massiven Problemdruck auf den Schultern der Verantwortlichen wahrnehmen: Tagtäglich für die Menschen draußen im Land Tatkraft zu simulieren und Ängste zu schüren, das ist eine große Herausforderung, und bedenkt, Leute, Politiker sind gelegentlich sogar gezwungen, unerwartet auftretende Glaubwürdigkeitslücken mit kostspieligen Versprechungen zu stopfen. Das ist bei Gott nicht leicht! Wir wissen doch alle, wie aussichtslos es ist, mit wenig Verstand große Probleme zu lösen. Und sehen Sie sich nur den Herrn Dobrindt an – der war mal ein einzigartiger Verkehrsminister, heute hat er die Aufgabe, seinen Kollegen Merz etwas besser aussehen zu lassen, wenn er neben ihm am Mikrofon steht. Da kann er nur scheitern, Leute, und ich appelliere an Euer Mitleid! Ja, es ist hart, aber in der Politik kommt man schnell ans Limit und sogar weit darüber hinaus!

Wir alle müssen Verständnis aufbringen und Vertrauen. Ob es sinnvoller für Deutschland ist, gegen Putin zu rüsten oder doch sicherheitshalber lieber gegen Trump, diese Entscheidung von tragischer Dimension kann kaum ein Politikwissenschaftler im Fernsehen fällen, das kann nur ein Profipolitiker. Offen bleibt: Wenn Deutschland den Rüstungswettlauf so stark wie möglich eskaliert, wer Bitteschön, wer gibt uns dann die Garantie, dass Deutschland wirklich den Russen totrüstet und nicht sich selbst…? Ich hoffe, Frau Esken ist Garantin für unsere körperliche Unversehrtheit. Und Herr Klingbeil bürgt für unseren Sieg.

Es ist ja so: Die Bundeswehr wurde nicht gegründet, um die Bundesrepublik zu schützen. Aber die Bundesrepublik wurde gegründet, um bei Gelegenheit Russland ordentlich eins überzubraten. Das hatte schon Deutschlands erster Bundeskanzler Konrad Adenauer so verfügt, weil er wusste „Asien steht an der Elbe“. Und jetzt versichert uns Jens Spahn, Allround-Experte und ausgebildeter Spökenkieker der CDU, dass „der Russe vor der Tür steht“. Und ein Sozialdemokrat, der den Russen durch’s Fenster auch gesehen hat, verlangt einen Befreiungsschlag, um unsere Fesseln zu lösen. Jens Spahn aber stellt seine Bundestagskollegen vor die Wahl: Reinlassen oder russisch lernen. Als dritte Möglichkeit empfiehlt er: Russophobie akzeptieren und Rüstungshysterie ins Grundgesetz schreiben. Warum? Ist doch klar: Wir können uns zwar darauf verlassen, dass die Rüstungsausgaben der europäischen NATO-Mitglieder – die Rüstungsausgaben der USA also nicht mitgerechnet – größer sind als der gesamte Staatshaushalt Russlands, weil die Tagesschau das gemeldet hat, aber es reicht nicht, dass wir jetzt schon ein stattliches Übergewicht bei nahezu allen Waffensystemen und eine qualitativ wie quantitativ hohe Überlegenheit in jeglicher Kriegstechnik besitzen. Denn wir wissen ja gar nicht, ob wir immer genügend Fachpersonal zur Verfügung haben, und ob unsere Waffen in den entscheidenden Momenten auch zuverlässig funktionieren. Also, da müssen wir noch ‘ne Schippe drauflegen! Vielleicht die Hälfte der Mütterrente? Jens befürwortet das. Er hat Ahnung, weil er lange in Krankenhäusern gearbeitet hat …

Ein weiteres großes Problem: Es gibt Leute, die wollen die Infrastrukturinvestitionen von der Verteidigung trennen. Diese Abweichler haben natürlich nicht das gesamte System im Blick – trotzdem muss die Frage intensiv zwischen allen Flügeln diskutiert werden. Wenigstens herrscht weitgehender Konsens, dass die Bereitschaft, mehr für die Verteidigung unseres Landes zu tun, nicht dagegen ausgespielt werden darf, dass Schienen und Netze auf Vordermann gebracht werden. Ich sage ganz ehrlich, ich sehe größte Erfolgsaussichten darin, erst das Land auf Hochglanz zu polieren und die Infrastruktur picobello zu perfektionieren, und dann unseren Feinden zu signalisieren: So, jetzt könnt ihr die ganze Herrlichkeit wieder kaputt bomben, wenn ihr könnt. Zur allgemeinen Ermunterung der politischen Klasse und ihrer wehrtüchtigen Bevölkerung würde ich gern einige Fotos zeigen von den städtebaulichen Maßnahmen zwischen 1941 und 1945. Da kann man mal sehen: Und jedem Anfang steckt ein Zauber von Trümmerfrauen inne.

