Wenn die AfD etwas als “Katastrophe für Deutschland” bezeichnet, das als Trost an die GroKo-Gegner*innen in der SPD, kann nicht alles daran verkehrt sein. Ein ernsthaftes Kompliment hat die Abstimmungsbeteiligung von 78% verdient. So wenige Karteileichen wie die SPD von heute, haben wohl nur wenige gute deutsche Vereinsmeiereien. Doch das eigentlich Interessante kann jetzt erst beginnen: die “Erneuerung” der SPD? Wie soll sie aussehen?
Vermutlich waren Versammlungssääle der deutsche Sozialdemokraten schon viele Jahre nicht mehr so gut mit Leben gefüllt, wie in den letzten Wochen. Das ist politisches Kapital, das gut investiert werden muss und nicht verschleudert werden darf. Die im Moment verständlicherweise enttäuschten GroKo-Gegner*innen sollten erkennen: sie sind ungefähr doppelt so viele, wie die Grünen insgesamt an Mitgliedern haben. Jetzt ist nicht das Aufführen beleidigter Leberwürste (wie von MdB Hilde Mattheis), sondern der Nachweis inhaltlicher und strategischer Substanz gefragt. Wieviel davon bringt ein Kevin Kühnert, nach durchaus professioneller Medienperformance, jetzt auf die Waage?
Von aussen betrachtet ist mir gegenwärtig unklar, was die in fünfstelliger Zahl gewonnenen, überwiegend jungen neuen Mitglieder in die SPD mitbringen. Sind es die Bedürfnisse von Online-Konsumenten, die vor allem alles und das sofort wollen? Oder bringen sie neue intellektuelle Substanz, technologisches Wissen gepaart mit strategisch grundiertem politischen langen Atem?
Und sind es nur intellektuelle Überflieger? Oder lässt sich auch verloren gegangener Kontakt zu den gesellschaftlich Abgehängten wieder herstellen? Ist das moderne prekarisierte und wachsende Proletariat für die SPD noch/wieder relevant? Oder wird es verloren gegeben?
Und gibt es überhaupt noch sozialdemokratische Alternativen für eine sicherere Aussen- und Friedenspolitik? Zur Erinnerung: in der Grossen Koalition, in der eine Erneuerung der SPD tatsächlich gelang (1966-69), war das ausschlaggebend, personifiziert durch den damaligen Aussenminister Willy Brandt! In Zeiten, in denen wir mit “Welthandelskriegen” und “Cyberangriffen” beballert werden, nur um unseren undurchsichtigen Geheimdiensten exakt solche aggressiven Aktivitäten zu gestatten und sie mit entsprechenden von uns nicht kontrollierbaren Ressourcen auszustatten, in solchen Zeiten bietet sich ein weites Feld für Alternativen zu CDU, CSU und AfD. Eine moderne SPD hätte da das Potenzial, eine kraftvolle Verstärkung zu werden. Wir warten schon lange genug darauf.
Und für uns alle zum Freuen: No-Billag in der Schweiz wurde mit über 70% zurückgewiesen. Es gibt noch eine bemerkenswerte demokratische Immunabwehr. Wir müssen sie gut pflegen.
Update 5.3.: Einen ausführlichen Überblick, was eine Linke inkl. SPD jetzt diskutieren müsste, gibts bei Tom Strohschneider vom Oxiblog.
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