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Nachschau zum SPD Parteitag

von Helmut Lorscheid

Ich mag eigentlich keine Parteitage besuchen, insbesondere nicht wenn man als Journalist von den Delegierten hermetisch abgeriegelt wird und nur mit ihnen reden kann, wenn Sie selbst aus ihrer Abgeschiedenheit ausbrechen, um was zu essen oder im Gegenteil.
Im WCCB hatten sich die Genossen sehr gut abgeschirmt. Aber auch irgendwie verständlich, schließlich werden seltene Pflanzen oder aussterbende Tierarten auch besonders geschützt.

Ich habe nicht alle Diskussionsbeiträge aufmerksam verfolgt, hatte aber den Eindruck, dass – je weniger die Delegierten von der SPD als ihren direkten Arbeitgeber oder von ihr als Mehrheitsbeschaffer für ihren Job als Minister, Ministerpräsident oder Abgeordneter waren, je eher sprachen und stimmten sie gegen die Groko. Alle ja wirklich alle prominenten Funktionsträger waren plötzlich dafür – auch Thorsten Schäfer-Gümbel und Ralf Stegner. Ich habe beide bisher für selbstständig denkende Menschen gehalten. Wie man sich täuschen kann…

Jedenfalls waren insgesamt 600 Delegierte geladen, anwesend waren 597 Delegierte und 45 Parteivorstandsmitglieder. Alle Stimmberechtigt. Wenn ich das richtig verstanden habe also 645 Stimmberechtigte. Abgestimmt haben 642, von denen mit ja 362, mit Nein 279, bei einer Enthaltung. Also beträgt die Differenz zwischen Ja und Nein 82 Stimmen. Zieht man die 45 Bundesvorstandsmitglieder ab, bleiben 37 Stimmen. Also gab es eine Mehrheit von nur 37 Stimmen unter den „einfachen“ Delegierten.
Das ist recht übersichtlich. Mal gespannt, wie erfolgreich die Werbekampagne der Jusos ist, jetzt in die SPD einzutreten, um bei der Mitgliederbefragung mit Nein zu stimmen.

Dann wäre der Weg frei für eine Minderheitsregierung und vielleicht würde ja Angela Merkel der tatsächlich nicht als Kanzlerin vorstehen mögen. Das wäre doch was – dann würde tatsächlich das Parlament die Regierung kontrollieren und eine jeweilige Parlamentsmehrheit die Politik bestimmen. Oder es gäbe Neuwahlen – auch das ist in anderen Demokratien nichts ungewöhnliches.

2 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Für Leser*innen möchte ich vorausschicken, dass der Autor und ich, als wir uns kennenlernten, Juso (er) und Jungdemokrat (ich) waren – gemeinsam zogen wir hierzulande gegen die deutsche Unterstützung für das südafrikanische Apartheidregime in die Auseinandersetzung – unser grösster politischer Erfolg.
    Nun zu Dir Helmut: “das Parlament” auf dessen Regierungskontrolle Du Dich so freust – “Das wäre doch was” – ist rechts. Oder wie würdest Du eine Mehrheit aus, von rechts nach links AFD/FDP/CSU/CDU bezeichnen?
    Oder Neuwahlen “nichts ungewöhnliches”. Hast Du irgendwelche strategischen Ideen deutscher Linker wahrgenommen, wie diese Mehrheit geändert werden könnte?
    Die “Sammlungsbewegung” aus dem saarländischen Wohnzimmer scheint nach meiner Wahrnehmung die eigene Partei eher zur spaltenden Masturbation zu veranlassen und zu demobilisieren – die zählt aus meiner Sicht nicht dazu.

    • Helmut Lorscheid

      Das Parlament besteht aus 700 Abgeordneten, die man bisher nie richtig los gelassen hat. Immer herrschte Fraktionszwang. Was in der Konsequenz so aussah, dass ein noch so vernünftiger Antrag von der Opposition abgelehnt und oft nach einer gewissen Schamfrist unter Änderung einiger Worte von der Regierungsseite wieder eingebracht und angenommen wurde. Das ist zwar grober Unfug, wird aber als Parlamentsgepflogenheit akzeptiert. Ja warum eigentlich?
      Das könnte bei einer Minderheitsregierung anders ausschauen. Die Mehrheiten, die für Jamaika oder schwarz/rot benötigt wurden, sind ja weiterhin vorhanden. Warum sollte es nicht Anträge geben können, die eine Mehrheit quer Beet finden? Auch bei der FDP gibt es paar vernünftige Ideen, die sie gemeinsam mit SPD, Grüne und Linken umgesetzt werden könnten. Es müsste ermöglicht werden mehr Gruppenanträge zu stellen, so wie es bisher in ganz seltenen Fällen gehandhabt wird.
      Sicher wird es auch Gesetze und Anträge geben, die eine rechte Mehrheit finden. Davor schützt uns aber auch eine Regierung unter Beteiligung der SPD nicht. Selbst rot-grün hat einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien geführt. Welches Verbrechen ist größer als Kriege zu führen?
      Im Moment rollen deutsche Panzer (in türkischem Besitz) gegen die Kurden in Syrien. Unterstützt wird dieser völkerrechtlich verbotene Angriffskrieg durch deutsche Aufklärungsflugzeuge. Und ich gehe davon aus, dass die Panzervon den deutschen Herstellerfirmen gewartet werden.
      Ich habe nicht den Eindruck als würde das meine Mitbürgerinnen und Mitbürger besonders stören und von der SPD habe ich dagegen noch nichts gehört oder gelesen. Auch im Jemen sind deutsche Waffen im Einsatz, besonders auf saudischer Seite. Helmut Lorscheid

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