Am wichtigsten ist also, schnellstens zu entscheiden, dass die Bundeswehr eine Art Blankoscheck erhält, um sicherzustellen, dass die Wehrpflichtigen alles kaufen können, was für Fun in der Truppe sorgt und ein maximales Chillen ermöglicht. Das finden dann – wenn ihnen im Gegenzug Zugeständnisse in der Klimapolitik gemacht werden – auch die Grünen gut, weil es ihnen wichtig ist, vor allem den nächsten, ganz großen Krieg vorzubereiten und nicht nur den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Ich kann das verstehen – was ist das in der Ukraine auch für ein Krieg, in dem 200 Drohnen einen Angriff fliegen, und dann melden die Medien drei Verletzte und einen toten Hausmeister, der vor Schreck die Treppe runter gefallen ist… Ein richtiger Krieg mit über 40 000 Toten wie die Operation Gomorrha in Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 – das ist ein einmaliges Erlebnis, das ich den Grünen von Herzen gönne, sowas wirkt enorm meinungsbildend…

Allen Querulanten sei gesagt: Die Ukraine ist die letzte Festung der Freiheit! In der Ukraine verteidigt Pistorius Europas Freiheit genauso tapfer wie es in grauer Vorzeit unser famoser Kriegsminister Peter Struck am Hindukusch getan hat. Jeder weiß: Wenn die Ukraine untergeht, fällt ganz Europa in Putins Mörderhände! Deutschlands einzige Hoffnung ist die Tatsache, dass Putin rund drei Jahre brauchte, um den Donbas zu besetzen – und das auch nur mit Unterstützung durch Zeitarbeiter aus Nordkorea. Da werden also noch einige Tage vergehen, bis er Lissabon oder Narvik belagert…

Trotzdem: Die Verteidigungsfähigkeit Europas darf „kein Preisschild haben“, sagen mahnend die militärischen Fachleute. Na, das ist ja wohl selbstverständlich. Preisschilder kleben wir nur an die Sozialeinrichtungen, die Schulen, die Kultur, und natürlich an die Supermarktkassen. Irgendwie muss man eben eine Prioritätenliste erstellen, und da halten wir uns dann an Marie Antoinette: Wer keine Wohnung mieten kann, soll eben ein Häuschen bauen.

Und sonst? Alles gut? Ich möchte sagen: Ja! Sicher gibt es Leute, die Herrn Merz für einen schnöseligen Widerling halten, aber sein Neokonservatismus, der wirtschafts- und sozialpolitisch traditionell Bewährtes durchsetzen will, beinhaltet auch ein tiefes Verständnis für Unternehmer. Kein Herz aber hat Herr Merz für Leute, die auf niedrigstem Niveau vegetieren und dann nicht mal Lust auf Arbeit haben. Kein Wunder, dass die Erwähnung des Wortes „Mindestlohn“ bei ihm regelmäßig eine schwere Gastritis auslöst. Man kann ihn nur bewundern, wie er trotzdem immer wieder den Kampf gegen Rassismus und Nationalismus aufnimmt, und wie er unverdrossen die Zuwanderer als Hauptfeinde ins Visier rückt. (Sehr gut, wenn Herr Merz seine wegweisenden Reden vor allem im Münchner Löwenbräukeller hält! Das war ab 1940 der Lieblings- Auftrittsort des Führers für die Jahrestage des sogenannten „Hitler-Putsches“. Auch so können Brandmauern zu Fall gebracht werden…)

Dass Herr Merz ein ausgesprochener Womanizer ist, weiß man: Immer wieder schafft er in den Vorständen von deutschen industrie-Unternehmen Platz für afghanische Frauen, und sehr gern würde er eigenhändig verhindern, dass immer mehr Kinder im Mittelmeer ertrinken, aber dafür hat er keine Zeit, weil er ja verhindern muss, dass der §218 abgeschafft wird, denn das ist für ihn ein entscheidender Aspekt seiner christdemokratischen Moral.

Neben all diesen großen Problemen fallen die Schwierigkeiten, die die Bundesrepublik mit ihrer Kolonie Höckeland hat, also mit Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, kaum ins Gewicht. Die reinrassig weißen Menschen dort, ein Volk von Intelligenzlern, das Hitler für einen Kommunisten hält, ist beseelt von politischer Anhänglichkeit an eine Alternative für Deutschland. Die Menschen sind überaus geschichtsbewusst, und wenn sie alle einen Tesla erhalten, werden sie keine Schwierigkeiten machen.

Was uns bleibt ist, in Ruhe abzuwarten, ob wir Antworten erhalten auf die globalen Krisen, also Kriege, Klimawandel, Pandemien, Hunger, sozioökonomische Ungleichheiten sowie die unkontrollierte Macht ständig wachsender IT-Konzerne. Bleiben die Antworten aus, haben wir immer noch unsere KI. Die gibt uns zeitgemäße wichtige Zukunftsimpulse auf einer angemessenen ethisch vernünftigen Basis.
Eventuell sich auftuende Finanzlücken werden gestopft durch Einsparungen bei der Ministerialbürokratie – das kündigte jedenfalls der CDU-Generalsekretär Linnemann an: „Die Menschen erwarten von uns, dass wir bei uns selbst anfangen“, betonte er. Gut. Das wäre ein Anfang, da kommt Hoffnung auf.

Um eine Frage muss sich unser führendes Personal zum Glück keinen Kopf machen: Kann die Jugend, die ja für das kommende schuldenfinanzierte Sondervermögen samt steigenden Zinsen aufkommen muss, kann die Jugend diese Schulden stemmen? Niemand weiß es. Es ist auch egal, denn zu entscheiden hat sie zum Glück sowieso nichts.

„Ich kann mit dem Kompromiss gut leben“, sagte ein SPD-Abgeordneter nach einem Koalitionsgespräch mit der CDU. In diesen Kreisen ist man anspruchslos, aber optimistisch.

Also Leute, ich verspreche Euch: Durch den wirtschaftlichen Einbruch und die allgemeine Deindustrialisierung wird sich das Klima Deutschlands vermutlich ganz prächtig erholen. Und schon bald werden wir die Luft aus unseren Fahrradreifen ganz entspannt einatmen können. Also freut Euch, liebe Leute: Vielleicht wird Vater Staat schon sehr bald mit gewohnter Energie eine Wohlstandsbremse für uns installieren.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung. Einige Links wurden nachträglich eingefügt.

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