von Rainer Bohnet

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), eine technische Aufsichtsbehörde im Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministeriums, erstellt derzeit einen Lärmaktionsplan Schiene, der insbesondere für Bonn eine große Bedeutung hat. Denn durch Bonn und das Rheintal verlaufen zwei der höchst belasteten Eisenbahnstrecken Europas, die zum transeuropäischen Güterverkehrskorridor zwischen den ARA-Häfen (Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) und Genua am Mittelmeer gehören.

Nach der Inbetriebnahme der ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln – Rhein/Main wurden auf der Linken Rheinstrecke zwischen Köln und Mainz etliche Zugtrassen frei, die jetzt durch Güterzüge genutzt werden. Meistens handelt es sich um internationale Güterzüge, die aus den Niederlanden bzw. Belgien oder aus dem Raum Duisburg/Oberhausen und aus Hamburg bzw. Bremen kommen und Ziele in Süddeutschland, der Schweiz und Italien ansteuern. Ein wichtiger Güterverkehrsknotenpunkt ist der Container-Bahnhof Köln Eifeltor, der größte seiner Art in Deutschland.

Die Rechte Rheinstrecke zwischen Köln und Wiesbaden ist traditionell sehr stark durch Güterzüge belegt. Auf dem rechtsrheinischen Kölner Stadtgebiet liegen die beiden Rangierbahnhöfe Gremberg und Köln-Kalk Nord und im Süden der Republik liegen die Zielbahnhöfe Würzburg, Nürnberg und Passau bzw. verschienene Destinationen in Österreich.

Fordern Sie Ihren Lärmschutz

Alle Bürgerinnen und Bürger haben derzeit die Möglichkeit, ihre Betroffenheit durch den Bahnlärm auf einem Internetportal des Eisenbahn-Bundesamtes zu dokumentieren. Nach Abschluss der ersten Phase erstellt das EBA den Lärmaktionsplan Schiene mit konkreten Verbesserungsvorschlägen, der dann mit den zuständigen staatlichen Stellen (Bundesverkehrsministerium, Landesverkehrsministerien, Bundesnetzagentur) und mit der DB Netz AG, dem Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG, erörtert wird. Das Ziel des Lärmaktionsplans Schiene sind aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen wie die Umrüstung von Bremssystemen an den Zügen oder der Bau von Schallschutzwänden oder -mauern sowie der Einbau von schallgeschützten Fenstern in den Häusern der Anwohner*innen.

Unabhängig von den Belastungen durch Güterzüge ist es natürlich wichtig darauf hinzuweisen, dass der Schienengüterverkehr volkswirtschaftlich eine große Bedeutung hat. Denn er versorgt Industriebetriebe mit Rohstoffen, transportiert neue Autos in Auslieferungslager. Und in Containern werden Fertigprodukte aller Art zu den Kunden verbracht, die wir in Supermärkten und Kaufhäusern erwerben können. Und schließlich ist die Schiene immer noch umweltfreundlicher als der Lkw. Seine größte Schwachstelle ist allerdings der Lärm, der in vielen Kommunen entlang des Rheins zu Akzeptanzverlusten führt.

Güterverkehr hat Innovationen verschlafen

Während Züge im Personenverkehr seit Jahrzehnten bereits mit Scheibenbremsen und modernster Technik ausgestattet sind, hat der Güterverkehr derartige Innovationen schlicht verschlafen. Seit Jahren wird darüber diskutiert, alle europäischen Güterwagen mit Kunststoffbremsen auszurüsten, die den Lärm nachhaltig reduzieren. Sogenannte Flachstellen an den Laufrädern werden durch elektronische Sensoren an den Schienen erkannt und gemeldet. Mit dem Ziel, diese Fahrzeuge schnellstmöglich einer Werkstatt zuzuführen. Im Zuge der weiteren Digitalisierung der Bahn werden sich derartige diagnostische Analysen noch weiter entwickeln.

Der große Wurf wäre allerdings der Neubau einer neuen, reinen Güterverkehrstrasse zwischen NRW und dem Rhein-Main-Gebiet, die entweder durch den Westerwald oder durch die Eifel verlaufen könnte. Für den aktuellen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) befindet sich im weiteren Bedarf ein Projekt für eine unterirdische Tunnelstrecke im rechtsrheinischen Bereich, die ein Ingenieurbüro vorgeschlagen hat. Dieses Projekt ist aber bisher weder konkret durchgerechnet noch projektiert und wird vor 2030 kaum eine realistische Chance haben.

Alternativ gibt es Überlegungen, die Siegstrecke zwischen Troisdorf und Siegen zweigleisig auszubauen, um dort verstärkt Güterzüge fahren lassen zu können. Die Ruhr-Sieg-Strecke zwischen Hagen und Siegen soll ebenfalls entlastend wirken. Und schließlich geistert ein zweigleisiger Ausbau und eine Elektrifizierung der Eifelstrecke zwischen Köln und Trier durch die Gazetten. In allen Fällen wird versucht, Synergien zwischen Güter- und Personenzügen zu generieren, denn beide Verkehrsarten würden durch einen Ausbau der Infrastruktur profitieren.

Zusammenbruch europäischer Logistikketten – nur wer Lärm macht wird gehört

Wie sensibel der Schienenverkehr ist, macht das Bauunglück in Rastatt deutlich. Dort war die stark frequentierte Rheintalbahn, die gleichfalls zu dem eingangs erwähnten transeuropäischen Güterverkehrskorridor zählt, wochenlang gesperrt. Die Folge war der weitgehende Zusammenbruch ganzer Logistikketten mit negativen Auswirkungen auf Produktionsprozesse in der verarbeitenden Industrie. In diesem Zusammenhang kamen etwaige Umleitungen von Güterzügen über Belgien, Luxembourg und Frankreich ins Spiel, die gleichfalls entlastend für die Rheinstrecken wirken können. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass es in Frankreich kein diskriminierungsfreier Netzzugang für Züge außerhalb der SNCF herrscht und es in jedem europäischen Eisenbahnnetz andere Signale, Sicherungssysteme und Trassenpreise gibt.

Die Komplexität des Eisenbahnverkehrs sollte die Bürger*innen nicht abschrecken, sich aktiv beim Lärmaktionsplan Schiene einzubringen. Auch wenn es keinen symbolischen Schalter gibt, den man einfach umlegen kann, um das Rheintal leiser zu machen, ist vieles im Gange. Denn die Schiene mit ihrem positiven verkehrs- und umweltpolitischen Image steht am Scheideweg zwischen einer leisen Zukunft oder einer lauten Inakzeptanz der Länder, der Kommunen und der Anwohner*innen.

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