Ich beharre darauf, dass es Wichtigeres gibt als Özil. Die Ökonomie der Türkei, und wie klandestin die Bundesregierung auf sie reagiert. Und noch schlimmer: die Eskalation der Kriegsgefahr zwischen dem Trump- und dem iranischen Mullahregime. Und es gibt auch gute Nachrichten: das deutsche Grosskapital weint bitterlich, weil die Sauds mit uns böse sind.
OK, aber alle zerreissen sich das Maul über Özil, als hätten sie z.Z. sonst nichts zu tun. Wenige Perlen gibt es darunter. Wenn Sie im Radio ab und an eine Presseschau hören, halten Sie sich lieber die Ohren zu. Und versuchen Sie es ungefähr hier:
Özil und das Fußballbusiness-Geflecht
Wer sich ernsthaft für den Menschen Mesut Özil interessiert, kann sich z.B. hier bei seinem Fußball-Ausbilder von Schalke 04 Norbert Elgert, informieren. Aber dafür interessiert sich nach meinem Eindruck heute kaum einer mehr.
Klaus Walter/taz, im Hauptberuf hessischer Popjournnalist, und zwar ein sehr guter, verteidigt den Fußballer Özil gegen den senilen Schwachsinn des steuerkriminellen Hoeness. Ich war immer für liberale Formen des Strafvollzuges, doch es gibt Fälle, bei denen mir immer wieder Zweifel kommen. Da hilft Klaus Walter weiter.
Nach der FR widmet sich auch die FAZ dem Beraterhintergrund von Özil und Gündogan. Wenn ich damals 5 Minuten für meine Onlinerecherche gebraucht habe, ist es doch bemerkenswert, wie lange “Qualitäts-” oder gar “Leitmedien” dafür gebraucht haben. Wenn ich das in bezahlte Arbeitszeit umrechne, verstehe ich besser, warum es fast allen deutschen Zeitungen wirtschaftlich so schlecht gehen soll … Inhaltlich erklärt die Berücksichtigung dieser Sachverhalte die Tauchstation, auf die Herr Hans-Joachim Löw in der Öffentlichkeit gegangen ist. Er hat bei sich selbst so viel aufzuräumen, dass er noch nicht damit fertig ist. (Mein Gastautor Dieter Bott empfiehlt ausserdem Patrick Bahners im FAZ-Feuilleton, aber der ist nur hinter Paywall, also quasi nicht existent.)
Bemerkenswert auch, dass sich der gestern noch von mir gefeierte Jan Christian Müller/FR zu diesem sehr bemerkenswerten Rettungsschwimmen nach das Grindel/DFB veranlasst sieht. Es handelt sich wohl auch um die Pflege seiner exklusiven Quellen, die tatsächlich gut zu sein scheinen.
Und jetzt zur Politik
Politisch ist es alles noch viel schwieriger als bei den Fußballdeppen.
Isolde Charim, taz-Kolumnistin aus Wien, erklärt uns zum x-ten Mal, warum das Nachgeben und Eingehen auf rechte Arschlöcher nur noch weiter ins Verderben führt. Das war schon im vorigen Jahrhundert immer so. Zusätzlich kontaminiert wird die Debatte jetzt durch Erdogan persönlich, auf dass nur noch binäres Denken möglich bleibe.
Claudia Roth beschreibt diese Lage heute morgen im DLF. Respekt, dass sie nicht über die Stöckchen (Rücktrittsfoderung an Grindel) springt, die ihr die effekthascherische Interviewerin hingehalten hat, und dennoch an Deutlichkeit nichts fehlen lässt.
Am Aufschlussreichsten ist allerdings, was unsere Mitbürger*innen mit türkischem Familienhintergrund zu sagen haben. Die FAZ interviewt den Boxer Ünsal Arik, der als Erdogan-Gegner über Özil und Gündogan härter urteilt, als viele von uns. Und in der taz unterhalten sich die Journalistinnen Gülseren Ölcüm (hier Ihre sehr sehenswerte ARD-Reportage „Türken entscheidet Euch!“) und Seyda Kurt – hoffentlich ist von den beiden noch öfter zu hören, zu sehen und zu lesen.
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